// zuckerbeat vol. (1)84 – cold calls

Wer bei elektronischer Musik gerne ein bisschen über den Tellerrand hinaus blickt, der könnte mit dem neuen Album von Isolée glücklich werden. „Well Spent Youth“ versammelt zahlreiche gutgelaunte Elektro-Tracks, die mit so vielen Details verziert wurden, dass man sich das Ganze am besten per Headphones zu Gemüte führt. Zahlreiche Dissonanzen und aufflackernde Basslines sorgen für […]

isolee-e28093-well-spent-youthWer bei elektronischer Musik gerne ein bisschen über den Tellerrand hinaus blickt, der könnte mit dem neuen Album von Isolée glücklich werden. „Well Spent Youth“ versammelt zahlreiche gutgelaunte Elektro-Tracks, die mit so vielen Details verziert wurden, dass man sich das Ganze am besten per Headphones zu Gemüte führt. Zahlreiche Dissonanzen und aufflackernde Basslines sorgen für Spannung und machen deutlich, dass DJ Koze, auf dessen Label die Scheibe erscheint, sich ganz schön anstrengen muss, diese Scheibe hier in Sachen gewitzter Klangspielereien noch mal zu übertrumpfen.

rocko-schamoniUnser werter „Dorfpunk“ Rocko Schamoni macht sich derweil daran, in seinem neuen Roman eine Verweigerungshaltung für Über-35-jährige zu generieren, die sich äußerst charmant durchschmökern lässt. Ist ja auch ein Graus, was da alles plötzlich für Verpflichtungen auf einen einströmen, wenn man erstmal den Pfad der Jugend erfolgreich durchschritten hat. Es war ja schon immer so, dass Zufriedenheit in unserer Gesellschaft mit einer gehörigen Portion Skepsis betrachtet wird und so liegt das Hauptproblem des Protagonisten dieses Schmökers auch nicht unbedingt darin, dass er nichts mit sich anzufangen wüsste, es ist vielmehr die Gesellschaft, die sich wundert, wie ein solch genügsamer Nichtsnutz so unbekümmert sein Leben zu meistern vermag. Dem bleibt wenigstens noch Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens: Sich verlieben zum Beispiel (in eine Handyverkäuferin) oder Romane schreiben, die dann eh keiner veröffentlicht. Kurz gesagt: wer mal wieder dem tristen Alltag eine Kampfansage in Sachen Verweigerungshaltung entgegen schleudern möchte, sollte sich „Tag der geschlossenen Tür“ als Einpeitscher holen.

valerie_eine_woche_voller_wunder_special_edition_bild_1Wer derweil auf schräge Filmkunst steht, sollte sich mal an dem (nicht immer) „art“-igen Streifen „Valerie – Eine Woche voller Wunder“ versuchen. Es ist ja inzwischen Gang und Gäbe, dass sich zeitgenössische Musiker daran machen, einen Kinofilm mit Livemusik passend in Szene zu setzen. Valerie, ein Film, der vor sexuellen Obsessionen und Vampiren nur so strotzt, ist ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die sich zuletzt am surrealen Video von El Guincho erfreuten. Die junge Valerie erwacht eines Nachts völlig verwirrt und ist ganz erschüttert, weil ein fieser Räuber ihr die Ohrringe stibitzt hat. Während sie ihn verfolgt, fängt die Fassade ihrer Welt an zu bröckeln. Alles scheint auf einmal ein Stück weit anders zu sein. Der Film strotzt derweil nur so vor Referenzen an Alice im Wunderland, außerdem haben die hierzulande völlig unterschätzten Broadcast die Vorarbeit dafür geleistet, dass der Streifen nun von einer Musiker-Crew genannt „The Valerie Project“ nochmals völlig neu vertont wurde. Dass der Film bereits Ende der 60er entstanden ist, gibt dem Ganzen noch mal einen zusätzlichen Reiz, weil man sich selbst als Film-Laie immer wieder dabei ertappt, dass man diese oder jene Stelle schon mal so oder so ähnlich in einem aktuellen Film miterleben durfte. „Valerie“ ist ein grenzenloses Manifest eines mutigen Filmemachers, der sich nicht davor scheut, seinen Visionen Ausdruck zu verleihen.

