// aufgelesen vol. 81 – „um 13:02 war es schon über 31 grad heiß…“

mit Büchern von U.D. Bauer, Georg Lindt & Ingolf Rech, Alen Meskovic, James M. Cain und Carsten Kluth. // In Zeiten, in denen jede Information nur einen Mausklick entfernt ist, muss die Literatur neue Wege gehen. Wie Selbige aussehen könnten, davon verschafft uns die Autorin U.D. Bauer einen ersten Eindruck. Ihr aktuelles Werk besteht aus […]

mit Büchern von U.D. Bauer, Georg Lindt & Ingolf Rech, Alen Meskovic, James M. Cain und Carsten Kluth.

udbauer// In Zeiten, in denen jede Information nur einen Mausklick entfernt ist, muss die Literatur neue Wege gehen. Wie Selbige aussehen könnten, davon verschafft uns die Autorin U.D. Bauer einen ersten Eindruck. Ihr aktuelles Werk besteht aus keinem einzigen Satz, der von ihr selbst verfasst Worten ist. „O.T.*“ oder „Ohne Titel“ besteht einzig und allein aus Zitaten, die in fast schon beängstigender Form schlüssig miteinander zu einem großen Ganzen verwoben worden sind. 2857 Zitate haben es am Ende in das Werk geschafft. In diesem Zusammenhang kommen nicht nur die Großen der Weltliteratur zu Wort, sondern auch zahlreiche Literaten, die man in diesem Zusammenhang nicht unbedingt auf dem Zettel hat. So puzzelt sich die Autorin durch eine Fundgrube an großen Sätzen und setzt sie in einen neuen Kontext: „O.T.“ ist eine Art Familiengeschichte mit jeder Menge hinterhältiger Figuren, Dreiecksbeziehungen und romantischer Momente.

So stellt sich am Ende fast zwangsläufig die Frage: Wird der Autor in Zukunft überhaupt noch gebraucht? Reicht es nicht, bereits Vorhandenes in einem neuen Kontext zu thematisieren? Muss originell unbedingt auch original sein? Am Ende des Werkes stellt sich die Autorin den Fragen ihres Publikums. Max Dax, der bereits für die „Spex“ sein außerordentliches Talent als tiefsinniger Gesprächspartner (die Interviews mit Nick Cave muss man gelesen haben!), stellt sich der Autorin und geht diesem einzigartigen literarischen Unterfangen auf den Grund, das man unbedingt gelesen haben sollte: denn „O.T.“ funktioniert. So darf man am Ende durchaus von einem kleinen literarischen Wunder sprechen.

weitergehen// Ein schickes Rundum-Glücklich-Paket erscheint in der Zwischenzeit auch im „Lieblingsbuch“-Verlag. „Wir werden immer weitergehen“ besteht aus zahllosen Essays und Interviews und ist ein gefundenes Fressen für jeden Indie-Rock-Anhänger. Im Rahmen des Buches, das neben den Texten auch mit vielen eindrucksvollen Fotos versehen ist, werfen die Macher nicht nur einen Blick hinter die Kulissen im Musikgeschäfts, es kommen neben einigen Plattenladenbesitzern und Musikliebhabern auch zahlreiche Label-Betreiber zu Wort. So erfahren wir aufschlussreiche Details über den Kreuzberger Club „SO36“ von Thomas Winkler und Peter Radzuhn. Dazu gibt’s aufschlussreiche Beiträge zu der „Roten Flora“ in Hamburg und ein interessantes Gespräch mit Alfred Hilsberg, welcher die beiden Labels „ZickZack“ und „Whats so funny about“ ins Leben gerufen hat. Abgerundet wird das ganze Unterfangen mit hübschen Bildern von Jim Avignon und Fotografien von Martin Eberle. Als wäre das noch nicht genug, bekommt man passend zum Berliner / Hamburger Szene-Rundumschlag auch noch zwei gelungene DVDs oben drauf. Im Rahmen des ersten Teils werden in diesem Zusammenhang nicht nur viele Interviews zu einem großen Ganzen zusammengepuzzelt, man darf sich auch über Live-Auftritte und persönliche Anekdoten von Bands wie Tocotronic, Stereo Total oder Atari Teenage Riot freuen. Im zweiten Teil der DVD spulen die Macher dann zehn Jahre nach vorne und treffen die einzelnen Protagonisten noch einmal. Es lohnt sich also mal reinzuschauen und zwar nicht nur für Ortsansässige. Auf der Innenseite des Rückumschlags versteckt sich außerdem eine zweite DVD, der sich mit dem „Glanz und Elend einer Berliner Plattenfirma“ namens „Lieblingslied Records“ auseinander setzt, bei der neben dem hier besprochenen Werk auch weitere, hübsch aufgemachte DVDs und CDs zu Themen wie „Provinzglück“ oder „Liebe & Herzschmerz“ erschienen sind. Fazit: Wer auf liebevoll recherchierte Geschichten im hochwertigen Look steht, der kommt an diesem Gemeinschaftswerk von Georg Lindt und Ingolf Rech nicht vorbei.

