// zuckerbeat volume 34

In letzter Zeit ist es ziemlich ruhig geworden um eine Band, die am Anfang ihrer Karriere schon als die nächsten Nirvana gefeiert wurden. Nach einem gelungenem aber von der Presse vernichtend rezensiertem Zweitling und dem inspirationslosen Nachfolger, schienen sich The Vines endgültig als Schatten ihrer selbst zu etablieren. Nun allerdings wird sich die Band wieder […]

In letzter Zeit ist es ziemlich ruhig geworden um eine Band, die am Anfang ihrer Karriere schon als die nächsten Nirvana gefeiert wurden. Nach einem gelungenem aber von der Presse vernichtend rezensiertem Zweitling und dem inspirationslosen Nachfolger, schienen sich The Vines the-vines.jpgendgültig als Schatten ihrer selbst zu etablieren. Nun allerdings wird sich die Band wieder ihrer Stärken bewusst. Und so werfen sie auf ihrem vierten, durchaus ansprechenden Werk „Melodia“ wieder allerhand Knallbonbons in Richtung der schweißgetränkten Fangemeinde. Die ersten beiden Songs rocken so straight, dass man selbst bei einer Sturmflut noch das Schiebedach aufkurbeln möchte, weil man denkt, sich so durch die Schicht aus Regenwolken hindurchwühlen zu können. Auf zur Sonne sozusagen. Mit voller Kraft voraus. Dazwischen finden sich ein paar psychedelischen Balladen der Marke Beatles. Einige grunge-punkige Monsterhits, wie „He´s A Rocker“. Und allerhand charmante Midtempo-Smasher, wie „Orange Amber“. Und so haben sich dich dann am Wickel. Zerren dich auf die Tanzfläche. Lassen deine gefärbten Haare grazil im Licht des Stroboskops flackern. Und bescheren dir am Ende einen atemlosen Trip dorthin, wo zuletzt die Blood Red Shoes & Konsorten das 2008er Grunge-Revival ausriefen. Zum Runterkommen sollte man sich anschließend ein heißes Bad genehmigen und dazu die verstörend schöne Musik von Montys Locomontys-loco.jpg auflegen. „“Farewell Mr. Happy“ entpuppt sich als düster-schimmerndes Glitzerkleid, dass sich vorher schon so edle Damen, wie Björk oder PJ Harvey übergeworfen haben. Dabei kommt man nicht umhin den beiden Mädels eine handsignierte Gitarre von Sonic Youth rüber zu reichen. Diese verzerrten, hypnotischen und minimalistischen Songentwürfe klingen wie eine Hommage an die 90er. Damals, als man noch als Slacker durch die Welt schlenderte und am liebsten einen riesengroßen Mittelfinger an jede Hauswand sprühen wollte. Und man lässt sich nur zu gern in diesen nostalgischen Reigen aus zerschredderten Melodien fallen, dass einen selbst die Turtles nicht wieder finden würden. Zurück in die schimmernden Lichter des Clubs zerrt einen anschließend Matthew Dear.matthew-dear.jpg Der amerikanische DJ und Produzent mixt sich auf „Body Language Vol. 7“ durch ein elegantes Mix aus zeitgemäßen House Grooves und Vocal Samples. Der Musiker, der durch seine Remixe für Hot Chip und The Chemical Brothers zunehmend an Popularität gewonnen hat, entwirft dabei ein spannungsreiches Sammelsurium aus den treibenden Tracks von Sascha Dive bis Martinez. Schreckt aber auch nicht davor zurück, sich mal in der abseitigen Minimalfrickelei von DJ Koze zu verlieren. Insgesamt findet „Body Language“ dabei aber immer wieder schnell in die Spur zurück und sorgt somit für ein gelungenes Tanztheater, dass man sich zu nächtlicher Stunde nur zu gerne um die Ohren pfeift. Die neue Scheibe von Million Dan verschreckt derweil erstmal durch ihre Covergemillion-dan.jpgstaltung. UK-HipHop ist ja seit Jahren dabei, sich gegenüber dem amerikanischen Markt als eigenes Genre zu etablieren. Und so präsentiert uns „Spektrum“ unter der glatten Oberfläche auch ein breites Spektrum an Synthie-Ballereien und Soul-Samples. Damit entgeht die Platte über weite Strecken der Gefahr sich den immer gleichförmiger werdenden Soundentwürfen der Gegenwart unterzuordnen. So punktet Million Dan vielleicht auch bei denen, die Roots Manuva oder Kanye West zu ihren Helden zählen. Bei mir will der Funke aber nicht so recht überspringen, weil sich das Album immer wieder bei Vorreitern der Szene bedient, ohne sich wirklich zu positionieren. Das