// zuckerbeat volume 4

Wenn ich an Navel denke, erinnere ich mich immer an diese Headline auf laut.de: „Zu alt für Pumpkins-Opas“. Und das von einer Band aus „Arschwil bei Basel“. Ich meine, das konnte ja nur mit einem dicken Mittelfinger in Richtung Establishment enden. Und zu dem gehören die Smashing Pumpkins eben inzwischen auch. Wie sie da mit […]

Wenn ich an Navel denke, erinnere ich mich immer an diese Headline auf laut.de: „Zu alt für Pumpkins-Opas“. Und das von einer Band aus „Arschwil bei Basel“. Ich meine, das konnte ja nur mit einem dicken Mittelfinger in Richtung Establishment enden. Und zu dem gehören die Smashing Pumpkins eben inzwischen auch. Wie sie da mit ihren schicken, weißen Anzügen von den Festivalbühnen zu uns herunterglänzen, als wollten sie uns geradewegs den Weg ins Paradies weisen. Das hat schon etwas Endzeitliches, Gottgleiches… manche würden sagen: Überhebliches. Ich natürlich nicht, ich zitiere nur… Zum Beispiel die dazu passende Pressemeldung: „Unser Debütalbum ‚Frozen Souls‘ ist zu unserer aller Überraschung so stark geworden, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, mit so abgehalfterten Rockopas wie Smashing Pumpins zu touren. Wir wissen, dass das die Arbeit unserer Plattenfirma erschwert und hoffen, dass Louisville Records trotz dieser Absage weiterhin zu uns stehen.“ Ich meine, mal ehrlich. „Frozen Souls“ (5,7/10) ist zweifelsohne ganz gut geworden. Und auch wirklich „stark“, zumindest wenn man im direkten Vergleich den letzten Output der Pumpkins hernimmt. Aber so richtig warm werde ich mit den Jungs trotzdem nicht. Liegt eventuell daran, dass sie mich soundtechnisch an gute, alte Grunge-Zeiten erinnern. Nur leider find ich meine zerfetzten Hosen nicht mehr. Und Grunge ohne zerfetzte Klamotten, ich bitte euch! Das wäre ja in etwa so, als würden man die 70er revivaln und nach dem Haare schütteln auf einmal mit Glatze dastehen. Das Alter fordert eben seinen Tribut. Und deswegen wächst man da ja auch rein. Und manchmal eben auch raus. Das Sine Star Project scheint mit seinem Album „Building Humans“ (4,5/10) ebenfalls den Absprung verpasst zu haben. Es reicht einfach nicht über die schicken Rockklänge von Led Zeppelin und Pink Floyd ein paar Refrains von Muse zu trällern. Vor allem deshalb, weil Muse sowieso schon immer scheiße waren. Zumindest ab ihrem zweiten Album. Das Gejaule hat ja kein Mensch mehr ausgehalten. Da haben selbst paarungswillige Vierbeiner die Flucht ergriffen. Gott sei Dank gibt es bei nostalgisch veranlagten Musikern aber auch immer wieder welche, die ihren Blick nach vorne richten. und so landen Marygold mit ihren kühlen Indierock-Klangexperimenten der Marke Chokebore irgendwo dort, wo auch Thom Yorke zuletzt andockte. Elektronisch vertrackt spielen sich Marygold auf „Dare, Dare… Surrender“ (6,5/10) durch zehn karge Schmachtfetzen, die niemals zu weinerlich anmuten. Eigentlich ist das der perfekte Soundtrack zum Schnupfen im Frühjahr. Einfach Taschentuch ausklappen und dann alles rauslassen. Hach. Irgendwie befreiend diese Platte, wenn auch nicht sonderlich revolutionär. Selbiges gilt für Sébastien Schuller. Die idyllische Seelandschaft auf dem Innencover von „Happiness“ (6,0/10) fasst die Musik eigentlich hervorragend zusammen. Eine zurückgelehnte, breite Produktion sorgt für ein melancholisches Schmunzeln. Man sieht sich schon in Gedanken mit Kopfhörern auf den Fahrrad eine einsame Straße hinab schießen und dann kurzerhand im besten „E.T.