// aufgelesen vol. (1)16 – „tabu“

mit Büchern von David Wong, Ferdinand von Schirach, John Irving und Kevin Kuhn. // Ein herrlich schräges Buch erscheint in diesen Tagen beim lieb-gewonnen Popkultur-Verlag „Metrolit“. „Das infernalische Zombie-Spinnen-Massaker“ dreht sich um Männer in dunklen Anzügen, heftige Sauerstoffexplosionen und jede Menge toter Menschen. Kurz zuvor kommt ein fünfjähriger Junge ins Krankenhaus. Eigentlich wollen die Ärzte […]

mit Büchern von David Wong, Ferdinand von Schirach, John Irving und Kevin Kuhn.

wong// Ein herrlich schräges Buch erscheint in diesen Tagen beim lieb-gewonnen Popkultur-Verlag „Metrolit“. „Das infernalische Zombie-Spinnen-Massaker“ dreht sich um Männer in dunklen Anzügen, heftige Sauerstoffexplosionen und jede Menge toter Menschen. Kurz zuvor kommt ein fünfjähriger Junge ins Krankenhaus. Eigentlich wollen die Ärzte einen Gehirntumor entfernen, dann aber entdecken sie etwas Eigenartiges. Ein rundes Ding mit Tentakeln stürzt sich auf alle Anwesenden und kurze Zeit später sind alle im Raum tot. David und John tangiert das Ganze erst einmal nicht sonderlich. Sie hausen in einem heruntergekommenen Kaff namens Ungenannt und fristen dort ihr weitestgehend jämmerliches Dasein. Eines Morgens allerdings wird David von einer monströsen Spinne attackiert und er muss feststellen, dass das Ungetüm nicht alleine ist.

Es hat Freunde mitgebracht und die stürzen sich auf die Anwohner der Stadt. Das Komische daran ist: niemand sonst scheint die Viecher sehen zu können. Und so wird die Stadt schon nach kurzer Zeit unter Quarantäne gestellt. David und John überlegen derweil, wie sie der unheimlichen Bedrohung wieder Herr werden und kommen dabei auf wirklich abgefahrene Ideen. David Wong gelingt mit „Das infernalische Zombie-Spinnen-Massaker“ ein irrwitziges Buch über eine Stadt im Ausnahmezustand. Seine Horror-Komödie strotzt nur so vor absurd-witzigen Passagen und hat sich in den USA völlig zurecht zum absoluten Kult-Schmöker gemausert. Starke Nerven allerdings sollte man schon haben, wenn man sich dieses literarische Schlachtfest zu Gemüte führt. Dafür aber wird man mit einem wahren Erguss an verrückten Ideen belohnt.

schirach// Mit „Tabu“ steht ein neuer Roman des brillanten Schriftstellers Ferdinand von Schirach in den Regalen. Der Berliner Strafverteidiger erzeugt eine nahezu beklemmende Atmosphäre bei seinen Lesern und schafft es mit knappen und prägnanten Sätzen das jeweilige Verbrechen sehr präzise zu umreißen. Nun widmet er sich einem gewissen Sebastian von Eschburg, der als Kind nach dem Selbstmord seines Vaters nicht mehr so richtig auf die Beine kommt. Verzweifelt versucht er sich als Künstler und möchte den Menschen durch seine Fotos und Videobeispiele verklickern, dass die Wahrheit und die Wirklichkeit nicht immer zielgerichtet zueinander finden. Als ihm eines Tages vorgeworfen wird, eine junge Frau ermordet zu haben, wird er von einem Mann namens Konrad Biegler vertreten. Der hat selbst ein paar Leichen im Keller und möchte durch die Übernahme des verzwickten Falles auch sich selbst aus einer Art persönlichen Zwickmühle befreien. Wenn du also auf spannende Kriminal-Literatur mit einem Hauch Poesie stehst, dann schnapp dir das Buch. Es führt einem zum wiederholten Male vor Augen, welch ein begnadeter Schriftsteller Ferdinand von Schirach eigentlich ist – weshalb wir uns auch jetzt schon auf weitere Erzählungen des 1964 geborenen Autors freuen.