ukulele-jam// Die Geschichte eines Flüchtlings erzählt der neue Roman von Alen Meskovic. Der Bosnier Miki findet sich eines Tages mit seiner Familie in einem ehemaligen Ferienlager an der kroatischen Küste wieder. Zusammen blicken sie aufs Meer und versuchen den Schrecken der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Miki sieht sich in diesem Zusammenhang aber nicht nur mit der wachsenden Angst um seinen Bruder konfrontiert, sondern auch mit seinem wehmütigen Vater und der mit ihrem Schicksal hadernden Mutter. So wird er langsam erwachsen in einer durchweg angespannten Atmosphäre und versucht dennoch, die Vorzüge der Jugend in vollen Zügen zu genießen. Dem Autor gelingt mit seinem Buch nicht nur eine glaubwürdige „Coming Of Age“-Erzählung, die schöne Erinnerungen an Literaturklassiker der Marke „Fänger im Roggen“ wachruft, sondern auch ein gesellschaftspolitisches Statement. Selbiges wird gekontert mit einer unbeschwerten Schreibe, die immer wieder für ein breites Grinsen auf den Lippen des Lesers sorgt. „Ukulele Jam“ gelingt es sehr überzeugend, das Leben eines jungen Menschen in Worte zu fassen, der sich in seinem persönlichen Umfeld mit der stetig um sich greifenden Resignation konfrontiert sieht. Der Roman schreit einem in diesem Zusammenhang regelrecht ins Gesicht: lebe, verdammt nochmal, lebe, als ob es kein Morgen mehr gäbe!

abserviert// Einen lange verschollenen Klassiker der Noir-Literatur bekommen wir nun ebenfalls vom neuen Popkultur-Verlag „Metrolit“ in einer ansprechenden Neuauflage präsentiert. „Abserviert“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres Mannes als Kellnerin in einer Cocktailbar arbeitet. Sie braucht das Geld, um irgendwie den Monat zu überstehen, außerdem möchte sie das Sorgerecht für ihren Sohn wieder haben. Während sie ihrer Tätigkeit am Tresen nachgeht, lernt sie zwei völlig unterschiedliche Männer kennen. Einen jungen Herzensbrecher, der sie vom großen Glück träumen lässt und einen älteren Herren, der sie nicht nur mit einer großen Portion Trinkgeld versorgt, sondern auch gleich noch um ihre Hand anhält. Ob sie auf das zwielichtige Angebot eingeht? Und ob die Protagonistin wirklich für den Tod ihres Mannes verantwortlich ist, wie von ihrer Schwägerin behauptet? Am besten du findest es selbst heraus. Der verschollene Roman des amerikanischen Autors James M. Cain kann sich in Ansätzen durchaus mit seinem Klassiker „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ messen. Und wirft einen intensiven Blick in die Untiefen der menschlichen Seele.

carsten-kluth// Der Politik-Wissenschaftler Carsten Kluth hat in der Zwischenzeit seinen Debüt-Roman im „Piper“-Verlag veröffentlicht. „Wenn das Land still ist“ kann man aufgrund seiner Geschichte noch am Ehesten als Gesellschafts-Roman bezeichnen. Die Story dreht sich um einen gewissen Harald Kronauer, welcher in politischer Hinsicht groß hinaus möchte. So schleppt er sich jeden Morgen um 4 Uhr aus dem Bett und geht seinen alltäglichen Verpflichtungen nach. Schade eigentlich, dass sich seine Frau kein bisschen für seine Pläne interessiert. Gut aber, dass es wenigstens Martina gibt. Sie ist seine Geliebte und gleichzeitig Feuer und Flamme für Haralds Ambitionen. Warum dem so ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Jedenfalls stürzt das Kartenhaus, das sich der Protagonist mühevoll errichtet hat, nach und nach in sich zusammen und so bekommt man mit zunehmender Dauer einen äußerst interessanten Roman voller tiefgründiger Charaktere präsentiert, der einen bis zum Ende nicht mehr los lässt. Wer sich also für die alltäglichen Auf- und Abs des Lebens interessiert, sollte mal reinlesen. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.