// zuckerbeat vol. (1)44 – killed by the morning sun

The Gaslight Anthem machen sich auf ihrem neuen Album auf, den Kollegen von The Hold Steady vor Augen zu führen, wie man intelligente Texte mit treibenden Songs verknüpft. „American Slang“ macht zwar auch den Springsteen-Fan Pipi in den Augen, hat aber genug Feuer im pyrotechnisch-verzierten Gitarrenhals, dass man sich nur umso mehr aufs Feuerwerk freut, […]

gaslight-anthem-american-slang-coverThe Gaslight Anthem machen sich auf ihrem neuen Album auf, den Kollegen von The Hold Steady vor Augen zu führen, wie man intelligente Texte mit treibenden Songs verknüpft. „American Slang“ macht zwar auch den Springsteen-Fan Pipi in den Augen, hat aber genug Feuer im pyrotechnisch-verzierten Gitarrenhals, dass man sich nur umso mehr aufs Feuerwerk freut, das diese Jungs in diesem Jahr wieder live auf der Bühne abfeuern werden. „Stay Lucky“ gibt die Richtung vor, denn diese Musik hier, die soll vor allem eins: Spaß machen. Lasst uns feiern gehen, als ob die Nacht niemals zu Ende geht. Der hervorragende Auftakt legt die Hürde zwar auf Dauer etwas hoch an, so dass am Ende nicht jeder Song drüber zu hechten vermag, aber mit „Boxer“ und „Old Haunts“ werden dann doch noch mal zwei echte Hochkaräter aus der Schatulle gekramt, so dass sich am Ende alle Fans bierselig im Arm liegen, um die Party feucht-fröhlich ausklingen zu lassen.

we-are-scientistsIndie-Pop zum Mitwippen und Mitschnippen hauen uns hinterher We Are Scientists um die Ohren, die auf ihrem neuen Album „Barbara“ mal wieder im direkten Konkurrenzkampf mit den üblichen Verdächtigen Marke Rifles, Futureheads, Maximo Park und Konsorten stehen. Schön zu sehen, dass sich die Jungs nach dem Schnellschuss von Vorgänger wieder gefangen haben und sich nun wieder an dem hitlastigen Erstlings orientieren, was dann auch einige Tanzflächen-Böller, wie „Rules Don´t Stop“, „I Don´t Bite“ und „Break It Up“ abwirft. In der zweiten Hälfte geht der Scheibe zwar zwischenzeitlich etwas die Puste aus, aber nach nur zehn Stücken wandert der Finger unwiderruflich Richtung Repeat-Taste, um die charmanten Sommerhits von Hälfte eins noch mal aufs Neue zu genießen.

siaDas Vorgängeralbum von Sia wiederum kam im Zuckerbeat nicht so gut weg – da klang doch alles noch ziemlich gleichförmig nach Allerwelts-Pop aus der Konserve, mit dem neuen Album allerdings versucht sich Sia an einem charmanten Spagat zwischen den Polen The Pretenders und Blondie. Was am Anfang noch ziemlich unaufgeregt anmutet, entfaltet mit jedem weiteren Durchlauf einen schmissigen Charme, der einen spätesten beim wunderbaren Pop-Knaller „Stop Trying“ ringelreih im örtlichen Freibad schwimmen lässt. Das unscheinbare Pop-Sternchen hat seine Hausaufgaben gemacht und sich aus der Deckung gewagt. Deshalb folgt auf ihrem neuen Album Hit auf Hit, was allen Fans von Kate Nash über Schnuckel Lena bis hin zu Roisin Murphy ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern dürfte.

ed_harcourt_lustre-300x259Ed Harcourt hat sich derweil auf seine Stärken besonnen und legt mit „Lustre“ ein Album vor, das denjenigen, die sich nicht vom düster anmutenden Cover-Motiv abschrecken lassen, ganz großes Gefühlskino liefert. Auf seinem fünften Werk landet er dort, wo Conor Oberst mit der letzten Bright Eyes-Scheibe hin wollte. Mitten im Pop. Alles jauchzt und streicht und himmelhochjauchzt vor sich hin, so dass man sofort die Augen schließen möchte, um sich von diesen Wollpulli-Melodien einwickeln zu lassen. Dass es Harcourt dabei vermeidet in die Klischee-Falle der Marke Keane zu treten, kann man ihm gar nicht zu hoch anrechen. „Lustre“ ist ein düsterer Pop-Brocken, pompös, aufreizend, liebenswert. Ein Album zum lieb haben. Also komm schon: drück dich rein.

