// aufgelesen vol. 36 – „nun ist also ostern…“

mit neuen Büchern von Christiane Rösinger, Monte A Melnick & Frank Meyer, Naomi Alderman & Raymond Carver. // Christiane Rösinger dürften manche vielleicht noch aus ihrer Zeit als Sängerin der Bands „Lassie Singers“ oder „Britta“ kennen. Sie hat in den 90ern die „Flittchenbar“ am Berliner Ostbahnhof mitbetrieben und veröffentlichte vor zwei Jahren ein von der […]

mit neuen Büchern von Christiane Rösinger, Monte A Melnick & Frank Meyer, Naomi Alderman & Raymond Carver.

92946_Roesinger_Liebe_RME_fin_NEU// Christiane Rösinger dürften manche vielleicht noch aus ihrer Zeit als Sängerin der Bands „Lassie Singers“ oder „Britta“ kennen. Sie hat in den 90ern die „Flittchenbar“ am Berliner Ostbahnhof mitbetrieben und veröffentlichte vor zwei Jahren ein von der Presse gefeiertes Soloalbum namens „Songs Of L. And Hate“. Der Albumtitel gibt in diesem Zusammenhang in gewisser Weise auch die Richtung für ihr neues Buch vor.

Das nennt sich „Liebe wird oft überbewertet“ und setzt sich auf differenzierte Weise mit dem Leben als Single auseinander. Für Rösinger beginnt das Problem immer dann, wenn zwei Personen plötzlich beginnen nur noch als Paar zu existieren. Das würde die Menschen zu „Idioten“ machen, folgert sie und versucht das anhand von zahlreichen Kapiteln auch nachzuweisen. Sie spricht von einer „Pärchendiktatur“, die den hartnäckigen Single an Festtagen wie Weihnachten und Sylvester oder beim Besuch eines Filmtheaters in tiefes Unbehagen stürzt. Ein komplettes Jahr lang setzt sie sich in ihrem Werk mit „Paarideologien“, „Pärchenlügen“ und „Psychologischen Liebestheorien“ auseinander und bringt einen damit nicht nur ins Grübeln, sondern auch zum Lachen. Man muss sich nur mal kurz in die Situation hinein versetzen, in der man zuletzt ohne Partner durch ein großes Möbelhaus geschlendert ist… Geht das überhaupt?! Wer sich Fragen dieser Art stellt, sollte unbedingt mal in dieses Buch reinschauen. Es lohnt sich.

pearl-jam// Und nach mehr als zwanzig Jahren war es wirklich an der Zeit, dass mal ein großformatiger Almanach zur Bandgeschichte von Pearl Jam in die Läden kommt. „Twenty“ erzählt die Geschichte der Grunge-Legenden von dem Moment an, als sich die Jungs im Herbst 1990 zum ersten Mal im Proberaum verabredet haben. In diesem Zusammenhang punktet das Buch mit zahlreichen Anekdoten aus früheren Jahren – aus jener Zeit als, in der sich Pearl Jam dazu entschlossen, nach den ersten Charterfolgen keine Interviews mehr zu geben und Videos zu veröffentlichen. Bei der Band sollte es einzig und allein um die Musik gehen, was ihnen nicht nur den Respekt zahlreicher renommierter Kollegen, sondern auch eine treue Fangemeinde beschert. Mit vielen humorvollen Passagen und zahlreichem Bildmaterial bekommt man auf über 380 Seiten einen intensiven Einblick in das Innenleben einer Formation, die sich mit Songs wie „Jeremy“ oder „Alive“ einen Stammplatz im Herzen vieler Teenager-Seelen reservierte. Als Fan kommt man an diesem Album sowieso nicht vorbei. Aber auch Nichteingeweihte könnten durch „Twenty“ auf den Geschmack in Sachen „PJ“ kommen. Durch die immense Masse an Archiv-Material fühlt man sich als Leser beinahe, als wäre man selbst dabei gewesen. Man merkt den Protagonisten immer wieder an, dass sie gar nicht so recht fassen können, was um sie herum geschieht. Was die Band am Ende natürlich nur umso sympathischer und natürlicher rüber kommen lässt. Zu Beginn des Buches findet sich ein gelungenes Vorwort von Cameron Crowe, welcher eifrig in seiner Raritäten-Kiste kramt und elegant auf das Sammelsurium an interessanten Geschichten hinleitet. Abschnitte über die Grunge-Supercrew „Temple Of The Dog“ und Eddie Vedders Soloalbum (und Megaerfolg) zu „Into The Wild“ dürfen natürlich auch nicht fehlen und sind ein gefundenes Fressen für jeden, der mal ein bisschen über den Tellerrand hinausblicken möchte. Soll heißen: Besser kann man eine Biografie zu einer Rockband eigentlich kaum in Szene setzen. „Twenty“ ist ein liebevolles Werk über eine noch liebenswertere Band.

