// aufgelesen vol. (1)28 – „wurfschatten“

mit neuen Büchern von Emma Jane Unsworth, Nic Pizzolatto, George Saunders, Simone Lappert und Franz Dobler. // Bei „Metrolit“ erscheint das aktuelle Werk der Autorin Emma Jane Unsworth, die mit „Biester“ einen wirklich imposanten Schmöker über den Alltag einer Dreißigjährigen hinlegt. Die Autorin, die für ihr Debüt „Hungry, the Stars and Everything“ mit dem Betty-Trask-Award […]

mit neuen Büchern von Emma Jane Unsworth, Nic Pizzolatto, George Saunders, Simone Lappert und Franz Dobler.

biester// Bei „Metrolit“ erscheint das aktuelle Werk der Autorin Emma Jane Unsworth, die mit „Biester“ einen wirklich imposanten Schmöker über den Alltag einer Dreißigjährigen hinlegt. Die Autorin, die für ihr Debüt „Hungry, the Stars and Everything“ mit dem Betty-Trask-Award ausgezeichnet wurde, erzählt uns die Geschichte von Laura, die in ihrem Leben eigentlich noch nichts wirklich Großartiges erreicht hat. Ihren Job in einem Callcenter kontert sie mit einem exzessiven Party-Programm, das sie in regelmäßigen Abständen mit ihrer besten Freundin Tyler absolviert.

Irgendwann allerdings schleicht sich so ein gewisses, ungutes Gefühl bei ihr ein. Ist es nicht eigentlich langsam an der Zeit erwachsen zu werden? Und was zum Teufel bedeutet das eigentlich? „Biester“ transportiert in diesem Zusammenhang gekonnt das Leben im Rahmen einer Gesellschaft, die es einem unter den richtigen Vorrausetzungen ermöglicht ein Leben lang Kind zu bleiben. Die Autorin berichtet davon wie in einem Rausch und so möchte man das Werk auch am Liebsten in einem Stück durchschmökern. Wenn du also auf hintersinnige Literatur mit bitterbösen Passagen stehst, dann bist du hier genau an der richtigen Adresse.

galveston// Fans der gefeierten TV-Serie „True Detective“ sollten die Ohren spitzen, wenn der Name Nic Pizzolatto fällt. Selbiger ist nämlich nicht nur alleiniger Drehbuchautor des spannendes Serien-Killer-Werks, sondern auch der Schöpfer des nun erschienenen Buches „Galveston“, das man sich als Kriminalroman-Fan auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Das Buch selbst ist wie erwartet eine ziemlich düstere Angelegenheit. Der Autor konfrontiert uns mit einem Protagonisten namens Roy Cady, der eines Tages die Diagnose Lungenkrebs erhält. Als wäre das noch nicht genug, hat auch noch sein Chef ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Er will ihn nämlich wegen einer Eifersuchtsgeschichte umbringen lassen. Die Aktion allerdings schlägt fehl und so befindet sich Roy Cady auf einmal auf der Flucht mit einer jungen Frau, die ihn ordentlich auf Trapp hält. Die Ausweglosigkeit der Situation wird in diesem Zusammenhang nicht nur von Seite zu Seite deutlicher, man bekommt auch einen vielschichtigen Anti-Helden präsentiert, der nur so strotzt vor Coolness. Ob sich am Ende doch noch alles zum Guten wendet? Wir wagen es mal zu bezweifeln, aber am besten ihr überzeugt euch selbst. „Galveston“ ist nämlich nicht mehr und nicht weniger als einer der besten Kriminal-Romane der Saison.

