// aufgelesen vol. 58 – „was bist du für ein idiot?“

mit Büchern von T.M. Wolf, J.K. Rowling, Wolf Haas, Russ Beastley und Alex Ogg. // Es gibt sie immer wieder. Diese Debüt-Romane, die einen von der ersten Seite an fesseln und bis zum Ende hin nicht mehr loslassen. Der amerikanische Autor T.M. Wolf hat mit seinem Buch „Sound“ gerade einen solch grandiosen Einstand hingelegt, dass […]

mit Büchern von T.M. Wolf, J.K. Rowling, Wolf Haas, Russ Beastley und Alex Ogg.

tmwolf// Es gibt sie immer wieder. Diese Debüt-Romane, die einen von der ersten Seite an fesseln und bis zum Ende hin nicht mehr loslassen. Der amerikanische Autor T.M. Wolf hat mit seinem Buch „Sound“ gerade einen solch grandiosen Einstand hingelegt, dass wir aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommen. Das liegt zu allererst an der Aufmachung des Werkes. Da haben sich die Verantwortlichen etwas ganz Besonderes einfallen lassen – sie erheben „Sound“ zu einem typografischen Meisterstück, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass dabei der Lesefluss nicht verloren geht.

Die Story selbst dreht sich um einen jungen Kerl namens Cincy, der in seine Heimatstadt New Jersey zurückkehrt. Die Begeisterung darüber, wieder in sein vergangenes Leben zurückfinden zu müssen, hält sich bei ihm allerdings stark in Grenzen. Dann aber findet er bei einem alten Kumpel Unterschlupf und beginnt zusammen mit ihm die alten Platten aus der Kiste zu kramen, die mal so viel Bedeutung für ihn hatten. Die beiden ziehen zusammen durch die Clubs der Stadt und erinnern sich an die Zeit ihrer Jugend, als alles noch so schön problemlos gewesen ist. Gleichzeitig aber stellt sich eine gewisse Unzufriedenheit bei Cindy ein. Er fühlt sich wie in einer Warteschleife und wartet nur darauf, dass ihn endlich jemand aus diesem selbst errichteten Gefängnis befreit. Gerade, als er die Hoffnung schon fast wieder aufgeben will, trifft er Vera… und der Rest ist Geschichte – eine Geschichte wohlgemerkt, die trotz des üblichen Boy-Meets-Girl-Themas so hinreißend ist, dass man sie sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Also schnuppert mal rein. Es lohnt sich.

jkrowling// Sehnsüchtig hat die Welt in den vergangenen Wochen auf den neuen Roman von Harry Potter-Schöpferin J.K. Rowling gewartet. Der Sicherheitsaufwand, mit welchem das Werk im Vorhinein unter Verschluss gehalten wurde, sucht Seinesgleichen und so überrascht es nur umso mehr, dass „Ein plötzlicher Todesfall“ am Ende doch ein ziemlich bodenständiger Roman geworden ist. „Harry Potter“-Fans jedenfalls werden hier nicht bedient, das Buch spricht vielmehr ein erwachsenes Publikum an. Im Mittelpunkt steht der Tod eines gewissen Barry Fairbrother, der kurz nach seinem 40ten Lebensjahr das Zeitliche segnet. Die Einwohner seines Heimatortes Pagford sind geschockt – naja, zumindest geben sie es vor. Die Dorfbewohner selbst haben es nämlich faustdick hinter den Ohren. Zwischen Alten und Jungen, Männern und Frauen, Kindern und Eltern herrscht Missgunst und Streit. Und jetzt muss auch noch Barrys Platz im Gemeinderat neu besetzt werden. Dass das nicht allzu einfach werden dürfte, ist dem Leser schon nach wenigen Seiten klar. J.K. Rowling versteht es sehr gekonnt, die Psyche der einzelnen Bewohner herauszuarbeiten und so eine bitterböse Gesellschafts-Satire zu kreieren. Mit der Zeit entblättert sich so das wahre Wesen einzelner Protagonisten und der Autorin gelingt es, dass man bereits lange vor den letzten Zeilen des Romans keine Sekunde mehr an die große, weite Welt von Harry Potter denkt. Ist eben ein echtes Kunststück, dieses Werk.

