// aufgelesen vol. (1)21 – „pussy“

mit Büchern von David Gilbert, Tamara Faith Berger, Dotschy Reinhardt, Marcus Staiger und Timur Vermes. // Ein wirklich bezauberndes Werk erscheint in diesen Tagen im „Eichborn Verlag“. Der in New York Lebende und aus Paris stammende Schriftsteller David Gilbert hat eines dieser Werke veröffentlicht, das man regelrecht in sich aufsaugen möchte. „Was aus uns wird“ […]

mit Büchern von David Gilbert, Tamara Faith Berger, Dotschy Reinhardt, Marcus Staiger und Timur Vermes.

david-gilbert// Ein wirklich bezauberndes Werk erscheint in diesen Tagen im „Eichborn Verlag“. Der in New York Lebende und aus Paris stammende Schriftsteller David Gilbert hat eines dieser Werke veröffentlicht, das man regelrecht in sich aufsaugen möchte. „Was aus uns wird“ erzählt die Geschichte eines anderen Romans namens „Ampersand“. Dessen Autor ist nach dem großen Hype um sein literarisches Meisterstück inzwischen schon ziemlich in die Jahre gekommen und fristet ein weitestgehend trostloses Dasein.

Zu allem Überfluss ist ihm auch noch seine kreative Ader abhandengekommen, so dass nicht abzusehen ist, ob jemals wieder ein solch wunderbares Werk aus seiner Feder erscheinen wird. Eines Tages allerdings, kurz nachdem sein bester Freund das Zeitliche segnet, entschließt er sich seine drei Söhne zu sich nach Hause einzuladen. Er will ihnen ein großes Geheimnis erzählen, wobei schnell klar wird, dass diese Enthüllung nicht alle von Ihnen überleben werden. Um was es sich dabei letztendlich handelt? Du solltest unbedingt selbst mal einen Blick in dieses famose Werk werfen, das einen von der ersten Zeile an in seinen Bann schlägt. „Was aus uns wird“ ist nicht nur ein verdammt eindringliches, sondern auch ein humorvolles und kluges Buch, das man sich auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen sollte.

pussy// Einen wirklich charmanten Titel hat sich Tamara Faith Berger für ihr aktuelles Werk ausgesucht. „Pussy“ ist bereits der dritte Roman der Schriftstellerin aus Toronto, die sich ihren Lebensunterhalt einst mit dem Verfassen von pornografischen Geschichten verdiente. Nun hat sie nicht nur den „Believer Book Award“ abgestaubt, ihr neues Buch schafft es via „Metrolit“ auch in hiesige Gefilde und so viel schon einmal vorneweg: es ist ein wirklich mitreißendes Werk. Die Geschichte selbst nimmt Fahrt auf im Rahmen eines missglückten Familienurlaubs. Die sechzehn Jahre junge Myra trifft in einem heruntergekommenen Strandbad auf Elijah, der ihr vom ersten Moment seltsam vertraut vorkommt. Fortan sieht sie sich mit zahlreichen, bisweilen widersprüchlichen Gefühlen konfrontiert, die sie Schritt für Schritt in Richtung Erwachsenenleben schubsen und so stellt sich eigentlich nur die Frage: wird sie ihre Unschuld an diesen faszinierenden Mann verlieren oder nicht? Und was hat es mit dieser mysteriösen Begleiterin namens Gayl auf sich, die Elijah plötzlich mit nach Toronto bringt und die sich daran macht, der jungen Protagonistin vollends den Kopf zu verdrehen. Welches Spiel spielen die beiden und was hat das Ganze mit Klassenbewusstsein und dem schwierigen Thema Rassismus zu tun? Der Autorin gelingt es in ihrem Werk ganz vortrefflich die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und so eine wirklich bemerkenswerte Geschichte über die Entwicklung einer jungen Frau zu erzählen, die sich auf ein waghalsiges Spiel einlässt. Wie das ganze am Ende ausgeht? Am besten du schnupperst selbst mal rein. Es lohnt sich.

