// zuckerbeat vol. (1)01 – bang!

Zum 100sten… pardon, zum Debüt (unseren 100sten haben wir scheinbar verpennt, oder doch nicht?!?) haben wir mal wieder ganz was Besonderes im Gepäck. Wir pushen jetzt mal eine aufstrebende Künstlerin aus der Region. Karo kann man jetzt nämlich auch bundesweit erleben. Zumindest ihre Musik, oder noch besser: ihr Debütalbum „Sing Out, Heart“, das in hiesigen […]

karoZum 100sten… pardon, zum Debüt (unseren 100sten haben wir scheinbar verpennt, oder doch nicht?!?) haben wir mal wieder ganz was Besonderes im Gepäck. Wir pushen jetzt mal eine aufstrebende Künstlerin aus der Region. Karo kann man jetzt nämlich auch bundesweit erleben. Zumindest ihre Musik, oder noch besser: ihr Debütalbum „Sing Out, Heart“, das in hiesigen Gefilden schon länger erhältlich ist und über das die „Intro“ sprach… wir sind ja nicht zum Spaß hier (oder so ähnlich). Zugegeben: Karo zieht es wirklich durch bis zum bitteren Ende. Ihre Songs sind allerdings das Glück eines jeden Suchenden, der auf der Suche nach dem Sinn des Lebens durch die Straßenschluchten der Stadt wandelt und dessen Blick zu nächtlicher Stunde dem Licht der Straßenlaternen einen Schimmer von Hoffnung abzuringen versucht. Ist doch alles zwecklos! Denkste! Von diesen Songs fühlt man sich eingekuschelt, eingewickelt, kurz gesagt: so richtig verstanden, wenn´s einem dreckig geht. Karo kann aber auch hin und wieder das Tempo anziehen (siehe: „The Sailor“ oder das schmissige „My Heart Is A Bent“). Und deshalb muss man sich auch gar nicht groß anstrengen, sie irgendwie gut zu finden. Den „lokaler Künstler müssen wir jetzt auch mal loben“ – Bonus, den kann man stecken lassen. Nein, Karo will nicht unser Mitleid, sie will unser Herz. Auf sanften Pfoten pirscht sich ihre Musik an den Hörer heran. Bemerkenswert ist es schon, wie die Musikerin sich hier ihren Seelenschmerz aus den Herzkammern presst. Da werden Erinnerungen an PJ Harvey und Feist wach. Und doch schwingt da eine Unbekümmertheit mit, die man von den großen Vorbildern wohl nie wieder in dieser Form aufs Brot geschmiert bekommt. Karo hat zehn Songs aufgenommen, die aus ihr raus mussten. Das merkt man. Da kann es noch so lo-fi(del) knarzen im Background, diese Songs packen einen. Die anderen können ruhig die große Produktion an den Start bringen, Karo braucht nur eine Gitarre und ein Aufnahmegerät, um dem verirrten Hörer im Dickicht der Versuchungen ein letztes Gefühl abzuringen. Das hier ist der Gegenentwurf zum bombastischen Ausverkauf im Entertainment Center. Das hier ist die Straßengazette im Boulevardblätterwald. Ein kleines Werk auf der Suche nach der großen Welt. Welche das ist, darf noch verhandelt werden. Unsere kanns nicht sein. So viel Gefühl hat die gar nicht im Programm.

raveonettes_inoutcontrol_gThe Raveonettes legen derweil ordentlich los auf ihrem neuen Album „In And Out Of Control“. „Bang“ und ab dafür. Das Album strotzt nur so vor Hits, was ja bei den Raveonettes schon immer so war, nur hat es halt keiner gemerkt, weil immer alles hinter Nebelschwaden zu verschwinden drohte. Nun also soll das anders werden und das Duo hat zahlreiche Argumente im Sinne astreiner Indie-Hmynen der Marke „Suicide“ und „Breaking Into Cars“ am Start, um dem großen Ziel auch Taten folgen zu lassen. Das melancholische Schluchzen dieser Band dürfte damit bald auf den Tanzflächen der Nation ankommen. Da werden sich dann schwarz geschminkte Mädels und traurig guckende Boys tief in die Augen schauen und dieses Zeichen der Zeit mit viel Wohlwollen in ihre heimische Stereoanlage pushen. Wenn man mal genauer hinguckt, ist „In And Out Of Control“ nämlich ein echt romantisches Werk. Und wer die Band mal live gesehen hat, der kommt sowieso nicht mehr von der Gruppe hier los.

