// mufflon: mitbewohner

Mitbewohner. So was ist ja im Grunde eine durchaus feine Sache. Also die Grundidee hinter der weit verbreiteten Praxis, sich zusammen zu tun, Klo und Küche zu teilen und im besten Falle auch noch Interessen, ja die Grundidee, die stimmt schon. Und es ist ja auch wunderbar, wenn jemand daheim ist, sich hochinteressiert erkundigt, was […]

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Mitbewohner. So was ist ja im Grunde eine durchaus feine Sache. Also die Grundidee hinter der weit verbreiteten Praxis, sich zusammen zu tun, Klo und Küche zu teilen und im besten Falle auch noch Interessen, ja die Grundidee, die stimmt schon. Und es ist ja auch wunderbar, wenn jemand daheim ist, sich hochinteressiert erkundigt, was man denn Spannendes in der Uni gelernt habe, während er einem die Füße massiert und Kaffee und Kuchen serviert. Doch wo findet man so was? Ja, die Realität sieht leider meist anders aus und die meisten sind schon froh, wenn ihre Hausgenossen stubenrein sind. Es will wohlweislich selektiert werden. Also eine neue Runde der spannenden Freakshow namens Mitbewohnercasting. Und wie wir alle wissen, kann man alles, was man casten kann, auch im Fernsehen angucken. Da präsentieren sich dann das schwule Pärchen, die ungepflegte Esoterikerin, der dreadbehangene Surferboy, die HighHeels-tussi und der behaarte Tierliebhaber. Alle suchen die Superwohnung, auf keinen Fall Zweck- WG, kochen gerne, sind allgemein recht gesellig und natürlich Sitzpinkler. Mitbewohner gesucht und gefunden, hurra hurra. Doch was macht man, wenn man nicht gerade von Kameras verfolgt werden will, wenn man das eigene Chaos präsentiert? Alle antanzen lassen, Bier in die Hand drücken, gleich mal gucken, wer selbst welches mitbringt, mit allen ein wenig reden und sich am Ende völlig blau für den bestaussehendsten Kandidaten entscheiden. Oder doch lieber Einzelverhör à la „Hast du irgendwelche ansteckenden Krankheiten?“ „Isst du Tofu und wäschst du dich auch regelmäßig?“ „Kannst du dir selbständig den Arsch abwischen und, ach ja, wie heißt du überhaupt?“ Und dann heißt es Menschenkenntnis beweisen. Sonst gerät man an einen Peter. Peter. Da sitzt er. Also man weiß, dass er da ist, man spürt es, irgendwie beklemmend. Sehen kann man ihn nicht. Riechen auch nicht. Jedenfalls solange er seine Türe geschlossen hält. Verschanzt sich in seinem Zimmer und zockt im Namen des Herrn der Ringe mit anderen Orks und Elben online. Peter verschränkt die Arme vor der Brust und stampft wütend mit den Füßen, wenn die Dusche besetzt ist. Brüllt durch die ganze Wohnung: Ihr Wichser! Warum? Naja, niemand hat seinen Lachs in den Kühlschrank geräumt. Frechheit. Aber wirklich. Logische Konsequenz, Peter entfernt den Küchentisch aus der Küche, denn dieser ist sein Eigentum und wir sind hier offenbar im Kindergarten. Der kleine Peter ist Anfang 30 und studiert irgendwas. Peter hat eine 70-jährigen Mutter und eine Freundin Mitte 30, namens Fara, ein Ork in Reinform. Zu diesen pflegt er regen Kontakt. Soweit man das in seinem Fall so nennen kann. Soziale Inkompetenz im Quadrat. Vielleicht hatte Peter ja eine schwere Kindheit. Vielleicht findet er sich zu dick und sein Haar zu licht. Vielleicht ist er aber auch einfach nur ein Arschloch. Doch leider eins, das hier wohnt. Es ist und bleibt mir ein Rätsel, wie wir übersehen konnten, dass wir uns einen Peter ins Haus holen. Legt lieber sofort wieder auf, sollte Peter den Hörer abnehmen. Sonst wird es euch und uns übel ergehen, denn Peter wird aus seiner Zockposition im Multifunktionsschreibtischsessel und damit jäh aus Mittelerde gerissen. Steht schwerfällig auf, kratzt sich am Sack und tappt in den Gang. Brüllt einen beliebigen Namen, unsere kann er nämlich nicht so ganz auseinander halten, was bei zwei Mädels und einem Herren ja auch durchaus nachvollziehbar ist. Anschließend knallt er das Telefon auf den nichtmehrvorhandenen Küchentisch und grunzt Unverständliches, jedoch definitiv Unfreundliches. Man könnte nun noch diverse auffällig unhygienische Gewohnheiten in Küche und Bad, manch einem ist nicht ganz klar, wo man sich die Zehennägel schneidet und wo man Mettwurschtsemmeln lagert, anführen, sowie ausgiebig auf seine dezenten Laute beim Orksex mit Fara hinter eindeutig zu dünnen Wänden eingehen. Doch dafür reicht der Platz nicht. Einziger Lichtblick, bald ist es soweit, drei Monate sind rum, ein Hoch auf die Zwischenmiete, das Spiel beginnt von Neuem und nun heißt es: Brille aufsetzen, Bierflasche absetzen, Hirn einsetzen, Peter ersetzen!

// von helena hertlein