// ein sturz in die liebe … (alle folgen)

die komplette geschichte von anfang an… // von helena hertlein & johanna kleinschrot Marinas schicksalhafte Begegnung mit einem Barbaren stellt Sie auf eine harte Probe. Kommt Jonas wirklich aus der Zellerau ??? „Janine, ist mein neuer weißer Mini nicht supersüss?!“ „Fiel mir sofort auf, Marina! Passt fabelhaft zu deinen knackig braungebrannten Beinen!“ „Genau das hab […]

endlos

die komplette geschichte von anfang an…

// von helena hertlein & johanna kleinschrot

Marinas schicksalhafte Begegnung mit einem Barbaren stellt Sie auf eine harte Probe.
Kommt Jonas wirklich aus der Zellerau ???

„Janine, ist mein neuer weißer Mini nicht supersüss?!“
„Fiel mir sofort auf, Marina! Passt fabelhaft zu deinen knackig braungebrannten Beinen!“
„Genau das hab ich mir auch gedacht, als ich ihn gesehen hab. Ein Superschnäppchen aus der Stoffbar für 150 Euro, musste ich haben. Meine Güte, ist das voll hier, wo soll man da noch parken??“
„Da vorne rechts ist noch eine Lücke.“
„Passt mein Cabriolet da rein?“
Der rosa Sportwagen hält auf dem Parkplatz des Graf-Luckner-Weihers und kurze Zeit später lassen sich vier Grazien auf einer riesigen Picknickdecke mitten auf den Mainwiesen nieder. Marina ölt sich mit Sonnenschutzfaktor 2 ein, nippt zwischendurch an ihrem Gläschen Champagner und schließt die Augen, um die warmen Sonnenstrahlen des zu Neige gehenden Tages auszukosten. „Wie viele Scampis ich mir heute wohl gönnen kann….“
Der Luxuskörper der Zweiundzwanzigjährigen schwelgt in schwerwiegenden Problemen und die Sorge um die Fettpölsterchen ist wohl ihre Größte. Denn Mama hütet die Villa im Steinbachtal während Papa jeden Wunsch von den Lippen abliest. Ein Leben wie aus dem Bilderbuch, sodass sich das Töchterchen voll und ganz auf sein Modedesignstudium konzentrieren kann.

