// zuckerbeat vol. (1)75 – hide & seek

Nach der gelungenen Rückbesinnung auf seine Zeit als Soundtrack-Künstler hat sich unser Liedermacher-Herzblatt Badly Drawn Boy dazu entschlossen, eine Album Trilogie vorzulegen. Der erste Teil des groß angelegten Projekts hört auf den Namen „It´s What I´m Thinking (Part One – Photographing Snowflakes)” und beginnt ziemlich öde, schickt sich aber nach dem verstrahlten “In Safe Hands” […]

badly-drawn-boy-its-what-im-thinking-part-1-photographing-snowflakes1Nach der gelungenen Rückbesinnung auf seine Zeit als Soundtrack-Künstler hat sich unser Liedermacher-Herzblatt Badly Drawn Boy dazu entschlossen, eine Album Trilogie vorzulegen. Der erste Teil des groß angelegten Projekts hört auf den Namen „It´s What I´m Thinking (Part One – Photographing Snowflakes)” und beginnt ziemlich öde, schickt sich aber nach dem verstrahlten “In Safe Hands” an, den blutleeren Auftakt schnell wieder vergessen zu machen. Alles in allem scheint dem Zeichner-Lehrling hier eine Art Pop-Oper vorzuschweben, die sich im ersten Akt mit fallenden Schneeflocken auseinandersetzt. Klingt abgedreht, mutet aber in diesen stillen Tagen sehr herzlich an. Spätestens, wenn ein Song, wie „The Order Of Things“ den Raum erfüllt, möchte man einfach nur unter der schützenden Bettedecke verschwinden. Man kann ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Schneeflocken beim Purzeln zuschauen. Alles klingt so unaufdringlich und unaufgeregt, dass sich fortwährend eine entspannte Stimmung im Raum ausbreitet. Alle Hörer, die das nach den ersten Durchgang einschläfernd finden (so wie ich), sollten der Scheibe ein paar weitere Runden gönnen. In dieses Album lohnt es sich einzutauchen. Ob es allerdings eine popmusikalische Großtat ist, müssen die beiden weiteren Teile erst noch unter Beweis stellen.

an-pierleAn Pierlé & White Velvet sind auf Theatralik gebürstet und räkeln sich auf den verruchten Off-Bühnen der örtlichen Straßencafes. Schon nach wenigen Sekunden folgt man ihnen ins „Hinterland“. Allein der Album-Opener „Little By Little“ ist seinen Eintritt wert, das Kuriositätenkabinett, das Pierlé und Koen Gisen hier aus dem Ärmel schütteln, hat nicht nur schicke Kostüme am Start, sondern liefert auch warmherzige Songs. Die pappigen Chöre könnten bisweilen zwar klischeehaft anmuten, tun sie aber nicht. Sie sind allein dazu da, den großen Popmoment noch ein bisschen heller scheinen zu lassen. Wer auf prächtig arrangierte Popmusik mit lieblicher Stimme der Marke Hello Saferide steht, sollte sich diesen französisch-englisch Geheimtipp auf keinen Fall entgehen lassen.

last-days-of-aprilAuf das aktuelle Album von den hierzulande sträflich unterschätzten Indie-Legenden Last Days Of April hat so mancher Hardcore-Fan eine halbe Ewigkeit warten müssen. Nun also steht „Gooey“ im Regal und man möchte sofort in dieses Meer aus Melodien eintauchen. Schon der Opener „No Time For Dreams“ klingt als hätten sich die Lemonheads mit Belle & Sebastian im Studio verabredet und eine Herzschmerz-Ballade für die Ewigkeit gezimmert. Schön zu sehen, dass zwischenzeitlich auch Lemonheads-Frontmann Evan Dando und Tegan Quin aus dem Hause Tegan & Sara ihren Senf dazu geben. Das sorgt nämlich für eine ganze Menge Abwechslung und macht „Gooey“ zu einer der herzallerliebsten Indie-Veröffentlichungen des Herbstes. Wer auf schöne Melodien der Marke Dinosaur Jr. steht, sollte sich dieses klassische Indie-Werk auf keinen Fall entgehen lassen.

