// zuckerbeat vol. (2)20 – der letzte glanz

Wenn du auch zu den Menschen gehörst, die sich von deutschen HipHop aufgrund des ganzen effekthascherischen Getues und Gesülzes vor einigen Jahren abgewandt haben: jetzt ist es an der Zeit zurückzukehren. Summsemann, Casper, der nimmermüde Dendemann, Doppel D und wie sie alle heißen sorgen bereits seit Jahren dafür, dass deutscher HipHop plötzlich wieder an Relevanz […]

sonkas1Wenn du auch zu den Menschen gehörst, die sich von deutschen HipHop aufgrund des ganzen effekthascherischen Getues und Gesülzes vor einigen Jahren abgewandt haben: jetzt ist es an der Zeit zurückzukehren. Summsemann, Casper, der nimmermüde Dendemann, Doppel D und wie sie alle heißen sorgen bereits seit Jahren dafür, dass deutscher HipHop plötzlich wieder an Relevanz gewinnt. Für all jene, die in diesem Zusammenhang eher den düsteren Momenten der Marke Doppelkopf zugeneigt sind, möchten wir in diesem Zusammenhang auf die beiden letzten Alben der Band Son Kas hinweisen. Die Scheibe ist kurz gesagt: ein ambitionierter Gegenentwurf zu all den Egomanen im Geschäft. In sich gekehrte Verse der Marke „ich bin der Duft der verlorenen Zeit, die ich niemals hatte“ geben die Richtung vor. sonkas2Die beiden Alben „Wasserleichentreiben“ und „Das Jahr der Wasserleiche“, welche derzeit auf der Bandhomepage in diversen, zauberhaften Verpackungen angeboten werden, gehören zum tiefsinnigsten und besten, was man in Sachen Rapmusik in den letzten Jahren gehört hat. Hier stimmt einfach alles: mit den Sounds dürften sogar Fans von Mogwai ihren Frieden schließen. Alles schreit, krächzt, ächzt nach Emotionen. Und man verliert sich zunehmend in diesen Sounds aus Hoffnung, Wut und Verzweiflung. Genau so sollte ein „Post Rap“-Album klingen. Wer nach etwas Nachhaltigem sucht, der sollte unbedingt mal reinhören. „Son Kas“ kann man nicht beschreiben. Den muss man fühlen.

shirley-leeShirley Lee (der ehemalige Frontmann von Spearmint) ist derweil nicht der Erste, der sich daran macht, den Vier Jahreszeiten ein musikalisches Denkmal zu setzen. „Winter Autumn Summer Spring“ fesselt einen aber im Gegensatz zu vielen anderen Konzeptalben über die volle Distanz. Auf zwei Silberlingen verteilt bekommt man zauberhaften Indie-Pop mit viel Atmosphäre präsentiert. Während einen Herbst und Winter mit zärtlichen Klängen und dem Rauschen des Meeres umschmeicheln, darf auf der zweiten Disc dann auch mal über Blumenwiesen getrampelt werden. Shirley Lee scheint bei den Aufnahmen von einem wahren Kreativitätsschub übermannt worden zu sein. 30 Songs auf diesem Niveau zu präsentieren, daran sind schon diverse Szenegrößen gescheitert. Alles in allem: ein bezauberndes Werk epischen Ausmaßes.

toxic-avengerThe Toxic Avenger klingen derweil, als wollen sie dem Sound von Daft Punk eine Frischzellen-Kur verpassen. Das Album „Angst“ dürfte mit seinen hoch gestapelten Elektro-Eskapaden auch in der Indietronics-Szene für Aufsehen sorgen, die zahlreichen Gaststars von Annie bis SomethingALaMode machen ganz schön Radau, so dass über 16 Tracks keinerlei Langeweile aufkommt. Der französische Soundtüftler Simon Delacroix hat also mal wieder alles richtig gemacht. So ein vielseitiges Elektro-Werk wie „Angst“ bekommt man nicht alle Tage vor den Latz geknallt. Wer auf synthetische Popmusik steht, sollte unbedingt mal reinhören.

blanck-massBlanck Mass führt uns auf seinem Debütalbum vor, wie man mit musikalischen Mitteln eine nahezu klaustrophobische Atmosphäre kreiert. Die ganze Scheibe strotzt nur so vor atmosphärisch-schrägen Momenten, die mal orchestral arrangiert, mal synthetisch aufgehübscht daherkommen. Das gleichnamige Werk ist ein gefundenes Fressen für Fans von Ennio Morricone bis Tangerine Dream. Am besten man stülpt sich zwei Kopfhörer über und lässt sich von diesem Sammelsurium an Sounds auf Blade Runner-Modus schubsen. Genau so muss sich das Ende der Welt anfühlen. Ein bemerkenswertes, äußerst eindringliches Werk. Und noch dazu bestens geeignet um die Nachbarn mit einem fiesen Grinsen im Gesicht beim Mittagsschlaf zu stören.

brooke-fraserBrooke Fraser nennt sich derweil die heißeste Pop-Versuchung aus Neuseeland. Schade eigentlich, dass ihr neues Album „Flags“ so glatt gebügelt daher kommt, ein paar hübsche Mitsingrefrains sind nämlich schon drauf. Lediglich die Celine Dion-mäßigen Pianoeskapaden der Marke „Orphans, Kingdom“ und das mit Unterstützung von Aqualung eingesäuselte „Who Are We Fooling?“ wollen nicht so recht ins Gesamtbild passen. Es sind diese Schmachtfetzen, die den positiven Gesamteindruck der Scheibe nach einem gelungenen Auftakt etwas eintrüben. Wer auf große Popmomente steht, sollte trotzdem mal reinhören. Einen solch widerborstigen Song wie „Jack Kerouac“ hat Alanis Morissette jedenfalls schon seit Jahren nicht mehr hinbekommen.

motor-city-drum-ensemble-dj-kicks-k7Eine neue, äußerst bemerkenswerte Scheibe aus der Reihe „DJ Kicks“ steht ebenfalls mal wieder in den Regalen. Das Mixtape von Motor City Drum Ensemble schickt sich an, Klassisches von Sun Ra mit Zeitgenössischem a la Aphex Twin zu kontern. Dazwischen wird den Emotionen freien Lauf gelassen. Wen schert da schon der eine oder andere holprige Übergang, wenn zwischenzeitlich Tony Allen und Robert Hood um die Ecke biegen. Ein alles in allem zeitloses Werk, dass man sich am Besten in der Hängematte zu Gemüte führt.

the-innocentThe Innocence Mission aus Lancaster umschmeicheln uns derweil mit Streichern, was dazu führt, dass man auf der Stelle in ferne Welten abdriftet, wenn der Sound ihrer neuen Platte den Raum mit wohlwollenden Harmonien erfüllt. Wenn dann auch noch in die Tasten eines Klaviers gegriffen wird, fühlt man sich endgültig auf Wolke 7 transformiert. „My Room In The Trees“ ist ein Hort der Ruhe, ein musikalischer Mittelfinger zum schnelllebigen Treiben da draußen, der eigentlich nur eins möchte: Ruhe, Frieden und ein bisschen Zeit zum Träumen. Deshalb tut der Scheibe einen Gefallen und lehnt euch einfach mal wieder eine Runde im Sessel zurück. Bis zum nächsten Zuckerbeat.