morcheebavd06Morcheeba beackern derweil weiter das Feld, auf dem sie sich mit ihren Sonnenblumen-Pop-Melodien schon vor Jahren niedergelassen haben. Das aktuelle Album „Blood Like Lemonade“ liefert entspannte Klänge zum Gänseblümchenkronen basteln. Die Scheibe ist ein echtes Hippie-Werk, das sich sanft an elektronische Sounds herankuschelt und klingt, als hätte man Moloko durch den Weichspüler gejagt. Menschen, die zum Sound von Morcheeba schon immer gern die Augen schlossen oder schwerelos mit dem Fahrrad und Kopfhörern auf den Ohren E.T.-mäßig in Richtung Nachthimmel abgehoben sind, werden sich auf der Stelle in diese Scheibe verlieben. Der Rest wird vielleicht mal höflich nachfragen, wenn demnächst zum entspannten Candle-Light-Dinner geladen wird, um das Knistern im Raum noch ein bisschen länger am Lodern zu halten. Alles in allem kann sagen: Morcheeba bleiben sich auf ihrem neuen Album treu. Alles in allem muss ich gestehen: mir gefällt das.

dealysDie Delays machen derweil verstrahlten Indie-Pop der mitreißenden Sorte. „Star Tiger, Star Aerial“ verzaubert mit infektiösen Melodien, welche die Band dann ordentlich mit den Effektgeräten auseinander schreddert. Die Musik strahlt so eine gewisse Tiefe aus, die einen in tiefste Abgründe blicken lässt, während sich am Himmel der Regenbogen blutrot verfärbt. Wer mal wieder so richtig melancholisch werden möchte, sollte sich das Teil hier über Kopfhörer reinziehen und durch die Straßen der Stadt schlendern. Die Scheibe dürfte sich auch sehr gut für nächtliche Autofahrten und Wanderungen durch die dunkelsten Winkel des Stadtparks eignen. Ein verstörend-feixendes Pop-Album. Die Grinsekatze aus Alice im Wunderland hätte ganz sicher ihren Spaß daran.

david-carrolDavid Carroll & The Migrating Fellows widmen sich derweil ganz dem Holzfällerleben und säuseln uns sanfte Folk-Phantasien ins Ohr. „The Guest“, soll heißen: der Hörer, ist gut beraten, sich einfach auf den nächsten Jägerstand zu hechten, um den Ausblick zu genießen. Wie der ehemalige Breakdancer hier dem Protestsong frönt, gleichzeitig aber Hinweise auf seine Vergangenheit einflechtet (wie in dem Schenkelklopfer „The Guest“) macht Spaß und lädt nicht nur zum Träumen, sondern auch mal zum Mitwippen ein. Wenn dann zwischendurch auch mal in Country-Gefilden gewildert wird, ist das ein gefundenes Fressen, für alle, die sich zur letzten Ben Kweller-Scheibe im Pferderondell nieder gelassen haben.

dj-hell-body-language-vol9DJ Hell betreibt zum Abschluss Körpersprache und setzt die Gelenke seiner Hörerschaft in Bewegung. „Body Language Vol. 9“ wird eingeläutet von charmanten Hüftwacklern der Marke Baby Ford und Christian Prommer. Hat man sich erst einmal eingegroovt, darf man hin und wieder auch zu poppigen Sounds der Marke Depeche Mode mit den Zehen wippen. Hell wagt sich dennoch nie zu weit raus, sondern begibt sich lieber auf musikalische Zeitreise in Richtung persönlicher Vorlieben. So entwirft der Musiker ein ausgeklügeltes und atmosphärisch Mixtape, das einem gekonnt vor Augen führt, wie man Kammermusik-Versionen von Kraftwerks „The Robots“ mit poppigen Arrangements verknüpft, ohne dabei den Club-Aspekt aus den Augen zu verlieren. Hells Beitrag zur „Body Language“-Reihe ist tanzbar und besticht durch eine stilvolle Auswahl an Tracks. Alles in allem ein höllisch gutes Mixtape. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.