// aufgelesen vol. (2)36 – „azzurro, il pomeriggio è…“

mit dem SZ Literaturkoffer Italien. // Ein schönes Päckchen feinster Unterhaltung hat die SZ für unseren Sommerurlaub geschnürt. Für die Lieblingsreiseländer Spanien, Frankreich und Italien gibt es den SZ-Literaturkoffer (ISBN 9783864974068) mit vier Büchern: Ein klassischer Roman, ein Krimi, ein Gegenwartsroman und ein wirklich sehr originelles Reisetagebuch sind drin. Wir haben uns einmal durch die italienisch […]

mit dem SZ Literaturkoffer Italien.

// Ein schönes Päckchen feinster Unterhaltung hat die SZ für unseren Sommerurlaub geschnürt. Für die Lieblingsreiseländer Spanien, Frankreich und Italien gibt es den SZ-Literaturkoffer (ISBN 9783864974068) mit vier Büchern: Ein klassischer Roman, ein Krimi, ein Gegenwartsroman und ein wirklich sehr originelles Reisetagebuch sind drin. Wir haben uns einmal durch die italienisch Variante gelesen und so viel sei vorab verraten, wir sind angenehm überrascht.

// Der Klassiker „Zenos Gewissen“ (Originaltitel: La Coscienza di Zeno) von Italo Svevo ist ein 504-seitiges Werk, das der Triester 1923 veröffentlichte. Ein Werk, dass sich regelmäßige Italienbesucher, sicher schon häufiger vorgenommen haben zu lesen. Und er lohnt sich. Protagonist ist hier der 57-jährige Doktor Cosini, verheiratet und Hypochonder. Mit dem Rauchen kann er nicht aufhören, trotz teilweise kuriosen Vorhaben. Als Langzeitstudent war er sich lange nicht über seine Profession im Klaren und auch der gute Verlauf seiner Ehe, ist nicht sein Verdienst. Der Plauderton von Svevo liest sich eindrücklich. Die Gedanken des gewöhnlichen Manns sind nachvollziehbar und lassen den Leser schmunzeln.

// Ein wahrer Geheimtipp ist „Ehrenwerte Leute“ von Guiseppe Fava. Authentischer und tiefgründiger bildet ein Kriminalroman nur selten das Leben in der süditalienischen Provinz ab. Gelungen ist der Aufbau des Dramas: Ein junge Lehrerin (31 Jahre) wird in ein sizilianisches Dorf versetzt. Als völlig Fremde, außenstehend wie der Leser, wird sie mit jedem Schritt tiefer in die Machenschaften des Dorfs gezogen, ohne diese wirklich zu verstehen. Die Ausweglosigkeit der Bewohner möchte sie nicht hinnehmen. Vier Menschen werden ermordet und doch ist nicht die polizeiliche Täterermittlung der Kern des Werks. Trotz Liebschaft, Kollegen und Unterstützern ist Elena doch sehr einsam und hochmütig zugleich. Dem Autor, Guiseppe Fava (1925 – 1975) ist ein eindringlicher Roman gelungen, der vieles aufzeigt und doch nichts erklärt. Ein Happy-End oder wenigstens Erklärungen scheint es in Süditalien in der Realität nur selten zu geben. Fava wurde vor dem Theater, das er in Catania gegründet hatte, ermordet.

// Der ausgewählte Gegenwartsroman ist Marco Balzanos Werk „Damals, am Meer“, erschienen 2011. Drei Männer machen eine Reise ins süditalienische Barletta. Eigentlich haben sich der 26-Jährige Lehrer ohne feste Anstellung, der Familienvater mittleren Alters und der alte Analphabet, alle wohnen sie in Mailand, kaum etwas zu sagen. Dabei hatten der Enkel, der Vater und der Großvater schon ganz andere Tage erlebt. Der Grund der Reise ist auch keineswegs freudig. Die Wohnung im Geburtshaus des Großvaters Leonardo soll verkauft werden, da selbst die Ferien schon seit Jahren keiner mehr dort verbracht hat. Die gemeinsame Autofahrt, bei der etwa 800 km zu bewältigen sind, beginnt daher ehr in getrübter Atmosphäre. Die Grundstimmung ist geprägt von einem Unwohlsein, das nur kurz unterbricht, wenn sich der Vater und der Großvater im süditalienischen Dialekt unterhalten, den der Enkel zwar versteht aber nicht spricht. Von alten Bekannten im Ort werden die Reisenden von der typischen italienischen Herzlichkeit aufgenommen, nur mit den eigenen, zurückgebliebenen Geschwistern und den einst besten Freunden kommt man kaum ins Gespräch. Die Wohnung wird schließlich doch verkauft, sicher nicht zum besten Preis aber an Menschen, die diese sehr schätzen. Das Ziel ist erreicht, die drei fahren getrennt zurück und immerhin trifft der Enkel noch seine Großmutter die tatsächlich zufrieden mit ihrem Leben ist. „Damals, am Meer“ ist kein fröhliches Bella Italia-Buch. Nein, es beschreibt sehr anschaulich die Folgen, nach der Abwanderung zahlreicher junger Menschen aus den landwirtschaftlich geprägten Süden. Diese sind eben auch noch Generationen später erkennbar.

//Das vierte Büchlein „Mein persönliches Reisetagebuch“ ist schon vor dem Gebrauch ein Sammelsurium aus lieb gewonnenen. Der Aperitif, der Song, die Weisheit, der Zungenbrecher des Tages reihen sich ein zwischen sechs Reiseessays (u. a. von Virginia Woolf oder Hans Christian Andersen) und lassen dazwischen viel Platz für eigene Notizen. Am liebsten möchte man die Polenta mit Scampi und Venusmuscheln gleich nach dem Lesen des Rezepts zubereiten. Aber wir lassen uns die Vorfreude nicht nehmen. Auch sehr schön ist der Fragebogen von Marcel Proust am Ende des 144-seitigen Büchleins. Für den hat man im Urlaub sicher Zeit und umso schöner ist es ihn, im nächsten Italienurlaub, noch einmal zu lesen. (Euro 34,00)