// zuckerbeat volume 15

Manchmal klatscht dich eine Platte einfach an die Wand. Der Erstling der Futureheads war so ein Teil. Da liefen zeitweise vier Franz Ferdinandsche Gedächtnismomente ineinander und verschmolzen zu einem unübersichtlichem Etwas, das mit jedem Durchlauf immer lauter: „ich bin ein verfickter Hit“ schrie. Dann allerdings beschloss die Band auf dem Zweitling das Tempo erheblich zu […]

zuckerbeat 15Manchmal klatscht dich eine Platte einfach an die Wand. Der Erstling der Futureheads war so ein Teil. Da liefen zeitweise vier Franz Ferdinandsche Gedächtnismomente ineinander und verschmolzen zu einem unübersichtlichem Etwas, das mit jedem Durchlauf immer lauter: „ich bin ein verfickter Hit“ schrie. Dann allerdings beschloss die Band auf dem Zweitling das Tempo erheblich zu drosseln. Die Songs wurden entschlackt. Und plötzlich wirkte alles, was vorher irgendwie geil war, seltsam ideenlos. Hilflos. Kurz gesagt: The Futureheads schienen es sich gemütlich zu machen. Nur war Gemütlichkeit bestimmt nicht das, was man von dieser Band wollte. Man wollte einfach nur, dass sie weiter vor sich hin hyperventiliert. Umso schöner zu sehen, dass sie jetzt doch noch die Kurve kriegen. „This Is Not The World“ (7) ist eine einzige Hymne. Hier reiht sich eine catchy Hitnummer an die andere. Und auch das Feuer ist wieder da. Dieses „da geht noch mehr“. Dieses um die Ecke Denken. Diese Unberechenbarkeit. Nicht immer zwar. Aber doch immer öfter. Und man umarmt diese Band wieder. Nicht mehr so, wie früher, als man ihr hemmungslos um den Hals fiel. Eher, wie einen guten Freund, den man lange nicht gesehen hat. Und dann klopft er einem auf die Schulter und erzählt, dass alles wieder gut wird. Und man glaubt ihm die verdammte Scheiße. Man glaubt ihm jedes Wort. Schade nur, dass es nicht ewig so weitergeht. Irgendwann wird nämlich der Platz im Cd-Spieler von Disco Ensemble eingenommen. Und die tun sich mit ihrem aktuellen Album „Magic Recoveries“ (5) nicht unbedingt einen Gefallen. Eine grandiose Produktion macht eben noch lange keine grandiosen Songs. Das ist umso ärgerlicher, weil der Vorgänger nur so vor Hits strotzte. Hier wiederum muss man sich Vieles erst erarbeiten. Und auch, wenn man dabei immer wieder auf imposante Momente, wie den hübschen Akustikbreak im Titelsong hereinfällt. Bei der Stange hält einen die Scheibe auf Dauer nicht. Dazu wirkt ab der Hälfte einfach zu Vieles austauschbar. Dennoch muss ich zugeben: Laut aufgedreht kann man zu der Mucke ordentlich abgehen. Und eben deshalb sollte der Liveeindruck dann auch alle berechtigten Zweifel zur Seite wischen. Das lässt die Platte am Ende dann zwar auch nicht ambitionierter wirken. Aber das war die letzte Billy Talent ja auch nicht. Und durchgedreht sind trotzdem alle. Hinterher ist dann mal Zeit für den beschwingten Sommerpop von The Alpine. Die scheinen bei den Aufnahmen zu „There´s Only So Much You Can Do“ (5) ziemlich genau bei den Beach Boys reingehört zu haben. Die aufdringliche Produktion sorgt dabei allerdings für Kopfschütteln. Muss das denn sein? So viel Zuckerwatte auf einmal. Und musste der klägliche Versuch sich einige Melodien bei Weezer zu klauen nicht zwangsläufig auffliegen? Natürlich musste er das. Und deswegen hat man die Songs auf längere Sicht auch nur halb so gern, wie zu Beginn, als die polierte Oberfläche noch nicht so zerkratzt wirkte. Ganz anders die neue Monochrome. Die klingt wesentlich aufgeräumter als der unglaubliche Vorgänger. Das poppige Gewand steht ihr aber außerordentlich gut. Und überhaupt. Dieser männlich/weibliche Wechselgesang. Dieser deutsch/englische Wechselgesang. Diese Schlangenlinien-Musik auf „Cache“ (7). Man möchte sich einfach von ihr treiben lassen. In Traumwelten abdriften und von Wolke zu Wolke hüpfen. Ein wahres Indie-Pop-Erlebnis ist das, was die Band aus Stuttgart und Basel hier abliefert. Also Augen zu und durch. Durch einige der schönsten Melodien des Frühlings von einer der besten Livebands der Gegenwart. Womit wir dann mal wieder in chartigere Gebiete vordringen. El*ke werden da ja gerne mal schlechter gemacht, als sie sind. Dachte ich zumindest bis jetzt. Der Auftakt ihres neuen Albums „Häuser stürzen ein“ (2) ist allerdings kaum zu unterscheiden von den üblichen Chartverdächtigen der Marke Revolverheld. Und die Single „Autobahn“. Wie geschaffen für die Mainstreamfraktion. Die Gefahr, dass hier Häuser einstürzen, hält sich durchweg in Grenzen. Und diese Texte. Da soll wohl irgendwo ein Augenzwinkern versteckt sein. Ich kanns nicht finden. Getreu dem Motto: Was sich reimt ist gut, wird fröhlich drauf losgetextet. Mal klingt das dann nach den Ärzten, den Hosen, Madsen und als krönender Abschluss wird dann auch noch die Scooter-Peitsche rausgeholt. „70 Grad und die Bude brennt, dein Körper ist mit Schweiss getränkt. Die Luft ist beschissen hier…“ Und den Rest erspar ich euch jetzt mal. Dann schon lieber die alten Scheiben von Surrogat aus der Kiste kramen. Und mal wieder so richtig in „Aggression“ (7) verfallen. Der Grund heißt Verse. Das ist eine Harcorecombo mit Affinität zu epischen Soundentwürfen. Und verdammt noch mal. Alle Fans von At The Drive-In und Refused dürften auf der Stelle im Dreieck springen. Das Teil knallt, wie Hölle. Die Scheibe wirkt fast so, als hätten Boysetsfire nach „After The Eulogy“ nicht die Handbremse gezogen. Ein brachialer Geheimtipp für die Mosh-Pit-Fraktion, der den Hörer mit spannungsreichen Tempi-Wechseln bis zum Schluss bei der Stange hält. Ein krönender Abschluss also für diesen Zuckerbeat. Und ich sag tschüß bis zum nächsten Mal.

// von Alexander Nickel-Hopfengart