molotov-jiveEin ebenso hübsches Schmankerl, das Teenager dazu bringt, sich ihre Nächte um die Ohren zu schlagen, bekommt man hinterher von Molotov Jive vor den Latz geknallt. „Songs For The Fallen Apart“ besteht eigentlich von vorne bis hinten aus Hits für den Tanzboden. Irgendwo im Grenzgebiet zwischen The Clash und The (International) Noise Conspiracy fabrizieren die sympathischen Schweden einen charmanten Hitreigen, dem man sich nur zu gerne mit lautem Grölgesang anschließen möchte. Für ein Zweitwerk klingt das Album außerordentlich schmissig. Von Ermüdungserscheinungen keine Spur. Ich sehe jetzt schon die Fans von Razorlight und Konsorten mit Grübelblasen überm Kopf, was das grad wohl für ein grandioser Hit war, den der DJ da in Richtung Tanzboden entlassen hat.

waxolutionistsDie Waxolutionists haben sich derweil auch mal ein Herz gefasst und ein neues Album eingespielt. Lang ist´s her, seit der Vorgänger uns zum letzten Mal mit seiner Melange aus entspannten Jazz- und Rapmomenten an der Nase herumführte, als wollte er uns Flügel wachsen lassen. Die Tracks wirken trotz aller Harmonie immer charmant genug, um nicht an einem Vorbeizulaufen. Ein Soulsample da, ein Break dort. So konzipiert man mit einfachen Mitteln langlebige Musik. Ein breites Sammelsurium an Gästen sorgt dazu für die nötige Abwechslung. Neben dem famosen Manuva sind auch Flowin Immo, DJ Vadim und Roger vom Blumentopf am Start. Alles in allem ist „We Paint Colors“ genau die nostalgische Klatsche, die sich ehemalige Fans von Digger Dance und Konsorten nur zu gerne zu Gemüte führen. Ein bodenständiges Album, dessen größte Stärke seine ausgesprochene Langlebigkeit ist. Chartrap kann man woanders suchen.

AC034_DIGIPACK_3222Langsam lassen es die Hidden Cameras auf ihrem neuen Album „Origin: Orphan“ angehen. Dabei hätten sie allen Grund sich zu beeilen, damit auch jeder des 20-Kopf-großen Kollektivs zum Zuge kommt. Auf dem neuen Album versteckt sich die Band mal wieder hinter Nebelschwaden, bevor sie hinterher nur umso effektiver ins Scheinwerferlicht springt. Hat man sich durch den ausufernden Opener „Ratify The New“ gekämpft, entfaltet dieses Sammelsurium an Chören, Klatschgeräuschen und akustischen Gitarren einen ganz eigenen Charme. Die Hidden Cameras sind eine Band, die durchaus im Pop verankert ist, führt einen aber mit verqueren Arrangements immer wieder an der Nase herum. Gerade in den hymnischen Momenten dieser Scheibe spielen sie mit links die üblichen Verdächtigen von Arcade Fire und Konsorten gegen die Wand. Dieses Album ist eine Hitschleuder für Menschen, die von Popmusik mehr erwarten, als immer nur die gleichen abgelutschten Arrangements. „Origin: Orphans“ ist eine kleine, funkelnde Perle im romantischen Klangspektrum der zeitgenössischen Indie-Pop-Musik.