Die letzten Tage der Semesterferien genießt Marina mit ihren Freundinnen aus dem Tennisclub in vollen Zügen. Doch die Ruhe ist nicht perfekt, denn selbstverständlich bleibt man an einem lauen Sommerabend nicht allein: Die Mainwiesen mit unterschiedlichsten Grüppchen bevölkert.
„Die wollen doch nicht etwa hierher?“ Marina verzieht beim Anblick einer sich nähernden Truppe angewidert das Gesicht.
„Hau mal n Bier her!“
„Alter, wer hat die Kohlen dabei?“
„Schmeiß scho ma die Steaks auf n Grill!“
Bierkästen werden herangeschleppt und die Meute lässt sich in Hörweite der Ladies ins Gras fallen.
„Unglaublich, was für Wilde sich hier herumtreiben!“
„Die essen bestimmt mit den Fingern“
„Wir müssen unbedingt hier weg.“
„Absolut, aber ich muss noch mal eben für kleine Mädchen.“
Marina erhebt sich, streicht den Rock glatt und stolziert von dannen, um ein adäquates Plätzchen zu suchen. „Warum in aller Welt habe ich mich bloß überreden lassen, den Abend hier zu verschwenden? Wo doch heute „Sex & the studio“ ist“, ärgert sich Marina, als sie sich durchs Gebüsch schlägt.
„Abendlicher Flair am Main, kann nicht jeder Tag so sein?“…………… Sinnlicher Gitarrengesang dringt an Marinas Ohr und lässt sie aufhorchen. Von der tiefen Stimme fasziniert, folgt sie den wundervollen Klängen und balanciert über die Steine am Ufer. „Nur noch ein Stück, hinter dem Schilf muss er sein………Ahhhhhhhhh!“
„Was war das?“ Jonas lässt die Gitarre fallen und springt auf, als er Marina schniefend im Wasser ent-deckt. Er zögert keine Sekunde, hechtet zu ihr und zieht sie an Land. „Ist alles in Ordnung mit…“
Ihre Blicke treffen sich. Für einige Momente nehmen die beiden nichts um sich herum wahr. Die Welt steht still. Jonas gewinnt als erster die Fassung wieder und stammelt:
„So wunderschöne Augen hab ich noch nie gesehen. So tiefblau…und…unbeschreiblich.“
Marina senkt den Kopf, sie zittert.
„Danke. Danke, für deine Hilfsbereitschaft. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll….“
Er fasst behutsam an ihr Kinn und hebt ihr Gesicht sanft an.
„Kann ich irgendwas für dich tun? Wir haben da drüben n warmes Feuer…“
Sie nickt lächelnd.
Leichtfüßig springt Jonas die Böschung hinauf und reicht Marina die Hand. Vertrauensvoll greift sie zu. „Was für starke, männliche Arme. So muskulös und doch so liebevoll…“ schwärmt sie in Gedanken.
„Hier links. Wir sind gleich da.“ Jonas deutet auf die „wilde Meute“, die es sich am Feuer gemütlich gemacht hat.
„Marina!“ flötet es von rechts, „wir wollen gehen“. Ihre ungeduldigen Freundinnen sind im Begriff zu fliehen, sie können es kaum erwarten den unzumutbaren Kreaturen zu entkommen.
„Wer ist das denn?“ Jonas mustert die aufgedonnerten Mädels.
„Das kann nicht wahr sein. Er gehört zu denen. Ein solcher Mann und diese Barbaren.
Was soll ich nur tun? Was werden Janine und die Anderen sagen? Ich kann unmöglich mit ihm da rüber. Aber ich kann auch nicht gehen, als wäre nichts geschehen. Diese Magie zwischen uns kann kein Zufall sein. Ich muss wissen ob er genauso fühlt.“
Jonas unterbricht ihre Gedanken: „Was ist denn nun?“
Marina blickt ihn an. Eine Träne läuft ihre Wange hinunter.
„Ich kann nicht…“ sie dreht sich um. Jonas starrt dem rosa Sportwagen nach, der im Licht der goldenen Abendsonne verschwindet. Fassungslos schüttelt er den Kopf.
„Ich muss sie wiedersehen.“

TEIL 2:

„Mach ma die Mucke lauter!“
„Fenster auf! Hier is scho wieda so´n Dunst.“
„Scheiße, kann ja wohl nich sein, Bier is bald leer.“
„Tja, Jungs. Da müssen wir wohl nochma los. Wo geht`n heut was?“ Jonas schnappt sich das letzte Bier.
„Kein Plan, ich glaub aufm Boot is Samstags Party. Aber du spekulierst doch eh nur drauf, die Alte von neulich wiederzusehen.“
„Schwachsinn…äh…hast du vielleicht`n paper?“ versucht Jonas abzulenken, doch in seinem Kopf dreht sich seit zwei Wochen alles nur noch um Marina. Er kann ihr zauberhaftes Lächeln und ihre tiefblauen Augen einfach nicht vergessen.
„Komm Alter“ Simon, sein bester Kumpel, klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter, „können schon ma auf`s Boot schaun, aber mach dir da nich so große Hoffnungen. Die Bonzentussi is sowieso unerreichbar für dich.
„Hm, naja…..is eh erst halb zehn. Zock ma noch ne Runde und gehen dann los.“ Jonas wirft die Playstation an.
„Was GEHEN? Im Sinne von LAUFEN? Du spinnst doch. Wir sind hier am Arsch der Welt.“
„Mann, Mann, Mann, Alter. Schieb hier ma keine Filme. Ich wohn in Grombühl, müsstest du langsam wissen, gammelst ja täglich hier rum. Kann ma locker laufen, außerdem gibt’s Strabas.“ Jonas schüttelt den Kopf über so viel Faulheit und zweifelt mal wieder am Geisteszustand seiner Freunde.