zehnter-september// George Saunders ist ein absoluter Ausnahmekünstler. Mit seinen Kurzgeschichten wickelt er einen immer wieder um den kleinen Finger und bringt einen damit immer wieder auf Gedanken, die einen das Blut in den Adern gefrieren lassen. Eine Sammlung seiner Shortstorys erscheint nun erstmals auch hierzulande in Form des Werks „Zehnter September“ und wir sehen uns vorab erst einmal in der Pflicht eine Warnung rauszuschicken. Machen Sie sich auf einiges gefasst, wenn sie dieses Buch aufschlagen. Viele dieser Episoden werden ihnen wahrscheinlich über Jahre hinweg nicht mehr aus dem Kopf gehen. Manche von ihnen sind witzig, manche eigenartig, manche durchweg übermütig. Allesamt aber sind sie äußerst vielschichtig und hintersinnig und so regt einem dieser „Zehnte September“ zunehmend zum Nachdenken an. Der Autor aus Texas, der mit seinem Werk auf der Shortlist des „National Book Award“ stand und früher mal als Dachdecker und Türsteher aktiv gewesen ist, geht dahin, wo es wehtut. Er erzählt Geschichten, die ihre jeweiligen Protagonisten in ein moralisches Dilemma stürzen. Es geht um Entführungen, Sex und Selbstmord. Sie richten den Blick auf die Fehlbarkeit des Menschen und konfrontieren einen als Leser mit schwerwiegenden Entscheidungen. Wenn Sie also mal wieder ein Buch lesen möchten, das ihre Welt auf den Kopf stellt, dann nehmen sie dieses hier. Es lohnt sich.

wurfschatten// Ein wirklich eindrucksvolles Werk legt die Schweizer Autorin Simone Lappert vor, welche in diesen Tagen (ebenfalls bei „Metrolit“) ihr Debüt als Schriftstellerin veröffentlicht. „Wurfschatten“ ist in diesem Zusammenhang erst einmal ein ziemlich bedrückendes Werk. Die Protagonistin namens Ada ist gerade in den Mittzwanzigern angekommen und beginnt sich zunehmend von ihren Mitmenschen zu distanzieren. Grund dafür ist der feste Glaube an ihr baldiges Ableben, was letztlich sogar dazu führt, das einige gute Freundschaften in die Brüche gehen. Zu allem Überfluss leidet sie außerdem noch an akutem Geldmangel und so setzt ihr der Vermieter eines Tages urplötzlich einen Untermieter ins Wohnzimmer. Der Typ namens Juri ist nicht nur der Enkel des Hausbesitzers, er beginnt auch zunehmend der anfangs noch widerstrebenden Protagonistin ans Herz zu wachsen. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte, deren Ende zwar offen ist, die einen aber in Sachen Intensität zunehmen mitreißt und einem auch noch Tage nach dem Auslesen des Werkes im Kopf herum schwirrt.

bulle-im-zug// Zu guter Letzt noch der Hinweis auf einen wahrlich unkonventionellen Krimi aus der Feder von Franz Dobler. Der widmet sich in „Ein Bulle im Zug“ einem wirklich außergewöhnlichen Fall. Das größte Problem für Hauptkommissar Fallner ist nämlich er selbst. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er erst vor kurzem einen jungen Kriminellen erschossen und kommt mit dessen Ableben überhaupt nicht zurecht. Ganz im Gegenteil: seine Therapeutin rät ihm nachdrücklich dazu, sich einen Auszeit von seinem Beruf zu gönnen und stattdessen mal etwas für sich persönlich zu tun. Dementsprechend findet sich Fallner schon bald mit einer Bahncard100 bewaffnet auf einer epischen Zugreise wieder, die ihn immer wieder in skurrile Situationen verwickelt. „Ein Bulle im Zug“ ist im Grunde genommen eigentlich gar kein Krimi, sondern eine Charakterstudie über einen vielschichtigen Charakter, der sich fragt, wie er die Dinge, die geschehen sind, nur wieder aus seinem Kopf heraus bekommt? Ob ihm das Ganze am Ende gelingt oder er vielleicht lernt mit den Dämonen der Vergangenheit zu leben? Es lohnt sich mal reinzuschnuppern in diesen imposanten Stilmix, der allen Fans von Genre-übergreifenden Romanen ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern dürfte. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.