frankie-rose-and-the-outs-frankie-rose-and-the-outsFrankie Rose And The Outs starten derweil einen harmonischen Singsang der Marke Best Coast und schmieren uns im Opener ihres aktuellen Albums reichlich Honig ums Maul. Ziemlich raffiniert haben sie unter den einzelnen Soundschichten süßliche Melodien versteckt, was vor allem beim klebrigen „Candy“ ganz vorzüglich funktioniert. Diese 11-teilige Zuckerwatte-Schleuder ist ein gefundenes Fressen für alle Fans von Velvet Underground bis zu den Vivian Girls. Es klingt ein bisschen so, als würden Jesus & Mary Jane mit einer Girlgroup aus den 60s auf der Bühne stehen. Wer sich die Zeit nimmt, wird viel Freude mit der Scheibe haben.

laokoongruppeDie Laokoongruppe versucht sich derweil an ambitionierten Soundentwürfen, die alle Fans von Kante mit der Zunge schnalzen lassen. Deutschsprachige Popmusik mit Anspruch gibt’s zwar heutzutage zuhauf, aber in solch vollendeter Form schmuggelt sie sich nur ganz selten in den heimischen Cd-Spieler. Man muss natürlich einen gewissen Hang zur Theatralik mitbringen, um sich an dieser „Staatsoper“ zu ergötzen, wer aber die Musik schon immer als „Theater mit anderen Mitteln“ angesehen hat, sollte sich dieses pompöse Werk auf keinen Fall entgehen lassen.

dinnerDinner At The Thompson´s, ein französisch-amerikanisches Duo, haben sich auf ihrem aktuellen Album daran versucht, den Soul der 70er neues Leben einzuhauchen und klingen im Direktvergleich überraschend authentisch. Der Einfluss von Dilla und DJ Shadow ist auf „Off The Grid“ jederzeit spürbar, so dass man sich schon nach wenigen Minuten in die nächste Hängematte schmeißen möchte, um zu Tracks, wie dem wundervollen „How Can I“ mit den Zehenspitzen im Takt zu wippen.

lucas-renney-strange-glory-485520Lucas Renney aus dem Nordosten Englands hat sich daran gemacht einen literarischen Aspekt in die Musik zu überführen und tritt damit in die Fußstapfen von so renommierten Künstlern wie Elvis Costello und Nick Drake. Während er musikalisch eher bei Letzterem anzusiedeln ist, kann er gegen die ganz Großen im Geschäft natürlich noch nicht anstinken, trotz allem hat „Strange Glory“ zahlreiche herzergreifende Momente auf Lager, was der NME gleich mal mit dem üblichen Hype-Gedönse unterstützte. Unabhängig davon allerdings gelingt Renney das Kunststück emotionale Songs mit romantischer Note zu verzieren, ohne dabei Gefahr zu laufen, ins Klischeehafte abzudriften. Ein – vor allem textlich – bemerkenswertes Liedermacher Werk.

convertibleConvertible scheinen derweil die Elektrowelt auf psychedelischen Modus schalten zu wollen. Das aktuelle Album des Lagerfeuergitarren-Elektro-Kollektivs, mutet an, als wolle Hans Platzgummer seinen ganz persönlichen Drogenrausch auf Platte überführen. Sexy klingt das nicht, aber herzlich verstrahlt. Die tiefe Gesangsstimme tut ihr übriges, um den entrückten Eindruck zu verstärken. Wer meint, er hätte in Sachen Liedermacher-Pop mit Elektro-Einschlag schon alles gehört, sollte sich unbedingt dieses Werk hier zu Gemüte führen. Es könnte ihn vom Lagerfeuer aus mitsamt dem Funkenmeer in noch unerforschte Gebiete entführen. Also lasst euch mal wieder treiben. Bis zum nächsten Zuckerbeat.