Ein Sektkorken knallt. Die vier Schönheiten sitzen im Kerzenschein an einer reich gedeckten Tafel und dinieren. Sie unterhalten sich angeregt über den neuen rosa Anstrich der Sauna. Marina gerät ins Schwärmen, ihr Luxusappartement in der elterlichen Villa ist einfach ein unerschöpfliches Thema. Selbstverständlich muss sie sich ihre zarten Hände nicht mit Putzen oder anderer Hausarbeit ruinieren. Praktischerweise füllt sich auch der Kühlschrank wie von Zauberhand.
„Mädels, ich hoffe ihr habt noch nicht zuviel gegessen. Ich hole jetzt nämlich die köstliche Zitronentarte à la Mama. Low – Fat versteht sich.“ Marina verschwindet nach oben.
„Mutti, Muttilein! Ist der Nachtisch im Kühlschrank?“
„Ja, mein Schatz. Was habt ihr denn noch vor? Geht ihr noch auf die Piste?“
„Auf`s Boot wahrscheinlich. Da ist es wirklich ganz ungefährlich und es geht bestimmt auch nicht unter, Mama!“ Marina rollt mit den Augen, sie kennt ihre übervorsichtige Mutter.
„Ach, in das Boot? Da könntest du doch mal Marco anrufen. Du weißt schon, den charmanten Sohn der Berghäusers aus dem Golfclub.“
„Erstens heißt es ‚Auf`s Boot’, Mama, und zweitens ruf ich den garantiert nicht an. Der redet doch immer nur von Autos, Geld und sich selbst.“ Marina ist von ihren eigenen Worten überrascht, im Prinzip ist das doch genau das Model Mann, das sie sucht: ein gutaussehender reicher Gentleman, der sie umgarnt. Wenn sie nur nicht ständig an ihren Retter denken müsste. Jonas. Seine dunklen Locken, sein verwegener Blick und seine traumhafte Stimme.
„Wann geht ihr denn?“ Die Stimme der Mutter reißt sie jäh aus ihren Gedanken.

„Die Kochkünste deiner Mum sind wirklich fantastisch.“ Janine lenkt ihren roten Mercedes auf einen freien Platz im Parkhaus. Durch geschicktes Flirten schaffen es die Freundinnen an der langen Schlange vorbei und erneuern erst mal ihr Make-up.
„Ach du liebe Zeit, ist es hier voll. Zeit für einen Mojito.“ Janine bahnt sich einen Weg durch die Massen, deckt alle mit Cocktails ein und ergattert einen Tisch im Mitteldeck. Völlig erschöpft lassen sich die Mädels nieder und beobachten das männliche Partyvolk, das durchaus auf die vier Blondchen aufmerksam geworden ist. Noch hat sich keiner rangetraut, doch der eine oder andere steht schon in Flirtposition.
„Hast du mal Feuer?“ Janine hat wie immer die Pole Position inne. Sie lächelt verführerisch und gibt dem jungen Adonis bereitwillig das, was er will. Im Gegenzug lädt er sie auf einen Cosmopolitan ein und die beiden ziehen heftig flirtend gen Tanzfläche. Marina kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, schon wieder einer, der von Janine oder besser, von ihrem umwerfenden Dekolleté hypnotisiert wird.
„Suchst du jemanden?“ sie blickt überrascht auf und sieht sich Marco gegenüber. „Du hast so verwirrt in der Gegend herumgeschaut. Aber jetzt bin ich ja da.“ Süffisant lächelnd lässt er sich neben ihr nieder. Marina rückt demonstrativ ein Stück zur Seite. So ein arroganter Kerl, denkt sie bei sich und fragt höflich: „Hallo Marco, wie geht es dir denn?“
„Famos! Geradezu alles paletti. Hab ich dir schon von meinem neuen Maserati…?“
Und schon schaltet Marina ab. Der folgende Monolog über PS, Chromfelgen und Lackierung erreicht sie nicht. Abwesend lässt sie ihren Blick schweifen. Sie hat tatsächlich jemanden gesucht. Doch sicher nicht diesen Macho. Nach einer halben Stunde hat sie genug. „Ich schau mal, wo Janine steckt.“ Kurzerhand lässt sie den verdutzten Marco sitzen.