irving-2// Nachdem bereits Judith Holofernes auf ihrem neuen Album ein paar Zeilen an John Irving richtet, wollen wir euch heute auf zwei Werke des Schriftstellers hinweisen, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. In „Garp und wie er die Welt sah“ erzählt der Autor aus Exeter in New Hampshire die Geschichte von mutigen Frauen, aber auch von der Suche nach der eigenen Geschlechterrolle. Dass das Werk bereits 35 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man dem Buch kaum an, vielmehr werden hier drängende, gesellschaftliche Themen diskutiert, die auch heute noch hochaktuell sind. Im Mittelpunkt steht Garp, der gerade ein Internat besucht, in welchem seine Mutter als Krankenschwester arbeitet. Wir bekommen anschließend einen intensiven Einblick in das Leben des jungen Mannes, der nach seinem Abschluss an der Schule mit seiner Mutter nach Wien umsiedelt. Anschließend versucht er sich als Schriftstellern und bringt seinen ersten Roman „Zaudern“ heraus, außerdem geht es in seinem Privatleben ziemlich drunter und drüber. Während die Handlung stetig voran schreitet, wird man als Leser in einen regelrechten Sog der Emotionen gerissen. Weitere Figuren rücken in den Mittelpunkt und John Irving gelingt ein zauberhaftes Epos über unsere Gesellschaft, irving-1das einem aufgrund zahlreicher skurriler Passagen noch Wochen später im Kopf herumschwirrt. „In einer Person“ wiederum stellt das aktuellste Werk des heute in Vermont lebenden Schriftsellers dar und ist ebenfalls im „Diogenes“-Verlag erschienen. Die Geschichte dreht sich um einen jungen Mann namens Bill, dessen Lebensgeschichte hier dargelegt wird. Man wohnt den ersten sexuellen Erfahrungen der bisexuellen Hauptfigur bei, bekommt tiefe Einblicke in seine spannende Beziehung zu der Bibliothekarin Miss Frost und wird Zeuge seiner ersten Gehversuche als Theaterspieler. Anschließend wandelt sich der anfangs noch sehr beschwingte und witzige Ton des Romans in eine tragische Richtung, die mit dem Aids-Zeitalter einhergeht. „In einer Person“ ist ein Roman, der jeden Mensch zur Toleranz gegenüber anderen auffordert, darüber hinaus aber auch äußerst spannend geschrieben und jedem Fan von John Irving herzlich zu empfehlen.

kevin-kuhn// Der Göttinger Autor und Kulturjournalist Kevin Kuhn legt in der Zwischenzeit ein gelungenes Debüt-Werk vor, das man sich als Fan von Romanen wie „Tschick“ und „Nichts“ auf keinen Fall entgehen lassen sollte. „Hikikomori“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes namens Till, der auf die „freieste Waldorfschule der Welt“ geht. Als er es nicht schafft, zum allgemeinen Abitur zugelassen zu werden, stellt er sich plötzlich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Was soll ich mit mir selbst anfangen? Während er so vor sich hin grübelt, verkriecht er sich in sein Zimmer und beschließt, es erst wieder zu verlassen, wenn er eine befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden hat. Er entwirft eine Art paralleles Universum namens „Welt 0“, in der die Regeln und Zwänge der Gesellschaft keine Bedeutung haben. Ob er das Ganze wirklich bis zum bitteren Ende durchzieht oder vorher vom realen Leben eingeholt wird. Es lohnt sich das herauszufinden, weil „Hikikomori“ nicht nur schmissig getextet ist, sondern auch bis zum Ende hin spannend bleibt. Wenn du also auf gewitzte Romane aus der Abteilung „Coming Of Age“ stehst, dann schnupper mal rein. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.