// aufgelesen vol. (1)19 – „zweiundzwanzig“

mit Büchern von Colson Whitehead, Jan Christophersen, Saša Stanišić, Jean-Philippe Blondel und Richard Harland. // Das Werk „Zone One“ konfrontiert uns mit einem wirklich düsteren Ausgangsszenario. New York ist gerade von der Apokalypse heimgesucht worden. Überall in den Straßen liegen Leichentürme und die Menschen teilen sich in zwei Lager auf: Infizierte und Nichtinfizierte. In Zone […]

mit Büchern von Colson Whitehead, Jan Christophersen, Saša Stanišić, Jean-Philippe Blondel und Richard Harland.

zone-one// Das Werk „Zone One“ konfrontiert uns mit einem wirklich düsteren Ausgangsszenario. New York ist gerade von der Apokalypse heimgesucht worden. Überall in den Straßen liegen Leichentürme und die Menschen teilen sich in zwei Lager auf: Infizierte und Nichtinfizierte. In Zone One, südlich von Manhattan, machen sich Mark Spitz und einige Zivilisten daran, die herumstreifenden Zombies zu beseitigen. Geschützt werden sie von bewaffneten Einheiten aus Chinatown, die den Komplex zurückerobert haben. Parallel dazu wird bereits der Wiederaufbau der Zivilisation geplant, doch dem stehen noch einige wirklich schwerwiegende Hindernisse im Weg.

Dabei gelingt es dem New Yorker Autor Colson Whitehead sehr gekonnt, die düstere Geschichte mit einer ganzen Reihe an humoristischen Passagen zu kontern. „Zone One“ ist ein Roman mit Augenzwinkern, der aber dennoch sehr tiefsinnig daher kommt. Gleichzeitig nämlich richtet das Werk den Blick auch auf unsere oftmals so triste Gegenwart in Antlitz einer Metropole wie New York, in der wir alle zu gesichtslosen Zombies zu verkommen drohen. Wenn du also auf gleichsam eloquente, wie hintersinnige Horror-Persiflagen stehst, dann beiß dich mal rein in diesen Roman. Er wird dir ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern und dich so lange an der Nase herumführen, bis dir das Lachen im Halse stecken bleibt.

echo// In dem Werk „Echo“, welches in diesen Tagen beim „Mare“-Verlag erscheint, dreht sich alles um eine Seelenverwandtschaft zwischen zwei Menschen. Gesa und Tom lernen sich im Sommer 1989 im Rahmen einer Klassenfahrt in Richtung polnischer Ostsee Kennen. Letzterer, gleichzeitig als Gitarrist der Schülerband aktiv, findet in der jungen Frau eine treue Weggefährtin bis sich eines Tages ihre Wege wieder trennen. Wie das im Leben allerdings immer so ist: man trifft sich immer zweimal und so kreuzen sich die Wege der Beiden nach einer gewissen Weile wieder. Ihre Bindung zueinander wird immer enger, wären da nicht Toms ständige Tourneen um die Welt, die sie immer wieder auseinander reißen. Trotz alledem wird Gera ein Ankerpunkt in Toms Leben und die Zeit, die sie miteinander verbringen, gehört mit zur Besten in ihrem ganzen Leben. Als Tom dann allerdings auf Geras Hochzeit auftreten soll, geraten die Dinge zunehmend außer Kontrollen und das Band, das sie zusammenhält, droht auseinander zu reißen. Wenn du auf tiefsinnige Coming-Of-Age-Geschichten stehst, bist du bei dem neuen Roman des Flensburgers Jan Christophersen genau an der richtigen Adresse. Du solltest dich nur innerlich schon mal auf ein wahres Feuerwerk der Emotionen einstellen.

vor-dem-fest// Die Geschichte einer Dorfgemeinschaft nimmt Saša Stanišić in seinem aktuellen Werk „Vor dem Fest“ etwas genauer unter die Lupe. Der Autor aus Bosnien-Herzegowina lebt seit 1992 in Deutschland und hat mit seinem Debüt „Wie der Soldat das Grammofon benutzt“ schon für eine ganze Menge Aufregung gesorgt. Nun also widmet er sich dem uckermärkischen Fürstenfelde. Dort sollten eigentlich die Glocken läuten, aber die sind spurlos verschwunden. Außerdem werden wir mit einem toten Fährmann und einem ehemaligen Oberstleutnant der NVA konfrontiert. Sie alle haben ihre Leichen im Keller und in diesen Nacht wird sich ihr Leben dauerhaft verändern. Wie es dem Autor dabei gelingt, die Zusammenhänge im Rahmen des Ortes offenzulegen und hinter die Fassade des schönen Scheins zu blicken, ist bemerkenswert und so verwundert es auch nicht weiter, dass „Vor dem Fest“ in diesem Jahr für den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse nominiert worden ist. Ob dieses Mosaik in Form eines Romans ihn am Ende auch bekommt? Warten wir es ab. Unabhängig gehört dieses Werk aufgrund seiner Vielschichtigkeit mit Sicherheit zum Besten, was wir in diesem Jahr in die Finger bekommen haben.

22// Mit „Zweiundzwanzig“ steht man mitten in der Blüte seines Lebens. Kein Wunder, dass sich der französische Autor Jean-Philippe Blondel eben dieses Jahr ausgesucht hat, um es zum Thema seines neuen Werkes zu machen. Dem Protagonisten seines Buches allerdings hat das Leben bereits übel mitgespielt. Seine Eltern sind genauso wie sein Bruder durch zwei Autounfälle ums Leben gekommen. Nun macht er sich auf in Richtung Morro Bay, einem Ort an der Pazifikküste, dem Lloyd Cole einst einen seiner Songs widmete. Dort will er endlich seinen Frieden finden und so begibt sich die Hauptfigur zusammen mit seiner Ex-Freundin Laure und seinen Kumpel Samuel in Richtung „Paradies“. Dabei landet das Trio unter anderem in Las Vegas und Mexiko und hat die eine oder andere irrwitzige Begegnung mit den Menschen vor Ort. So entwickelt sich die Reise nicht nur zu einem verrückten Abenteuer für die drei Weggefährten, sondern führt unseren Protagonisten auch Schritt für Schritt wieder in Leben zurück. Wenn du also auf Geschichten der Marke „Tschick“ stehst, dann schnapp dir diese literarische Perle aus Frankreich. Sie lohnt sich.

song-slums// Der Steampunk-Roman „Song Of The Slums“ von Richard Harland versetzt uns zu guter Letzt zurück ins England des Jahres 1846. Dort sitzt gerade König George IV auf dem Thron und die gesellschaftliche Ordnung steht vor einem Zusammenbruch. Überall im Land versinkt alles im Sog und die Lokomotiven-Hersteller wollen auch zukünftig ihre Machtposition festigen. Dem gegenüber stehen die armen Bewohner aus den Slums, die sich als Verlierer der Industrialisierung sehen. Im Zuge der Erfindung der Dampfmaschine wirken sie wie Zurückgelassene, die keiner mehr braucht. Ihnen bleibt einzig und allein die Musik, die ihnen ein wenig Ablenkung vom tristen Alltag beschert. Dem englischen Alltag gelingt im dritten Band seiner renommierten Steampunk-Dilogie abermals das Kunststück uns in eine zauberhafte Parallelwelt zu schubsen. Und so können wir allen Fans der Vorgänger-Werke „Worldshaker“ und „Liberator“ auch nur dringend raten, sich dieses eindrucksvolle Buch aus dem Verlagshaus „Jacoby & Stuart“ zu Gemüte zu führen. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.