// zuckerbeat volume 31

Innovative Popmusik zu fabrizieren – daran sind schon einige Musiker gescheitert. Die Sparks (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) schaffen es dennoch seit geraumer Zeit alle Körner im Sandkasten zusammenzuhalten und daraus schicke Traumschlösser zu bauen. Traumhaft ist auch das Cover-Artwork ihres inzwischen 21ten Albums „Exotic Creatures […]

_sparks.jpgInnovative Popmusik zu fabrizieren – daran sind schon einige Musiker gescheitert. Die Sparks (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) schaffen es dennoch seit geraumer Zeit alle Körner im Sandkasten zusammenzuhalten und daraus schicke Traumschlösser zu bauen. Traumhaft ist auch das Cover-Artwork ihres inzwischen 21ten Albums „Exotic Creatures Of The Deep“. Da werden zwar jetzt manche denken, dass so ein schicker Affe am Klavier einfach nur die fehlende Qualität der Songs kaschieren soll, aber denkste. Diese Scheibe wirkt, als hätte man Queen eine Frischzellenkur mit Helium befüllten Luftballons verordnet. Immer wieder platzen aus den rhythmisch vorgetragenen Schlachtrufen kleine aber feine Momente der melodischen Glückseeligkeit heraus. Die Sparks weigern sich auch anno 2008 konsequent ihren Weg von A nach B zu gehen. Stattdessen machen sie lieber einen auf Zorro und hinterlassen mit ihrem Zick Zack Kurs tiefe Spuren im Maisfeld der Popmusik. Also Mikro starten. Ordentlich aufheizen. Und dann wird gepoppt bis die Zimmerdecke einstürzt. Genau so muss eine moderne Pop-Oper klingen. Abwegig, ausufernd, allumfassend… schlicht affenartig… _exits-to-freeways.jpgWas uns schließlich zu Exits To Freeways aus Hamburg bringt. Die haben weniger Affen am Start, dafür aber noch mehr „Art“. Ihr rausgeprügelter Post-Core jedenfalls macht keine großen Kompromisse ans Formatradio. Hier werden die Emotionen raus geschrieen, wie zu besten Mudhoney-Zeiten. Und überhaupt: „Spilling Drinks, Spelling Names“ ist ein ziemliches Brett geworden. Konsequent prügelt die Band dir den Saft aus den Poren. Nur um dich anschließend an der Decke festzunageln. Atemlose Klänge sind das. Da bleibt zum Runterkommen keine Zeit. Diese Musik klopft nicht an irgendeine Tür. Sie macht es, wie die Regierung und tritt einfach ein. Dass man sich davon allerdings eher berauscht, als gestört fühlt, liegt daran, dass man es hier endlich mal wieder mit einer Band zu tun hat, die in keiner Weise kalkuliert klingt. Oder glaubt hier irgendjemand, dass dieser Krach irgendwann den Weg in die Charts findet? Nie im Leben. So viel unmittelbare Aggression und Energie, da könnte manch einer vielleicht noch auf die Idee kommen, seinen Wagen kurzerhand in die nächste Shopping Mall zu pflanzen, um dort Blues Brothers stilistisch ein bisschen aufzuräumen. Wollen wir das? Verdammt noch mal ja… äh nein… ich mein jein. Verdammt… keine Zeit für Kompromisse. Der nächste Song fängt an… wieder voll auf die 12. Wieder so ein Brett. Und so geht’s dann bis zum verträumt-verrückten Ende weiter. Also Vollgas und dann rauf auf die Sprungschanze. Direkt ins schicke Wohnzimmer der Nachbarn, die schon an die Decke klopfen, weil deine Anlage ihre geliebte Talk-Show übertönt. Wer hinterher endgültig mit ein paar Bassläufen das Gebäude einstürzen lassen will, sollte sich an Spank Rock And Benny Blanco wenden. _spank-rock.jpgDie entfesseln auf „Bangers & Cash: The Adventures Of Spank Rock & Benny Blanco EP“ ein Hormon gesteuertes Rap-Monster. Das wiederum schwingt sich direkt auf die nächste Tanzfläche und walzt mit seinem Gestampfe erstmal die gesamte Anlage platt. Dabei lohnt es sich durchaus genau hinzuhören. Denn Spank Rock verstand sich schon auf seinem (schlichtweg genialen) Debüt als Freund des augenzwinkernden