„room service“ im Maritim

Wie der „room service“ zum absoluten Erlebnis wird, durfte ich als Besucher der 5. Tanzbiennale am 23. November im Würzburger Maritim Hotel erleben. In zehn Zimmern, verteilt über das komplette Hotel, zeigte je ein Künstler seine Show. Von Schauspiel über Tanz bis hin zu Musik – für jeden war was dabei. Dabei bezogen die Künstler […]

Wie der „room service“ zum absoluten Erlebnis wird, durfte ich als Besucher der 5. Tanzbiennale am 23. November im Würzburger Maritim Hotel erleben. In zehn Zimmern, verteilt über das komplette Hotel, zeigte je ein Künstler seine Show. Von Schauspiel über Tanz bis hin zu Musik – für jeden war was dabei. Dabei bezogen die Künstler das Hotelzimmer in ihre Perfomance mit ein.Als erstes schaue ich an der Rezeption vorbei und frage welcher Raum denn gerade frei ist. Dort wird mir ein Schlüssel für Zimmer 101 überreicht. Also gehe ich zu Zimmer 101. Nichtsahnend was wohl jetzt auf mich zukommt – und zugegebenermaßen auch ein wenig ängstlich – öffne ich die Zimmertür. Das Licht brennt, auf Boden und Bett verteilt liegen Klamotten. Von einem Künstler fehlt allerdings jede Spur. „Bin ich hier richtig oder bin ich vieleicht im falschen Raum? Hat die Frau im Foyer mir etwa den falschen Schlüssel gegeben? Nee, kann nicht sein! Oder doch?“ Leicht irritiert bahne ich mir meinen Weg durch das Zimmer nehme auf einem Sessel vor dem Fenster Platz und warte. Nach einer gefühlten Ewigkeit lugt ein Kopf aus der Badezimmertür. Ein schüchterner Typ in T-Shirt und Unterhose mit einer Rose in der Hand begrüßt mich. Ich schmunzele ein wenig und lasse mich auf das Schauspiel ein. Er spielt einen Ausländer. Und dann plötzlich switcht er um und spielt einen Rassisten. Und dann wieder den Ausländer –beides im ständigen Wechsel. Und ich mitten drin, im permanenten Augenkontakt mit dem Schauspieler. Dann verschwindet der Künstler wieder im Badezimmer. Ich verlasse das Zimmer, ohne genau zu wissen ob das nun wirklich das Ende der Performance war, und fahre mit dem Aufzug zurück in die Lobby.In Zimmer 116 geht es weiter. Hier begrüßt freundlich ein großer Mann (Chris Adam) in Anzug und langen schwarzen Haaren. Auf dem Tisch liegen 2 Würfel. Auf einem stehen verschiedene Musikrichtungen wie Jazz, Punk oder Klassik. Der andere Würfel verweist auf Teile des Zimmers: zum Beispiel Bett, Schreibtisch oder Sofa. Der Musiker erklärt mir und meinem Begleiter das Spiel: Jeder würfelt und nimmt den Platz im Raum ein, den der Würfel anzeigt. Dann würfelt einer von uns die Musikrichtung. Und jetzt beginnt die Show. Der Künstler spielt seine E-Gitarre. Ob 60´s, Klassik oder Hard-Rock, er beherrscht sein Instrument und spielt mit wahnsinnig viel Gefühl. Ich sauge die Musik auf und genieße. Die Melodie eines Jimmy Hendrix Songs schwirrt noch in meinem Kopf herum, als ich zur Zimmer 413 weiterspaziere. Auch hier habe ich einen passenden Schlüssel.Der Raum ist dunkel, nur schwach erhellt von einem Fernseher, der afrikanische Kinder zeigt. Dabei läuft psychodelische Musik. Am Fenster sitz ein Mann im Bademantel mit Zigarette in der einen Hand und Bier in der anderen. Er sagt nichts, deutet nur auf einen Stuhl gegenüber vom Bett. Ich setze mich und warte ab, was geschieht. Als er fertig geraucht hat schmeißt er sich aufs Bett und gibt mir einen Zettel. Wir machen einen Test“, sagt er. „A, B oder C.“ Ich entscheide mich für B. „Du gehst in einen Wald. Gehst Du auf dem Weg oder Querfeldein?“ Und los ging’s: Eine Fantasiereise durch Wälder und Landschaften, bis hin zum Meer. „Das ist ein Test, den man mit Leuten macht, die in die psychatrische Anstalt eingewießen werden,“ erklärt mir der Mann im Bademantel am Ende meiner Fantasiereise und überreicht mir mein Ergebnis. „Alles aus diesem Test bleibt unter uns. Behalte dein Testergebniss für dich und bewahre deine Würde!“ steht auf seinem Zettel. Ich denke kurz darüber nach – und gehe weiter.In Zimmer 407 begrüßt mich Tänzer Thomas Kopp. Alle Einrichtungsgegenstände stehen hier schief da. Hier geht es wieder um Musik. Ich darf auf einem Laptop zwischen 5 Songs wählen und der Künstler passt seine Performance der Musik an. Und das macht er echt gut. Und originell. Hätte nicht gedacht, dass man „Für dich soll es rote Rosen regnen“ auch gurgelnd performen kann.Weiter geht’s in Zimmer 111. Eine junge Frau führt mich zu einem Sessel im Raum. Sie zündet Kerzen an und macht das Licht aus. Dann beginnt sie zu tanzen. Sie kratzt an der Wand, klimpert mit Kleiderbügeln und untermalt so ihre Performance mit akustischen Mitteln. Am Ende huscht Sie aus dem Raum ohne etwas zu sagen und lässt die Tür offen. Ich laufe ihr nach, doch als ich den Hotelflur erreiche, fehlt von ihr jede Spur.Also gehe ich weiter. Zimmer 234 ist meine nächste Station. Ein Zimmermädchen räumt das Zimmer auf. Sie tut das sehr gründlich und beseitigt scheinbar jedes Krümelchen und Härchen des imaginären Gastes. Denn der nächste Gast soll von dem Vorherigen nichts merken. Alles Persönliche muss ausgelöscht werden. Das Hotelzimmer ist das Zuhause des Gastes – wenn auch nur für beschränkte Zeit. Das der Raum schon für Etliche von Menschen zuvor als Zuhause diente, wird dabei meist vergessen. Das Zimmermädchen erinnert mich daran. Auch sie verschwindet schließlich in den Gängen des Hotels.Gerne hätte ich mir noch mehr „room service“ gegönnt, aber jetzt hieß es: Alle Zimmer sind ausgebucht. Schließlich mache ich mich auf den Heimweg – ein ganz persönliches Psychotest-Ergebnis in der Tasche und einen Jimmy-Hendrix-Ohrwurm im Kopf.// von: sandra preinl