// aufgelesen vol. 96 – „glücksspiel, prostitution und alkoholausschank…“

mit Büchern von Valeria Luiselli, Janne Teller, Irvine Welsh, Nelson Johnson und Franz Dobler. // Für Aufsehen sorgt in diesen Tagen der aktuelle Roman der mexikanischen Schriftstellerin Valeria Luiselli. In „Die Schwerelosen“ bedient sich die Autorin eines besonderen Kniffs. Sie lässt die Protagonistin ihres Romans selbst einen Roman schreiben und so wird einem auch als […]

mit Büchern von Valeria Luiselli, Janne Teller, Irvine Welsh, Nelson Johnson und Franz Dobler.

luiselli// Für Aufsehen sorgt in diesen Tagen der aktuelle Roman der mexikanischen Schriftstellerin Valeria Luiselli. In „Die Schwerelosen“ bedient sich die Autorin eines besonderen Kniffs. Sie lässt die Protagonistin ihres Romans selbst einen Roman schreiben und so wird einem auch als Leser zunehmend der Boden unter den eigenen Füßen weggerissen. Man sieht sich im Rahmen des Werkes nicht nur mit der Vergangenheit der Hauptfigur konfrontiert, die sie in einem Buch darlegt, sondern zunehmend auch mit einer weiteren mysteriösen Figur, die schrittweise die Oberhand gewinnt. Selbige gehört einem mexikanischen Dichter namens Gilberto Owen, dessen Biografie sich immer mehr mit den Ereignissen im Leben der Protagonistin zu vermischen scheint.

Zunehmend geraten Realität und Fiktion in einen Konflikt, den es irgendwie aufzulösen gilt. Ob das noch möglich ist und was das für das Leben der hier im Mittelpunkt stehenden Lektorin bedeutet. Am besten du wirfst selbst mal einen Blick in das Werk. Die poetische Sprache der Autorin und die Eleganz dieses Romans hinterlassen einen schier atemlos – auch wenn am Ende kein Stein mehr auf dem Anderen zu liegen scheint.

janne-teller// Schon von Janne Tellers Kinderbuch „Nichts“ sind wir mehr als begeistert gewesen. Nun legt die Autorin, die für ihr Werk unter anderem mit dem „Kinderbuchpreis des dänischen Kulturministeriums“ ausgezeichnet wurde, mit „Alles worum es geht“ ein weiteres Werk vor, das einem als Leser wirklich unter die Haut geht. Das Buch dreht sich in diesem Zusammenhang aber nicht etwa um nur einen Protagonisten, sondern nimmt sich gleich acht unterschiedlicher Situationen an, die einen von Zeile zu Zeile mehr fesseln. Was auffällt, ist, dass die Autorin versucht, diesmal möglichst knapp zu erzählen. Gerade zu Beginn ist das Buch nur so durchsetzt von Leerstellen, die den Lesefluss aber keineswegs stören. Ganz Im Gegenteil. Man fühlt sich wie in einem Rausch, während man den Worten der Kopenhagener Autorin folgt. Außerdem fordert sie einen als Leser heraus. Sie fordert einen dazu auf, Stellung zu beziehen. Die Themen, die sie in diesem Zusammenhang diskutiert, sind harter Stoff und verlangen eine Entscheidung vom Beobachter. So wirft sie nicht nur die Frage auf, ob jemand für seine geistige Behinderung selbst verantwortlich sein kann. Sie kratzt auch den Bewegründen, die zu extremistischem Gedankengut bei einem Menschen führen. Wenn du also mal wieder so richtig ins Grübeln kommen möchtest und die Welt nicht in schwarz und weiß untergliederst, schnapp dir dieses Buch. Es durchleuchtet schwierige Themen auf eine äußerst ungewöhnliche Weise.