gypsy// Ebenfalls bei „Metrolit“ erscheint das aktuelle Werk von Dotschy Reinhardt, die sich bereits als Liedermacherin und Autorin einen Namen gemacht hat. Nun veröffentlicht sie ihr zweites Werk namens „Everybody´s Gypsy“, das sich differenziert mit dem so genannten „Gypsy Style“ auseinander setzt. In ihrem Buch möchte sie mit den gängigen Klischees aufräumen, die sich allesamt hinter diesem weitläufigen Begriff zu verstecken scheinen. Deshalb hat sie bei den Recherchen zu ihrem Buch zahlreiche Protagonisten der Szene besucht, welche in unterschiedlichen popkulturellen Bereichen, wie zum Beispiel bei Film und Fernsehen, als Literaten oder als Kulturschaffende tätig sind. Ihre Reise führt sie unter anderem nach Berlin und New York und die Autorin hat allerhand spannende Anekdoten mitgebracht, die ein differenziertes Bild der „Gypsy“-Kultur zeichnen. Wenn du dich also für die Geschichte der kulturellen Schöpfungen von Sinti und Roman interessierst, dann lass dir dieses Werk nicht entgehen. Es räumt mit falschen Vorurteilen auf und öffnet dir in vielerlei Hinsicht die Augen.

staiger// Der Name Marcus Staiger dürften viele von euch sicher bereits ein Begriff sein – sei es durch seine journalistischen Tätigkeit für diverse Musikmagazine oder als Label-Chef des inzwischen nicht mehr existenten HipHop-Labels „Royal Bunker“. Nun hat er unter dem Namen „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ einen Roman veröffentlicht, der sich mit gleich fünf unterschiedlichen Protagonisten auseinander setzt. Ein Wochenende lang schaut er ihnen in ihrem Alltag über die Schulter und berichtet in diesem Zusammenhang nicht nur von Drogen-, sondern auch von Gewalterfahrungen. Mit ironischem Unterton erzählt er von einem Land, das sich nach außen hin als weltoffen präsentiert, aber die Augen vor drängenden Problemen verschließt. So befinden wir uns laut Staiger im inzwischen dritten Jahrzehnt unter der Regierung Kohl. Kurz vor der Wahl, welche ihm erneut den Sieg bescheren könnte, erschießt der rechtsradikale Klaus Jedele den Boss eines arabischen Mafiaclans. Anschließend kommt es zu verheerenden Protesten, die sich auch auf das Leben von Journalist Stefan auswirken, der sich gerade von seiner Freundin Sabine trennt. Währenddessen versucht der amtierende Innenminister die Dinge wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch die Situation droht zu eskalieren… und so sollte man sich als politisch interessierter Leser dieses differenziert-ausgearbeitete Werk auf keinen Fall entgehen lassen. Es gehört mit zum Besten, was wir in den vergangenen Jahren zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Land in die Finger bekommen haben.

timur-vermes// Mit reichlich Verspätung wollen wir hier außerdem zu guter Letzt noch einmal auf die wirklich gelungene Satire „Er ist wieder da“ hinweisen, die uns mit folgendem Szenario konfrontiert: wir schreiben das Jahr 2011 und Adolf Hitler erwacht plötzlich wieder zum Leben. Er befindet sich auf seinem Grundstück in Berlin-Mitte und ahnt erst einmal nicht, was eigentlich mit ihm passiert ist. Mit der Zeit aber muss er feststellen, dass er 66 Jahre in die Zukunft katapultiert wurde. Es regiert eine Frau namens Angela Merkel und Abertausende von Ausländern haben sich in Deutschland breit gemacht. Nachdem er sich mit der neuen Situation vertraut gemacht hat, will er die Chance nutzen und mit Hilfe der Medien ein groß angelegtes Comeback starten. Ob ihm das in dem augenzwinkernden Werk von Timur Vermes gelingt? Es lohnt sich in jedem Fall mal reinzuschnuppern, weil wir seit langem kein so witziges Buch mehr gelesen haben, bei dem einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Mit diesem Werk stand Timur Vermes völlig zurecht an der Spitze der einschlägigen Literatur-Charts und man möchte das Werk nicht ein einziges Mal zur Seite legen, bevor auch die letzte Seite ausgelesen ist. Womit wir dann auch schon wieder am Ende angekommen wären für heute. Also viel Spaß beim Schmökern und lasst es euch gutgehen. Bis zur nächsten Leserunde.