haas// Der neue Haas ist kein Brenner. Auf diesen Umstand muss hier noch einmal hingewiesen werden, damit keine Unklarheiten entstehen. Allen Haas-Fans ist natürlich längst bekannt, dass Wolf Haas nicht nur Brenner-Romane schreibt, da er schon früher Kinder- und Sachbücher veröffentlicht hat. Jetzt aber, vor Beginn der Frankfurter Buchmesse, veröffentlichte der Verlag „Hoffmann und Campe“ das neue Werk „Verteidigung der Missionarsstellung“ des Wiener Autors. In allen deutschsprachigen Feuilletons wird der Roman derzeit gelobt und möglicherweise spricht sein neues Werk besonders Feuilletonisten an – werden doch die Sprachen Deutsch, Englisch und Mandarin wechselweise verwendet. Auch das Layout dürfte Schöngeistern sehr zusagen: die typografische Gestaltung der Seiten, Sätze die quer (von links unten nach rechts oben) laufen, [Regieanweisungen] oder nur teilweise bedruckte Seiten. Kein Brenner! Dementsprechend gibt es im Roman auch keinen Dialekt, kein Wiener Schmäh. keinen trockenen und derben Humor und auch keine Wortspiele. Der Klappentext erzählt tatsächlich die komplette Handlung: „Als ich mich das erste Mal verliebte, war ich in England, und da ist die Rinderseuche ausgebrochen. Als ich mich das zweite Mal verliebte, war ich in China, und da ist die Vogelgrippe ausgebrochen. …“. Wobei hier wechselweise aus der Perspektive von Benjamin Lee Baumgartner und vom Autor selbst berichtet wird. Fazit: Wer auf Romane steht, bei dem die Handlung nicht-chronologisch und mit zahlreichen Widersprüchen versehen ist, der sollte sich die „Verteidigung der Missionarsstellung“ unbedingt nach Hause holen. (verfasst von K. Reschke)

design-und-punk// Punkrock ist immer eine Musikrichtung gewesen, die sich in stilistischer Hinsicht relativ deutlich von anderen Stilen abgegrenzt hat. Dementsprechend erscheint in diesen Tagen im „Hannibal“-Verlag eine längst überfällige Abhandlung über das Themengebiet „Design und Punk“, die mit über 900 Abbildungen, diversen Interviews und zahlreichen Hintergrundinformationen gesegnet ist. Im Rahmen des Werkes von Russ Beastley & Alex Ogg werden dabei nicht nur die zahllosen Flyers und Fanzines der vergangenen 45 Jahre unter die Lupe genommen, sondern auch das Erscheinungsbild der einzelnen Genre-Klassiker beleuchtet. Die informativen Textbeiträge von Zeitzeugen verschaffen einem in diesem Zusammenhang einen guten Einblick in die große, weite Welt des Punk und sind mit zahllosen, persönlichen Anekdoten versehen. So bekommt man in „Design und Punk“ ein sehr differenziertes Bild der damaligen Zeit präsentiert und hat die Möglichkeit sich stundenlang in den zahllosen Illustrationen und Fotos zu verlieren, welche im Rahmen dieses Werkes zu begutachten sind. Denn auch, wenn das Thema natürlich niemals vollständig umrissen werden kann, haben die Macher keine Kosten und Mühen gescheut, um möglichst umfassend über die „Post Punk“, „Oi!-Punk“ und „Do It Yourself“-Szene zu berichten. All jene, die auf Punk-Rock stehen, sollten sich dieses Werk also auf keinen Fall entgehen lassen. Es macht einfach nur verdammt viel Spaß sich durch dieses Sammelsurium an Punk-Designs zu wühlen.

titanic// 30 Jahre „Titanic“ – das will natürlich entsprechend gefeiert werden und so haben sich die Schöpfer der „verbotenste(n) Zeitschrift Deutschlands“ (Spiegel) daran gemacht, die Höhepunkt aus drei Jahrzehnten Heft-gewordenen Satire-Wahnsinns zusammenzukratzen und ein schickes Gesamtpaket daraus zu schnüren. Der Untertitel „Das erstbeste aus 30 Jahren“ ist natürlich ebenfalls mit einem fetten Augenzwinkern versehen und sorgt dafür, dass man schon beim ersten Date mit diesem Werk aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt. Die Macher der „Titanic“ haben in den vergangenen Jahren vor keinem noch so heißen Eisen den Schwanz eingezogen und klopfen sich dafür zu Recht auf die Schultern. Der Leser wiederum wird beglückt mit zahllosen Illustrationen, Texten und Comics, die vor nichts und niemandem Halt machen. Da werden nicht nur Helmut Kohl und Angela Merkel veralbert, es darf sogar im „Genschman“-Shop gestöbert werden. Das Besondere an den „Titanic“-Beiträgen ist allerdings, dass immer darauf geachtet wird, dass das Ganze nicht zu plump anmutet. Stattdessen darf man sich als Leser auf eine gehörige Portion doppelbödiger Sozialkritik freuen, die den Reigen an witzigen Motiven und Texten gelungen ergänzt. Wer bisher noch nicht auf den Geschmack in Sachen „Titanic“-Magazin gekommen ist, sollte dieses Werk unbedingt mal durchblättern. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.