trainspotting// Wer es gerne etwas direkter und deftiger mag, der kommt bei der Wiederveröffentlichung des altehrwürdigen Literatur-Klassikers „Trainspotting“ auf seine Kosten. Die Geschichte von Irvine Welsh erscheint in diesen Tagen im neuen Look bei „Heyne Hardcore“ und ist ein gefundenes Fressen für all jene, die sich für schräge Anti-Helden und wilde Drogenexzesse interessieren. Das Buch steht dem allseits beliebten Kino-Streifen in keiner Weise nach und dreht sich um eine Gruppe von Außenseitern, die versuchen, ihren Alltag irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Wir folgen Renton, Spud, Sick Boy und wie sie alles heißen auf ihrem Streifzug durchs Leben und werden dabei mit zahlreichen Drogen- und Alkoholgeschichten konfrontiert, die ein schlimmes Ende erwarten lassen. Wie es wirklich ausgeht? Und wie es sich so lebt im fortwährenden Rauschzustand. Dem Autor gelingt es auf sehr authentische Weise die Geschichte des verrückten Haufens zu erzählen, die am Ende eigentlich nur in einer Tragödie enden kann. Wenn du also auf eine gehörige Portion Sex, Gewalt und Junkie-Erfahrungen in literarischer Form stehst, solltest du unbedingt mal reinschnuppern. „Trainspotting“ hat auch 20 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung kein bisschen an Intensität verloren.

boardwalk// All jene, die sich für Qualitäts-TV-Serien interessieren, kamen in den vergangenen Jahren nicht an der HBO-Reihe „Boardwalk Empire“ vorbei. Nun erscheint ein gleichnamiges Werk von Nelson Johnson, das die Geschichte vom „Aufstieg und Fall von Atlantic City“ noch einmal in literarischer Form nachvollzieht. Eingeleitet von einem aufschlussreichen Vorwort von Serienschöpfer Terence Winter erfahren wir zahllose Hintergründe zu den Geschehnissen in der Stadt. Das Buch diente nicht nur als Vorlage für die gefeierte TV-Serie mit Steve Buscemi und Kelly Macdonald, es wirft auch einen Blick hinter die Kulissen. So darf man als Leser nochmal miterleben, was geschieht, wenn sich lokale Politiker und anrüchige Geschäftsmänner die Herrschaft über eine Stadt sichern und sich fortwährend über Recht und Gesetz hinwegsetzen. Rund um den Protagonisten Enoch „Nucky“ Johnson entsteht auf diese Weise ein Imperium, das unbehelligt der Dinge harrt, während drum herum die gesellschaftlichen Werte mit Füßen getreten werden. Wem das noch nicht reicht, der bekommt außerdem eine ganze Reihe illustrer Fotos aus der TV-Reihe präsentiert, die dazu einladen, sich die HBO-Serie noch einmal etwas genauer anzusehen. Also kommt schon. Taucht ein in die Welt von Atlantic City. Es lohnt sich.

dobler// Unter dem Namen „The Boy Named Sue“ erscheint in diesen Tagen außerdem ein liebenswertes Werk, das die „Memoiren eines zerstreuten Musikliebhabers“ beinhaltet. Franz Dobler macht sich in seinem Werk daran einen Brückenschlag zwischen Country und Free Jazz zu vollziehen, ohne dabei aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sein Buch widmet sich weniger einem bestimmten Musikstil, sondern es ist die Liebe zur Musik, die ihn antreibt und von welcher seine Kurzgeschichten zehren. Ob er sich nun mit Johnny Cash oder Nils Koppruch beschäftigt. Man spürt, dass sein Leben an der Thematik hängt und dieser Enthusiasmus überträgt sich auf seine Texte, die man sich am Besten in kleinen Happen zu Gemüte führen sollte. Zwischen den Zeilen macht sich zudem eine sanfte Prise Melancholie breit, welche wohl dazu gehört, wenn man sich voll und ganz der Liebe zur Musik verschrieben hat. Wenn du also noch nicht weißt, was es eigentlich mit diesem sagen umwobenen „Boy Named Sue“ auf sich hat, schnupper mal rein. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.