// aufgelesen vol. 76 – „unruhe“

mit neuen Büchern von Anna Weidenholzer, Dirk Stermann, Dave Eggers, Madions Smartt Bell und Hugh Howey. // „Der Winter tut den Fischen gut“ erzählt die Geschichte einer arbeitslosen Textilfachverkäuferin und ist völlig zu Recht für den diesjährigen „Preis der Leipziger Buchmesse“ nominiert. In der Geschichte von Anna Weidenholzer sieht sich die Protagonistin damit konfrontiert, dass […]

mit neuen Büchern von Anna Weidenholzer, Dirk Stermann, Dave Eggers, Madions Smartt Bell und Hugh Howey.

anna-weidenholzer// „Der Winter tut den Fischen gut“ erzählt die Geschichte einer arbeitslosen Textilfachverkäuferin und ist völlig zu Recht für den diesjährigen „Preis der Leipziger Buchmesse“ nominiert. In der Geschichte von Anna Weidenholzer sieht sich die Protagonistin damit konfrontiert, dass da niemand mehr ist, der sie braucht. Sie hat zwar einen großen Teil ihres Lebens noch vor sich, aber die Sache mit der Karriere scheint sich zunehmend im Sande zu verlaufen. Im Grunde genommen ist ja eh schon alles vorbei. Denn Marias Leben läuft rückwärts. In Form von Erinnerungsfetzen setzt sich auf diese Weise die gesamte Existenz der Protagonistin bruchstückhaft zusammen. Und man fühlt sich als Leser in einen regelrechten Sog der Emotionen gerissen.

Am Ende ist es dann fast so, als lägen all die Träume und Hoffnungen noch offen vor einem. Und man spürt, wie sich das Leben langsam seinen Weg durch die erstarrten Adern bahnt, welche plötzlich wieder zu pulsieren beginnen. „Der Winter tut den Fischen gut“ ist ein echter Glücksfall von einem Roman. Und man sollte sich unbedingt treiben lassen von dieser Geschichte, welche die „Randerscheinungen“ unserer Existenz vollends in den Mittelpunkt rückt.

dirk-stermann// Nachdem uns der Duisburger Autor Dirk Stermann bereits mit seinem Roman „6 Österreicher unter den ersten 5“ um den kleinen Finger gewickelt hat und anschließend wochenlang auf der Spitzenposition der österreichischen Hitlisten verweilte, erscheint nun sein neues Werk namens „Stoß im Himmel – Der Schnitzelkrieg der Kulturen“. In seinem neuen Buch erzählt er die Geschichte von Rudi Gluske. Der bekommt es in seinem Roman nicht nur mit fanatischen Moslems, sondern auch mit nerv-tötenden Patrioten zu tun. Dazu gesellt sich eine rachsüchtige Schwester namens Rosa, ein Bundeswehr-fixierter Vater namens Ludger und der ORF, der hier auch irgendwie noch seine Finger im Spiel zu haben scheint. Dabei geht’s auch diesmal wieder herrlich absurd zu und man möchte das Buch am Liebsten in einem Rutsch durchschmökern. Der Autor versteht es einfach sehr gekonnt, mit gängigen Klischees zu spielen, ohne dass das Ganze zu plump rüberkommen würde. Stattdessen gelingt Dirk Stermann auch diesmal wieder ein facettenreiches Werk, das einen immer wieder ein breites Schmunzeln aufs Gesicht zaubert.