Erleichtert lehnt sie sich an die Reling und schaut nachdenklich aufs Wasser.
„Marina?“
Diese Stimme. Ihr stockt der Atem. Wie in Trance dreht sie sich um. Ein unbeschreibliches Gefühl durchflutet ihren Körper.
„Jonas.“
Nur sie und er. Langsam bewegen sie sich aufeinander zu. Es bedarf keiner Worte. Sie spüren eine unbekannte Macht, die sie lenkt. Wie von selbst finden sich ihre Lippen. Der Moment wird zur Ewigkeit…

TEIL 3:

Überwältigt von diesem Moment schauen sie sich an. „So hab ich noch nie empfunden. Ich kann es kaum in Worte fassen.“ Sanft streicht er ihr über die Wange.
„Huhu! Da bist du ja, Marina! Was treibst du dich denn hier in der Kälte rum? Lass uns runtergehen, das Tanzbein schwingen!“ Selbstgefällig kommt Marco auf die beiden zu und mustert Jonas von oben bis unten. „Wenn du gestattest?“ Mit einem Blick auf seinen Nebenbuhler nimmt er Marinas Hand und will sie wegziehen.
„Geh schon mal vor. Ich muss noch mal kurz aufs Klo“ Marina läuft zur Tür. Kurz bevor sie hineingeht, dreht sie sich um und wirft Jonas einen vielsagenden Blick zu.
Marco indessen grinst seinen Rivalen siegessicher an: „Die Frau ist `ne Nummer zu groß für dich, mein Junge. Ich wünsch´ dir noch viel Spaß. Ich werde ihn sicher haben…“

Marina zieht ihren Lidstrich nach und verlässt die Toilette. Nervös schaut sie sich um. „Hoffentlich hat Jonas mich verstanden. Dieser penetrante Marco muss auch immer dazwischen funken.“
„Marina!“ Jonas steht am Ausgang und lächelt sie an.
„Tut mir leid, der Schnösel ist…“
„Schon in Ordnung. Geh´n ma halt ma raus. Ich lad´ dich auf`n Bier an der Tanke ein.“

Dort angekommen greift Jonas zu einem Sixer Becks. Marina blickt skeptisch: „Äh, eigentlich trink ich kein Bier.“
„Was denn sonst?“ Jonas schaut sie ungläubig an.
„Na, Sekt oder auch mal `n Champagner…“
„Tja, dann ist das jetzt wohl dein Bierdebüt.“
Unsicher lächelt sie ihn an, folgt ihm jedoch zur Kasse.
„Noch `n Schinken-Käse-Croissant?“
Marina, immer bedacht auf ihre Linie, zögert kurz, „Hmm, wenn ich diese Nacht sogar Bier trinke, kann ich mir auch so was gönnen“, denkt sie sich.
Wieder draußen schlendern sie Hand in Hand über die Brücke der Deutschen Einheit. „Wir könnten uns auf der anderen Mainseite auf die Wiese chillen und gemütlich unser Bierchen trinken.“, schlägt Jonas vor.
„Gerne. Dann können wir uns mal ungestört unterhalten.“

Jonas breitet seine Jacke auf dem Gras aus und öffnet das Bier.
„Ich sitze hier tatsächlich in der Kälte, mit jemandem, den ich überhaupt nicht kenne und trinke noch dazu Bier. Ich erkenn` mich kaum wieder. Was macht er nur mit mir?“ Marina lässt sich gedankenverloren nach hinten fallen und blickt in den sternenklaren Nachthimmel. „Es ist so unglaublich, dass wir uns wieder getroffen haben…. Glaubst du an Schicksal?“
„Keine Ahnung ob`s Fügung gibt, aber so was ist mir noch nie passiert. Ich hätte nicht gedacht, dass mir eine Frau wie du nicht mehr aus dem Kopf geht.“
„Was heißt hier eine Frau wie ich?!“
„Naja, du bist halt komplett anders als die Leute, mit denen ich normalerweise abhäng`. Du kommst aus einer Welt voller Marcos, Janines und teurem Champagner. Bezweifle, dass ich da reinpass`.“
„Sind ja nicht alle so oberflächlich wie die beiden, und auf den ersten Blick find´ ich deine Freunde auch nicht sonderlich sympathisch. Aber irgendwas ist da zwischen uns. Und jetzt sind wir ja hier.“ Vorsichtig legt sie ihre Hand auf seinen Rücken und zieht ihn zu sich. Sie küssen sich. Jonas beginnt sie zu streicheln. Langsam wandert seine Hand unter ihr Shirt. Er spürt wie ihre Nippel hart werden, zieht ihr mit zitternden Händen das Top über den Kopf, kämpft kurzzeitig mit dem BH-Verschluss und fängt an, ihre Brüste mit den Lippen zu liebkosen. Marina legt den Kopf in den Nacken und atmet heftig, während sie ihm sein T-Shirt vom Leib reißt. Achtlos wirft sie es ins Gras.

