// der glaube versetzt berge

Sechs elektronische Flötentöne reichen aus und schon ist es plötzlich wieder Montagabend, 20 Uhr 15, Pro Sieben. Obwohl man im Kino sitzt. Das Erlebnis, einmal die Woche „X-Files“ zu gucken sitzt immer noch tief und das nicht ohne Grund. Die Fernsehserie, die Chris Carter 1992 unters Volk warf eroberte auf clevere Weise neuen Boden und […]

szenenbild_02jpeg_700×434.jpgSechs elektronische Flötentöne reichen aus und schon ist es plötzlich wieder Montagabend, 20 Uhr 15, Pro Sieben. Obwohl man im Kino sitzt. Das Erlebnis, einmal die Woche „X-Files“ zu gucken sitzt immer noch tief und das nicht ohne Grund. Die Fernsehserie, die Chris Carter 1992 unters Volk warf eroberte auf clevere Weise neuen Boden und war mit ihrer Mischung aus „Monster of the Week“-Folgen und Pilotfolgen, die immer mit den übelsten Cliffhangern endeten auch ein enorm flexibles Serienformat. Inzwischen ist der Boden jedoch mehr als abgegrast, die vergangenen fünfzehn Jahre haben tausende Mystery-Serien, -Filme und -Computerspiele hervorgebracht. Das einzige was die „X-Files“ innerhalb dieses Sumpfes über neun Staffeln rettete war sein Darstellerduo – und selbst das war zum Schluss häufiger getrennt als zusammen auf dem Schirm zu sehen.

Jetzt ist dieses Darstellerduo wieder da, sechs Jahre nach Ende der Serie und die alte Chemie ist immer noch da, auch wenn Fox Mulder (David Duchovny) inzwischen etwas zugenommen und Dana Scully (Gillian Anderson) abgenommen hat, er einen Vollbart und sie ihr Haar länger trägt. Leider scheint diese alte Chemie auch zu bedeuten, dass man insgesamt auf Gewohntes bis Gewöhnliches setzt. Sicherlich bewusst, um Neuzuschauer nicht zu verschrecken, ist „Jenseits der Wahrheit“ (im Gegensatz zum ersten Kinofilm von 1998) kein Film, der auf das komplexe Gewirr von Verschwörungstheorien und Alienverwicklungen zurückgreift, das die Continuity-Folgen der Serie auszeichnete. Ganz losgelöst aus dem Kontext der Serie ist er jedoch auch nicht und Carter, und sein Produzent und Mitautor Frank Spotnitz waren so konsequent und haben aus Realzeit auch Filmzeit gemacht. Sechs Jahre sind vergangen, Scully arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus (hat allerdings von Gerichtsmedizin auf Neurochirurgie umgesattelt – in Amerika geht das bestimmt), Mulder schneidet immer noch Alien-Zeitungsartikel aus und scheint gar nicht zu arbeiten. Die beiden leben separate Leben und es braucht einen Anruf des FBI um sie beide wieder zusammenzuführen.

Das Presseheft macht eine Riesengeheimniskrämerei um den Plot des Films, die eigentlich nicht nötig ist. Monster der Woche ist im Film ein wegen Pädophilie verurteilter katholischer Priester names Father Joe, solide verkörpert von Billy Connolly, der plötzlich seherische Fähigkeiten entwickelt und Visionen von einer verschwundenen FBI-Agentin hat. Über Scully wird Mulder als alter Experte hinzugezogen und untersucht gleichzeitig den Fall, dessen Spuren zu einer Gruppe russischer Organhändler führen, und die angebliche Fähigkeit von Father Joe. Scully muss währenddessen um das Leben eines ihrer Patienten fürchten und ebenfalls ihre Hoffnung in eine Therapie setzen von der nicht bewiesen ist, dass sie hilft.

Die gleichen sechs Töne des Anfangs lässt Carter auch einspielen als Mulder und Scully im FBI vor einem Foto von George W. Bush stehen, das direkt gegenüber von dem J. Edgar Hoovers hängt. Es sind Momente wie diese von denen der Film so etwas wie Lebenskraft zieht, kurze brillante Ideen, die im Drehbuch aufblitzen und zwischen den Darstellern lebendig werden. Ansonsten holen Carter und Spotnitz zum großen Rundumschlag aus, preschen mit allen Themen nach vorne, die den Amerikanern weh tun könnten (Organhandel, Homosexuelle Ehen, Pädophilie im Allgemeinen und Besonderen, Stammzellenforschung) und versuchen eine große Parallele zwischen dem Glauben an übernatürliche Mächte und dem Glauben an weltliche Dinge herzustellen (daher auch der englische Originaltitel „I Want to Believe“).

Etwas Besonderes entsteht dabei trotzdem nicht, der Film ist eine 105 Minuten lange X-Files-Doppelfolge, die den Fans ein paar Brocken in Sachen Mulder-Scully-Beziehung hinwirft und die Reize der großen Leinwand nur selten annähernd intelligent nutzt. Und wenn man sich selbst gegenüber ehrlich ist, beschleicht einen einfach sehr deutlich das Gefühl, dass die Zeit der „X-Files“ vorbei ist und das hier nur etwas noch einmal lau aufgewärmt wurde, das man besser in Frieden hätte ruhen lassen sollen, dort wo es hingehört: im Fernsehen.

5 von 10 Zuckerli

// von Alexander Gajic