“-Stil abheben. Schade nur, dass Crash Romeo einen dann mit ihrer Gitarrenwucht direkt in die Umlaufbahn eines Fliegers hieven. Ordentlich durchgeschüttelt sitzt man dann auf dem Buckel der Kiste und klatscht zu „Gave Me The Clap“ (5,3/10) die herumirrenden Vögelschwärme vom Himmel. Diese Musik hat alles: Hooks, Melodien, Punkrockpassagen. Und klingt vielleicht genau deshalb so kalkuliert, wie der Konsens-Emo-Punk-Pop von Hawthorne Heights, Simple Plan und Konsorten. Feiern kann man dazu natürlich trotzdem. Und nach einigen Bier ertappt man sich beim fröhlichen Mitsingen. Besser wird das Ganze zwar dadurch nicht, aber immerhin herrscht jetzt gute Laune. Ich meine: Guuuuuuude Launääääääääää. Was jetzt natürlich der perfekte Übergang zu einer technoiden Scheibe gewesen wäre. Aber Techno ist heut nicht am Start. Dafür aber ein schickes Kaliber Punkrockmucke, der Marke Boysetsfire. Das ganze hört auf den Namen Burn The 8 Track und dürfte zumindest szenetechnisch schon einmal imposant gefeiert werden. „Fear Of Falling Skies“ (7,0/10) steckt voller Melodien, die alle Sterntätowierten Mädchen und Totenkopfverzierten Jungs so richtig durchdrehen lassen. Dem kann ich mich natürlich auch nicht entziehen, also werfe ich mich mit geballter Faust im Anschlag so lange auf mein Bettgestell, bis ich mitsamt dem Teil durch die Decke der alten Oma unter mir krache. Da mach ich dann einen auf unschuldig und versuche mit den sanften Akustikperlen von Cryptacize mildernde Umstände zu bekommen. Ich hab den Albumtitel „Dig That Treasure“ (6,2/10) eben einfach eine Spur zu ernst genommen. Das sollte man meine Situation doch verstehen können, zumindest bei dieser zärtlichen Frauenstimme im Hintergrund, die uns irgendwas von Wasser und Hexen erzählt. Vor dem zweiten Stück ergreife ich allerdings schnell die Flucht. Da wird das Ganze nämlich reichlich dissonant, oder wie andere sagen würden: schwierig. Ich sag dissonant, weils ja trotzdem sehr schön ist. Auch wenn mir die folkigen Klänge von The Mohawk Lodge sogar noch eine Spur besser gefallen. Auf „Wildfires“ (6,9/10) spielen sogar Wolf Parade eine Runde mit und sorgen dafür, dass die Platte klingt, als hätten Arcade Fire ihre Wühlkiste aufgeräumt. Da lässt sich dann hinterher außerdem perfekt zu „I Was Submerged“ (6,3/10) von Tulsa überleiten. Ein kleines, etwas verschrobenes Indie-Pop-Werk zu dem man mit Herbstlaub um sich werfen möchte, wäre denn noch welches auf den Straßen. Alternativ kann man natürlich auch Schnee verwenden. Coldplay für Fortgeschrittene sozusagen. Womit wir dann auch schon fast am Ende wären. Das leiten Poney Express mit ihrer „Daisy Street“ (6,8/10) ein. Charmante französische Popmusik mit zuckersüßen Melodien. Man könnte sich kurzerhand durch eine Blumenwiese fressen, so zauberhaft ist das. Die perfekte Lifestyle-Untermalung für alle Fußwipper der Indie-Szene. Einfach zum Knutschen. Und damit Schluss für heute. Und bis zum nächsten Zuckerbeat.

// von alexander nickel-hopfengart