dimension-oneUnter dem Banner „Dimension One“ bekommt man derweil vom Berliner Label 5thDime Music ein klangtechnisches Surround-Erlebnis um die Ohren gehauen, nur leider fehlt mir bisher die passende Ausstattung dazu. Unabhängig davon läuft der Clubsound aus dem Hause Tiefschwarz, Marc Romboy, Nick Curly und Kollektiv Turmstraße gut rein. Die Songs wurden homogen zusammengestaucht von Manuel Gerres, der auch schon mal nach China eingeladen wurde, um dort im Auftrag des Goethe Instituts den deutschen und europäischen „Electronic Clubsound“ zu popularisieren (was immer das auch heißen mag). Alles in allem ein ausgewogener Mix, dessen wahre Klasse sich wohl nur unter zu Hilfename einer teuren Surroundanalge beurteilen lässt. In jedem Fall aber ein interessantes Konzept, das sich in nicht allzu ferner Zukunft sicher als Standart etablieren dürfte. Gerade hinsichtlich elektronischer Musik macht es ja durchaus Sinn, die technischen Möglichkeiten unserer Zeit vollends auszuschöpfen und so das heimische Wohnzimmer in einen Tanztempel zu überführen. Jeder, der schon mal den Erstling der Propellerheads auf einem monströsen Soundsystem hören durfte, weiß was ich meine. Alle anderen, sollen das unbedingt mal nachholen.

jana-josephinaJana Josephina bemüht sich derweil der deutschsprachigen Popmusik noch ein paar ungeahnte Facetten abzugewinnen. Das denkt man zumindest, wenn die ersten Sekunden von „Karussell der Liebe“ einen zum Spaziergang über den Jahrmarkt einladen. Da kommt fast schon balkan-lastige Glückseligkeit auf. Leider wirkt dieses ambitionierte Treiben mit zunehmender Länge etwas aufgesetzt. Textlich hat man auch schon imposanteres vernommen und spätestens zur Mitte hin versinkt das Album leider trotz seiner soundtechnischen Raffinesse im gleichförmigen Wust der deutschsprachigen Elektro-Pop-Kapellen der Marke Mia. und Konsorten. Schade eigentlich. Weshalb wir erst mal abwarten, was der Nachfolger so zu bieten hat.

raz-oharaRaz Ohara And The Odd Orchestra laden in diesen Tagen zum zweiten Mal zum Tanzen und Träumen ein. Musste man vor dem grandiosen Vorgänger noch eine gefühlte Ewigkeit auf Nachschub warten, geht’s nun Schlag auf Schlag. Ohara hat Fahrt aufgenommen und die erhöhte Schlagzahl spiegelt sich auch in den vertrackten Sounds eines Songs, wie „The Burning (Desire)“ wieder. Ohara wäre allerdings nicht Ohara, wenn er nicht ein paar fiese Widerhaken in seine melodielastigen Tracks eingebaut hätte. Selbiges Stück klingt deshalb fast schon, als hätten Pupkulies & Rebecca ein trockenes Jazz-Elektro-Experimentierstudio eröffnet und mal geschaut, wie sehr man das Gehör des Fans strapazieren darf, ohne dass die Wohlfühlstimmung abhanden kommt. Überhaupt: Raz Ohara scheint Spaß daran gefunden zu haben, seine Songs mit vertrackten Details voll zu stopfen. Das irritiert anfangs ein bisschen, entpuppt sich aber im Nachhinein als äußerst gelungener Step in Richtung Experimentierkunst. Das schöne dabei ist, dass er zugunsten der Ambitionen nie den Song aus den Augen verliert. So sehr „II“ nämlich vor Ideen und Spielereien trieft, so bezaubernd gerade Songs wie „Losing My Name“ und „The Day You Suffered Helpless Out Of Reach And All Lines Were Dead“ wenn ihnen ausreichend Zeit zur Entfaltung eingeräumt wird. Alles in allem ist „II“ mehr als nur ein weiteres Album von Raz Ohara: es ist ein Befreiungsschlag. Auch für uns. Bis zum nächsten Zuckerbeat.