hält die Sache dann zwar bis zum Ende hin spannend. Aber etwas mehr Kompromisslosigkeit hätte vielleicht sogar einen Klassiker abgeworfen. Deshalb freuen wir uns einfach mal auf das nächste Release des begnadeten Reimkünstlers. Und widmen uns bis dahin der energisch-melancholischen Wucht von Uzi & Ari.uzi-ari.jpg Die Band klingt manchmal, als hätte man an Radioheads Arsch ein Stromkabel angebracht, das zwischenzeitlich Energiestöße ins System einspeist. Soll heißen. „Headworms“ schlängelt sich mit seinen zehn Songs geradewegs in die Zwischenwelt, die entsteht, wenn ein Song, wie „Chemtrails“ von Beck auf ein Mogwaisches Monster trifft. Pianomelodien geben hier die Richtung vor und die „unfassbare“ Stimmgewalt des Sängers kämpft dagegen an. Dabei umschmeicheln einen immer wieder Melodiebögen auf eine a-rhythmische, aber dennoch melancholische Weise. Und sorgen so dafür, dass die Musik am Ende ein ebenso unscharfes Bild zeichnet, wie die verschwommenen Silhouetten auf dem Frontcover. „Bestens“ aufgelegt sind derweil Mama Boom! vom schicken Hamburger Label Raboisen Records. Irgendwo zwischen Seeed und der elektronischen Finesse Dendemanns stampfen die auf ihrem Debütalbum durchs Tanzflächen-Dauerfeuer. Eigentlich schlurft ja die Mucke ähnlicher Verdächtiger aufgrund ihrer „tiefsinnigen Inhalte“ oftmals in Richtung Klobrille. Aber Mama Boom! spazieren zielsicher auf dem schmalen Grad zwischen Arschtritt & Anmache. Also noch mal genauer hingehört. Dann entdeckt man zwischen dem partytauglichen Zeug, wie der Calypso-Nummer „Revolution“ auch ein paar schicke Monstmama-boom.jpgerbacken, die Fettes Brot nicht besser hingekriegt hätten. Dass die Mucke dabei nicht in Culcha Candelamäßiger-Nonsens-Phrasendrescherei versinkt und gleichzeitig davon absieht, die politische Keule allzu plakativ zu schwingen, manchmal gar schöne Erinnerung an die Jungs von Fischmob wachruft, lässt einen überaus hoffnungsvoll in Richtung Zukunft blicken. Den Rest müssen die Leute in den Clubs schon selbst erledigen. Es ist aber nur schwer vorstellbar, dass sie sich gegen diesen Monsterbass auflehnen werden, der ihnen hier um die Arschbacken fliegt. Hinterher wird es dann nicht minder aufregend, wenn +/- (Plus/Minus) dem Prog-Pop frönen. Eingeleitet von einem schicken Klavierintro präsentiert das Trio mit „Xs On You Eyes“ das sicherlich eingängigste Werk der Bandgeschichte. Waren auf dem Vorgänger „Let´s Build A Fire“ noch zahlreiche Dissonanzen in den Vordergrund gemischt, macht die Band jetzt Schönwetterstimmung. Die eingestreuten Chöre und Handclaps schrauben das Hitpotenzial dermaßen nach oben, dass die Songs zweifelsohne auch im hiesigen Formatradio gut ankämen. So weit ist die Musik nämlich gar nicht mehr entfernt von Coldplay und Konsorten – zumindest wenn man einen potenziellen Treffer, wie plus-minus.jpg„Subdued“, zu Rande zieht. Dass die Platte dabei trotzdem mit einem unermesslichen Reichtum an Details versehen ist, macht diese Hitparade zu einem äußerst langlebigen Vergnügen. Selbst beim zehnten Durchlauf erliegt man diesen Harmonien immer wieder aufs Neue, schließt die Augen und verliert sich in den vertrackten Rhythmen, die das Ganze letztlich wieder ad absurdum führen. Alles in allem scheint für +/- also die Zeit gekommen zu sein, endlich abzuheben. Und wer weiß: vielleicht treffen sie sich ja oberhalb der Wolkendecke mit Brett Anderson von Suede. Lediglich neun Songs haben es auf dessen zweites Solo-Album „Wilderness“ geschafft. Aber was für welche. Zu Beginn regiert das zärtliche Klimpern des Pianos. Dazu diese Stimme, von der man gar nicht mehr wusste, wie sehr man sie doch vermisst hat. Einfach deshalb, weil sie deine ganze Welt mit ihrem androgynen Charme in tiefe Melancholie zu stürzen vermag. „These Are The Words That Make Me To A Different Place“ heißt es im Opener. Und man erliegt sofort der poetischen Tiefe dieses Satzes. Dass der Musiker die Sache etwas gemächlicher angeht, als zu alten Suede-Zeiten, steigert den Suchtfaktor nur umso mehr. Zeitlupenartig