ramones// Die Ramones haben im Laufe ihrer Karriere 2263 Konzerte gespielt. Eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, dass die Band von den einschlägigen Musiksendern nahezu vollkommen ignoriert wurde. Trotzdem mauserte sich das Kollektiv zum Punk-Phänomen, dem nun mit einem liebenswerten „Tour-Album“ Tribut gezollt wird. Der schicke Almanach aus dem „Hannibal“-Verlag nennt sich „Auf Tour mit den Ramones“ und wurde von Monte A Melnick in Szene gesetzt. Der ehemalige Tour-Manager der Jungs hat sich zusammen mit Frank Meyer hingesetzt und jedes noch so kleine Schnipsel über den Tour-Alltag der Jungs aus der Kiste gekramt. Heraus kommt ein informatives Werk, dass nur so strotzt vor Zitaten von Zeitzeugen und Bandmitgliedern. Auf diese Weise entsteht ein äußerst differenziertes Bild der Ereignisse. Außerdem ist es schön zu sehen, dass das ganze Unterfangen ohne nervige Chronologie auskommt. Stattdessen gibt’s einzelne Kapitel zu unterschiedlichen Themenkomplexen. Es wird das Verhältnis der einzelnen Bandmitgliedern zueinander beschrieben, außerdem finden sich Kapitel zu den Themen Mädchen, Liebe, Presse und zur allerletzten Show der Jungs. Die zahlreichen Illustrationen und Fotos machen das Werk zu einem absoluten Must-Have für Ramones-Fans. „Auf Tour mit den Ramones“ ist zudem der ideale Teaser für alle, die die Band bisher noch nicht für sich entdecken durften. Bei der Gelegenheit lohnt sich übrigens auch ein Besuch im Berliner „Ramones Mueseum“, welches zahlreiche Fundstücke, Raritäten und sonstigen Mischmasch von den Ramones im intimen Rahmen ausstellt.

alderman// Die Oxford-Absolventin Naomi Alderman wurde bereits für ihren ersten Roman „Ungehorsam“ mit dem „Orange Award For New Writers“ ausgezeichnet. Nun legt sie ihr zweites Werk vor und das ist ein gefundenes Fressen für alle „Eiskalte Engel“-Fans. „Die Lektionen“ dreht sich um vier junge Menschen aus reichem Hause. Emanuela, Simon, Fanny und Jess entschließen sich während ihres Studiums in Oxford in einer WG zusammenzuziehen und lassen es zunehmend krachen. Die Partys werden immer wilder, aber auch die Abhängigkeit voneinander immer größer. Das Besondere an diesem Werk ist allerdings die Tiefenschärfe, mit welcher die Autorin die Protagonisten ausstattet. Wenn Naomi Alderman über das Leben einer Musterschülerin, eines Homosexuellen, eines Außenseiters und einer schüchternen Person schreibt, wirkt das äußerst glaubwürdig. Nachdem James mit Jess zusammenfindet, führt Selbige ihn an heran. James verfällt zunehmend dessen Charisma und seinen Freunden, bestehend aus der süßen Emmanuella und der hochbegabten Franny. Überhaupt ist es die Figur des James, die im Rahmen des Buches die intensivsten Veränderungen durchlebt. Und als der große Rausch dann vorbei ist und die Tage in Oxford gezählt sind, muss er sich die Frage stellen: wer bin ich eigentlich? Man sollte in diesem Zusammenhang unbedingt ohne Vorbehalte an „Die Lektionen“ herangehen. Dann bekommt man, obwohl viele Elemente aus Filmen oder Büchern bereits bekannt sind, eine wirklich spannende Geschichte präsentiert. Und mehr kann man von einem „Coming Of Age“-Roman am Ende auch wirklich nicht erwarten, oder?!

carver// Die Geschichtensammlung „Beginners“ von Raymond Carver liegt nun auch endlich in ihrer ursprünglichen Variante auf dem Tisch. Im Rahmen des Buches finden sich 17 Kurzgeschichten, die bereits 1981 unter dem Titel „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“ erschienen sind. Nun wurde das Werk nochmal neu veröffentlicht, basierend auf den Aufzeichnungen des Original-Manuskripts. Der Einfluss des damaligen Lektors Gordon Lish wird in diesem Zusammenhang besonders deutlich. Denn „Beginners“ ist ein überaus karges, beinahe skelettiertes Werk und hat nur noch wenig mit der 81er Ausgabe gemein. Die Geschichte dreht sich um vier Freunde namens Mel, Teresa, Laura und Nick, welche ihre unterschiedlichen Sichtweisen in Sachen Liebe zum Besten geben. In diesem Zusammenhang ist „Beginners“ ein gelungenes Allerlei aus Standpunkten und Blickwinkeln, die man in diesem Zusammenhang auf die gute, alte Liebe einzunehmen im Stande ist. Gerade seine Vielschichtigkeit macht das Werk zu einem lesenswerten Vergnügen, das auch 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung nichts von seinem Reiz verloren hat. Ob man vorher bereits Besitzer der Originals gewesen ist oder nicht: Es lohnt sich dieses Buch noch mal neu für sich zu entdecken. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.