Zitats. Und so kontert auch diese EP sein „dicke Hose“-Gepose mit ironischem Unterton. Ansatzpunkt ist dabei die Mucke der 2 Live Crew, die ja wegen ihres losen Mundwerks auch schon eingebuchtet wurden. Trotzdem muss man letztlich sagen, dass die EP nicht an die hochgesteckten Erwartungen heran ragt. Als kleiner Zeitvertreib bis zum nächsten Album kann man diese fünf Tracks plus zwei Remixe dennoch ins Tapedeck schmeißen und sich dann entweder spitzbübisch grinsend über die engagierten Hüftschwinger schlapp lachen oder sich einfach mal wieder selbst zum Affen machen. Äußerst tanzbar ist derweil auch das neue Album von Thomas D geraten._thomas-d.jpg Nachdem sich der versierte Reim-Revoluzzer zuletzt so oft in Weltverbesserungslyrik verlor, dass man sich schon langsam die Apokalypse herbei sehnte, damit sie ihn endlich von seinem Leid erlöse, hat er jetzt doch noch die Kurve gekriegt. Auf „Kennzeichen D“ orientiert er sich wieder an der stilistischen Vielfalt seines Solo-Erstlings und klingt dabei so herrlich frisch und runderneuert, dass er vielleicht doch nicht dazu verdammt ist, auf ewig in seinen alten Hausschuhen herumzuhängen. Stattdessen streift er sich lieber ein paar sportliche Treter über und kickt ordentlich Arsch. „Keine Panik (Der Handtuch Song)“ – ein einziger Weckruf. „Fluss“ – ein dicker Mittelfinger in Richtung Kritiker. „Get On Board“ – ein Arschbacken-schüttelnder Pop-Hit. Viel besser konnte die Reise gar nicht losgehen. „Ich packe meine Sachen und bin raus mein Kind“ also im 2008er Update. Heute klingt das dann so: „Du bist am Rennen, doch du kommst nicht an“. Mit einem fetten Elektro-Monster von Beat schwingt sich der Song ins flackernde Blitzlichtgewitter und wird anschließend nur noch getoppt von einem Gitarrenbrett namens „Thank U For The Music“. Da dürften sogar Abba die Luftgitarre schwingen. Und Thomas lässt nicht locker. Stillstand war gestern. Heute wird geklotzt, nicht gekleckert. „Fighter“ zielt mit einem Gitarren-Lauf direkt auf deine Füße und ballert so lange drauf los, bis du mit erhobenen Händen im Takt springst. Alles in allem muss man also sagen: „Kennzeichen D“ ist Thomas Ds Express-Ticket zurück an die Rap-Spitze. Es geht eben doch zusammen: Party machen und über die Welt philosophieren. Einfach indem man den Pulli des Revoluzzers ab und zu mal abstreift und es sich gemütlich macht. Womit wir dann bei unseren Lieblings-Nachwuchs-Schweden von Sugarplum Fairy angekommen _sugarplum-fairy.jpgwären. Wie schon beim Zweitling schleudern die auch diesmal gleich zum Auftakt drei Smash-Hits hintereinander raus. Danach packen sie in „Bring Danger“ auch noch die Rockkeule aus, nur um kurz darauf die Hitdichte noch weiter nach oben zu schrauben. Verdammtnochmal, wie machen die das nur? „Never Thought I´d Say That It´s Alright“, „Hate It When You Go“, „Just A Little Bit More“, „You Can´t Kill Rock´n´Roll”. Allesamt schmissige Tanzflächenfüller, die man einfach nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Die Musik ist derweil verortet zwischen den Polen Mando Diao und Oasis nach einer belebenden Jungbrunnentaufe. Und wer da jetzt wieder den Joker der fehlenden Weiterentwicklung zückt, der sollte mal lieber schnell in Batmans Höhle kriechen und sich wundern, warum ihn keiner besuchen kommt. Alle anderen ballern sich nämlich zu „The Wild One“ das Gehirn raus. Insgesamt bekommt der geneigte Fan also genau das, wonach er sich sehnt: Eine durchweg euphorische erste Hälfte, die so viele Hits abwirft, dass man nur zu gerne über die Schwachstellen gegen Ende hinweg sieht. So kann es weitergehen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ja gerade die herbstliche Konzertsaison beginnt. Da steht euphorische Musik