schlendert man gedankenverloren in einer Kulisse aus dunklen Wolken durch endlose Landschaften. Und all die brett-anderson.jpgEmotionen dieser Songs scheinen plötzlich greifbar zu sein. So, als würde sich der Protagonist von seinem Platz am Firmament wie ein Wolkenbruch aufs Land ergießen. Dass ihm das auf seinem zweiten Soloanlauf so eindrucksvoll gelingt, ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass er sich beim Erstling nur allzu oft in seinem überladenen Musikkorsett verhedderte. Auf „Wilderness“ wiederum strahlt alles so karg und reduziert, dass die Musik schlicht erhaben wirkt. Die neue Scheibe von Curse wiederum scheint sich ein bisschen zu erhaben zu fühlen – zumindest für meinen Cd-Player. „Unreadable Disc“ leuchtet da immer wieder auf, bis sich das Teil schließlich doch noch erbarmt, loszurotieren. „Freiheit“ macht dann seinem Namen auch alle Ehre. Ein Feature mit den unsäglichen Silbermond. Eines mit dem schmerzlich unterschätzten Chima. Da hätte es sich Curse leichter machen können. Die Connections sind ja vorhanden. Auch zu Xavier Naidoo. Der leider auch wieder am Start ist. Ich allerdings widme mich lieber dem gelungenen Patrice-Feature auf „Feier dich selbst“. Und auch „Ich kann nicht mehr“ mit Clueso geht vollkommen okay. Trotzdem muss man sagen – bei einem Titel, wie „Freiheit“ hätte man sich am Ende ein paar Überraschungen mehr gewünscht. Nicht, dass die Scheibe langweilig wäre oder noch schlimmer: schlecht – das ist sie nicht. Trotzdem ist hier alles so typisch Curse, dass sich eine Weiterentwicklung schon aus Prinzip zu verbieten scheint. Andererseits könnte man aber auch einfach sagen, dass hier jemand seine Stimme und seinecurse.jpgn Sound gefunden hat. Und vielleicht auch gar nicht raus möchte, aus seiner Haut. Wofür ihn seine Fans dann wiederum feiern werden. Und alle anderen sich nach passenden Alternativen umsehen. Eine hört auf den Namen Marsimoto. Dessen neues (…) kommt leider etwas zerstückelt (…) an. Dabei gehören seine Sounds derweil zum Wegweisendsten, was (…) gerade zu bieten hat. Wie jetzt? Ihr wisst nicht was ich meine? Na da geht (…)! Verstehste? Ich (…) nicht. Also noch mal von vorne: Watermarked Cds mit zusätzlich eingebauten, nervigen Pausen sind ja vor allem bei HipHop-Scheiben ein echter Grund, sich schreiend auf den Boden zu werfen und den Teppich zu frisieren. Da wird dann direkt im Halbsatz ausgeblendet und eine kritische Auseinandersetzung mit den Texten schlicht unmöglich gemacht. Also in die Tonne gekloppt das Teil. In den Laden gerannt und noch mal in der Form genossen, wie das Album eigentlich gedacht war. Wer sich das letzte Release von Marsimotos Alter Ego Marteria mal rein gepfiffen hat, der konnte ja schon mal einen Eindruck gewinnen, wie deutscher HipHop wahrscheinlich in ein paar Jahren klingen wird. Auf diesem Album blubbert und fiept alles so dermaßen elektro-fresh, dass man sich am liebsten selbst einen Helium-Ballon vor die Birne spannen möchte, um die hohe Stimme des Protagonisten nachzuahmen. Seit Jan Delay und D-Flame hat man jedenfalls kein ähnlich eindrucksvolles (andere werden sagen: nerviges) Organ mehr gehört. Und wenn’s dann doch mal zu viel wird, schlüpft er – getarnt als Marteria – einfach in ein bodenständigeres Kostüm. Soll heißen: mit „Zu zweit allein“ setzt sich der Künstler ein Denkmal. War der Erstling von Marsimoto noch eine über 30 Skizzen ausgebreitete Hommage ans Kiffen, wird nun das Repertoire erweitert. Die Skizzen werden zu Songs und alles ballert so dermaßen zukunftsweisend vor sich hin, dass sich viele Teile der Szene vorkommen dürften, als würden sie gerade mit Krückstöcken ausgestattet. Die Mucke verkommt dabei aber dennoch nicht zu einem einzigen Partyreigen, wie ihn Deichkind (die hier auch gefeatured sind) gerade erst raus gehauen haben, sondern setzt auch reimtechnisch Akzente. Beispiel gefällig? Bitteschön. „Dein Sound ist ein Clubeingang, du kannst ihn abstempeln.“ Over und out. Bis zum nächsten Zuckerbeat.

// von: alexander nickel-hopfengart