freilaufendWer mal wieder herzhaft lachen möchte, der sollte sich den Zitatenschatz „Nee, wir haben nur freilaufende Eier! – Deutschland im O-Ton Folge 2“ zu Gemüte führen. Der schicke Schmöker aus dem Hause Heyne besticht mit einem hübschen Sammelsurium an Versprechern und Anekdoten von Würzburg bis Mettmann. Ob beim Arzt, in der Schule oder am Hauptbahnhof. Überall haben Felix Anschütz, Nico Degenkolb, Kirschan Dietmaier und Thomas Neumann ihre Lauscher aufgesperrt und die witzigsten Dialoge für euch in Schriftform überführt. Beispiel gefällig? Bitte sehr… wagen wir doch mal einen Blick ins Eiscafe: „Ich hätte gern ein kleines gemischtes Eis: Nur Vanille“. Oder ins örtliche Brillengeschäft: „Heute Nachmittag wär´s besser. Dann bin ich zu zweit.“ Wer auf „Unnützes Wissen“ aus dem Hause Neon steht, sollte mal einen Blick in dieses Buch riskieren. Ein Schmunzeln ist garantiert.

funky-frauleinsWer sich vierzig Jahre in die Vergangenheit beamen möchte, der sollte sich mal die Female-Beat-Compilation „Funky Fräuleins 2 – Female beat, groove, funk from Germany 1968-1981“ zu Gemüte führen. Hat man sich erstmal durch den schmuddeligen Auftakt aus dem Hause Uschi Moser („Sunny Honey“) gekämpft, wird man beschenkt mit dem zauberhaften „He, wir fahr´n mit dem Zug“ von Veronika Fischer, welches sich Tarantino sicher sofort für einen Film-Soundtrack gesichert hätte, hätte er Jackie Brown damals in hiesigen Gefilden abgedreht. Der Rest der Scheibe sorgt dann für reichlich Hüftschwung-Atmosphäre mit Softporno-Breitseite. Wer auf Disco- und Funk-Sounds aus Deutschland steht, sollte sich die Scheibe auf keinen Fall entgehen lassen, gerade auch deshalb weil Hildegard Knef es mit dem bezaubernden Jazz-Popper „Gern bereit“ auch auf den Silberling geschafft hat. Alles in allem: Eine schwungvolle Geschichte.

codes-cloudsDas Londoner Label „Erased Tapes“ macht derweil mit einer atmosphärischen Winterplatte auf sich aufmerksam. „As The Spirit Wanes“ aus dem Hause Codes In The Clouds klingt genauso, wie man es sich von der letzten Mogwai-Scheibe erhofft hatte. Das Werk ist ein Wirbelwind, der einen entführt ins Auge des Sturms und der einen mit seinen sphärischen Gitarrenklängen in Zwischenwelten entführt. Wer sich schon immer gefragt hat, wie es wohl klingen würde, wenn sich die Beach Boys plötzlich dazu entschlossen hätten, Instrumental-Pop zu spielen, nur um sich anschließend mit den Kings Of Leon zu vermählen, der sollte sich diesen illustren Geheimtipp auf keinen Fall entgehen lassen. Am Ende sei hier außerdem noch lobend erwähnt, dass der gesamte Erlös ihres erst kürzlich veröffentlichten Remix-Albums „Paper Canyon Recycled“ der Umwelt-Organisation „Friends Of The Earth“ zu Gute kommt. 

toy-story-3Womit wir uns auch schon wieder dem Mainstream-Kino zuwenden. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass man bei „Toy Story 3“ in Sachen Qualität Abstriche mache müsste. Ich neige dazu, den Streifen sogar zu den drei besten Aus dem Hause Pixar zu zählen. Hatten mich die Vorgänger noch ziemlich kalt gelassen, entfaltet der dritte Teil der Spielfiguren-Saga einen ganz besonderen Charme. Der Streifen ist auch für Erwachsenen geeignet, weil hier im Grunde genommen das Thema „Verlust“ und das „Ende der Jugend“ mit Bravour durchdekliniert wird. Am Ende stellt sich vor allem eine Frage: Wo gehöre ich hin?. Dazu wurde ein hoch spannender Plot eingebaut, der die Spielzeug-Crew in einen Kindergarten führt, der mit eiserner Hand von einem bösartigen Plüschbären namens Lotzo geleitet wird. Wie sie es schaffen, da wieder raus zu kommen, hat Thriller-Qualitäten. Und so ist „Toy Story 3“ in meinen Augen auch der beste Animationsfilm des vergangenen Jahres gewesen. Wer sich die Geschichte noch nicht angeschaut hat, sollte das unbedingt nachholen.

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Erik & Me sorgen zum Abschluss dann dafür, dass mal wieder ordentlich Dampf aus den Boxentürmen strömt. In bester Queens Of The Stone Age-Manier wird da losgelegt, bis sich plötzlich ein paar Synthesizer zwischen das Gerocke schleichen. Dass das Ganze auch auf Deutsch funktioniert, liegt vor allem an Erik Lautenschläger, der mit seiner stimmlichen Performance schöne Erinnerungen an das letzte Album der Gruppe Sport wachruft. Womit wir uns auch schon wieder zurücklehnen zum Jahresauftakt. Wir lesen uns. Bis zum nächsten Zuckerbeat.