hoch im Kurs. Eben deshalb sei hier angemerkt, dass die psychopathisch-fidelen Jungs von O´death am _o-death.jpg7. Oktober im Jugendkulturhaus Cairo/Würzburg zu Gast sind. Zu den aufbrausend-akustischen Nummern des neuen Albums „Broken Hymns, Limbs And Skin“ geht einem der Arsch auf Grundeis. Doch die helfenden Hände nahen in Form von osteuropäischen Klängen. Danach perlt das kühle Nass rhythmisch untermalt von der Musik wie in Zeitlupe von einem ab. Kurz darauf wickeln dich dann pulsierende Songs, wie das grandiose „Home“ in einen dicken Kittel und spenden dir Schutz vor der Kälte. Diese Platte ist wie ein Schmetterball gegen die Herbstdepression. Die unterschwellige Aggressivität in vielen Stücken umschmeichelt den Punkrocker in dir. Manche Songs entledigen sich dabei zunehmend ihres akustischen Gewands. Rollen auf einen zu wie Schneelawinen. Und dann gibt es kein Halten mehr. Man singt lauthals mit. Diese schmerzlichen Hymnen, die einen nicht mehr loslassen. In ihnen manifestiert sich die große Stärke dieser Band… in der Unmittelbarkeit der Musik. So als wollte diese Platte dich so lange durchschütteln, bis all der Stress einfach von dir abfällt. Ein wirklich tolles Album. Ebenso, wie „Reinventing The Heartbeat“ von E For Explosion. Das_e-for-explosion.jpg besticht vor allem durch seine Melodie-Dichte. War ja zu erwarten, wenn da einer von den hierzulande schmerzlich unterschätzten JamisonParker(s) mitspielt. Jeder Jimmy Eat World-Fan dürfte bei so viel Sternenstaub-Glitzer-Romantik kurzerhand eine Milchstraße zum Mond bauen und dann schnurstracks hinaufstürmen. Romantisch verklärte Gefühlsorgasmen sind das, die uns Jamison Covington hier ans Firmament zaubert. Nur zu gerne lässt man sich von dieser Musik in den Arm nehmen, um dann durch die spärlich beleuchteten Gassen der Innenstadt zu wandeln. Plötzlich tanzen Schneeflocken auf deiner Nase, zerschellen an den Wangenknochen und bilden so die tränenreiche Szenerie für dieses Emo(tions)-Manifest. Dass sich die Musik dabei niemals in der Emo-Klischeefalle verheddert, ist ein kleines Wunder. E For Explosion gibt dem gebeutelten Genre eben die Romantik zurück, die sich zuletzt in unzähligen Trendfrisuren verhedderte. Das ist so… Also nicht lange drüber nachdenken und einfach die Songs genießen. So traumhafte Popmusik ist eine Seltenheit heutzutage. Trotzdem halten wir den Euphoriepegel bei unserer heutigen Abfeier-Runde weiter hoch. Ist ja auch mal schön, wenn die Scheiben hier reihenweise gut rein laufen. Auch Mintzkov machen _mintzkov.jpgda keine Ausnahme. Die präsentieren auf „360°“ ein elegantes Rockbrett, dass sich zwischen poppigen Sonic Youth und euphorischen Blackmail ein schickes Nest eingerichtet hat. Die Gitarren verzerrt. Die Melodien gepflegt. Immer auf der Suche nach dem eigenen Zuhause. Als wären sie Getriebene nach einem Prison Break. Mit gediegener Härte. Und ebensoviel Liebe. Wer sich in den 90ern in Indie-Darlings der Marke Slut verguckt hatte, kann hier sein Herz reinpfeffern. Es aufladen. Wieder zurückzerren. „Return & Smile“ eben. So heißt der schönste Track der Platte. Eine Blaupause für den geneigten Indie-Disco-Tänzer. Die verfranzten Klamotten der Vorgänger Combo „Mintzkov Luno“ schienen langsam auszubleichen. Also hat man sich neu eingekleidet. Die euphorischen Blicke der sehnsuchtsvoll gestimmten Menge wird es ihnen danken. Zumindest live. Da dürfte diese Band alles und jeden platt machen. Ich umarme dieses Album. Als wäre es die Blaupause der vergangenen Jahre. Das könnt ihr jetzt nostalgisch schimpfen. Da scheiß ich drauf. Musik ist im Allgemeinen doch immer auch einer gewissen Nostalgie verpflichtet. Bis zum nächsten Zuckerbeat.

// von Alexander Nickel-Hopfengart