dave-eggers// In seinem neuen Roman erzählt Dave Eggers die Geschichte des Geschäftsreisenden Alan Clay, der sich mit dem drohenden Niedergang Amerikas konfrontiert sieht. Die Wirtschaftsmacht von einst hat ihre größten Zeiten bereits hinter sich und befindet sich auf dem absteigenden Ast. Für Clay allerdings könnten sich in persönlicher Hinsicht goldene Zeiten anbahnen: eigentlich ist er schon über 50 und hat seine großen Tage längst hinter sich gelassen, dann aber offeriert ihm sein Chef ein lukratives Angebot: er soll an den König von Saudi-Arabien ein formvollendetes IT-System verkaufen. Während Clay verhandelt, reflektiert er sein eigenes Leben. Seine Ehe ist zerbrochen, das Verhältnis zu seiner Familie zerrüttet. Parallel dazu hat er allerdings eine bewegte Karriere als Angestellter bei verschiedenen Firmen hingelegt. Welchen Wert aber hat das am Ende, wenn plötzlich keiner mehr da ist, der einem wirklich etwas bedeutet? Dave Eggers erzählt in „Ein Hologramm für den König“ die Geschichte eines Mannes, der dem Erfolg alles untergeordnet hat. Er erzählt damit im übertragenen Sinne aber auch die Geschichte der amerikanischen Gesellschaft (und auch der unseren). Dabei gelingt es ihm immer wieder die Kosten des wirtschaftlichen Wachstums aufzuzeigen, die sich nicht in Dollarnoten beziffern lassen.

madison-samrtt-bell// Madison Smartt Bell erzählt in ihrem neuen Roman die verstörende Geschichte eines ehemaligen Sekten-Mitglieds, das von den Geistern der Vergangenheit eingeholt wird. Die Autorin aus Nashville, Tennessee schickt einen als Leser auf eine dunkle Reise in die Abgründe der menschlichen Seele. Ausgangspunkt ihres Romans „Die Farbe der Nacht“ ist der Anschlag auf das „World Trade Center“ im Jahr 2001. In der Flut der Fernsehbilder erblickt die Protagonistin ein längst verblasstes Gesicht. Von Gefühlen übermannt macht sie sich auf nach New York. Das Schicksal ruft nach Mae (so der Name der Hauptfigur) und die hat ihr Gewehr im Gepäck, um die Dinge (in ihrem Sinne) wieder in Ordnung zu bringen. Worum es hier eigentlich geht, darüber lassen wir euch in diesem Zusammenhang erst noch einmal im Dunklen. Denn „Die Farbe der Nacht“ lebt von seiner mysteriösen Grundstimmung, die einen als Leser in einen regelrechten Sog der Emotionen zieht. Ob die Beteiligten am Ende heil aus der ganzen Geschichte heraus kommen oder ob vielleicht schon von vorne herein jeder Hoffnungsschimmer erloschen gewesen ist? Es lohnt sich mal reinzuschnuppern, weil „Die Farbe der Nacht“ gleichermaßen fasziniert und verstört.

hugh-howey// Wer mal wieder einen richtig packenden Endzeit-Roman lesen möchte, der kommt an dem aktuellen Buch von Hugh Howey nicht vorbei. „Silo“ handelt von einer Gesellschaft, die seit Generationen kein Tageslicht mehr erblickt hat. Die Menschen hausen unter der Erde, weil die Oberfläche verwüstet ist. Der Autor spielt in seiner Geschichte gekonnt mit den Ängsten der Leser. Es ist die Furcht vor dem Unbekannten, die die Gesellschaft zusammenschweißt. Dann aber entscheidet sich Sheriff Holston nach dem Tod seiner Frau dazu, die wichtigste Regel zu brechen. Er macht sich auf in Richtung Erdoberfläche – er will das „Silo“ verlassen. Blöderweise soll der Erdboden tödlich sein für jeden, der ihn betritt. Ob er die Luke zur Außenwelt trotzdem öffnet? Und was sein Vorhaben bei den Bewohnern im „Silo“ auslöst? Als Leser kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, während man sich durch die Seiten dieses spannenden Zukunftsszenarios wühlt. Hugh Howey hat einen nachdenklich stimmenden Zukunftsroman geschrieben, der einem anhand einer fiktiven Geschichte vor Augen führt, wie wir als Menschen jeden Tag manipuliert werden. Wir wünschen euch allen deshalb jetzt schon spannende Unterhaltung. Und viel Spaß auf der Buchmesse. Bis zur nächsten Leserunde.