Die Tatsache, dass sie sich auf den Mainwiesen befinden und für Nachtschwärmer gut sichtbar sind, ist in diesem Moment vergessen. Der Drang, sich im anderen zu verlieren ist schier unmenschlich.
Von animalischer Begierde getrieben streift er ihr die Jeans von den schlanken Schenkeln und bedeckt ihr magisches Dreieck mit heißen Küssen. Marina stöhnt laut, heißes Verlangen flammt in ihr auf und ungeduldig entledigt sie ihn seines Gürtels. Hektisch zieht sie ihm die Hose aus.
Sie gehen ineinander über. Sie sind eins.
Eine Welle der Lust durchströmt sie. Marina bäumt sich auf, „Oh, Jonas!“. Er presst sie an sich. Ihre ekstatischen Bewegungen werden immer intensiver und schneller. In einem Augenblick der reinsten Voll-kommenheit geben sie sich nur noch dem Rausch der Gefühle hin und erreichen gemeinsam den Höhepunkt.

Beide fühlen, dass es um mehr geht als um die Leidenschaft einer einzigen Nacht…

TEIL 4

„Was für Riesendinger!“, angewidert wendet sich Marina vom neuesten FHM-Kalendergirl ab und lässt ihren Blick schweifen. Zwischen umgefallenen Bierflaschen, überfüllten Aschenbechern und alten Socken kämpft sie sich schließlich zur Badezimmertür. Dort herrscht ein ähnliches Chaos.

„Mein Gott, wie seh ich denn aus?“, Marina wirft einen Blick in den Spiegel und spitzt hinter den vergilbten Duschvorhang um die Badewanne zu inspizieren. „Lieber nicht“. Das allmorgendliche Beautyprogramm muss wohl noch warten. Ein paar Spritzer kaltes Nass müssen reichen, erst mal Kaffee. Marina setzt Wasser auf und überprüft das Kaffeepulver auf eventuellen Kleintierbefall. Der Kaffee besteht die Prüfung, anders schauts mit dem Kühlschrank aus. Gähnende Leere gespickt mit einer halben Flasche O-Saft und einem Stück angefressener Pizza. „Wie überlebt er bloß in dieser Bude?“, Marina zieht zweifelnd zwei Tassen aus dem Spülbecken, gießt den Kaffe ein und wandert zurück in Jonas Zimmer.

„Guten Morgen“, Jonas Wuschelkopf kommt unter der Bettdecke zum Vorschein und sein Lächeln lässt sie das Chaos vergessen.
Sie setzt sich zu ihm auf die Bettkante und reicht ihm eine Tasse. „Krieg ich keinen Gutenmorgenkuss?“, Jonas nimmt ihre Hand und fängt an ihren Arm mit Küssen zu bedecken. Sie spürt, wie sie Gänsehaut bekommt und zieht ihren Arm weg.
„Was ist denn los?“
„Nichts nichts. Nur n bisschen müde. Bins halt nicht gewohnt nicht in meinem Himmelbett zu schlafen.“
„Himmelbett?!“, Jonas schaut sie skeptisch an. „Meine Güte, du wirst es verkraften. So schlimm wars nun auch wieder nicht.“
„Naja, das Aufwachen war jedenfalls nicht gerade berauschend.“, Marina sieht sich mit abwertendem Blick um.
„Tut mir leid. Warn halt gestern n paar Jungs da, sah auch schon schlimmer aus. Muss halt heut ma aufräumen.“
„Allerdings“, Marina erhebt sich und holt ihr Handy aus der Handtasche.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“
„Ich muss mal eben telefonieren“, mit diesen Worten verlässt sie das Zimmer und setzt sich in den Flur. Jonas schüttelt verwirrt den Kopf, schnappt sich ein Handtuch und läuft ins Bad.
„Hey Janine. Ich kann leider nicht so laut sprechen“. Dumpf hört Jonas Marinas Stimme durch die Tür und wird aufmerksam.

„Ich bin bei dem Typen von gestern. Nein! Nicht Marco! Du weißt schon, der braunhaarige vergammelte Kerl, den wir auch schon mal am Main getroffen haben….Brüll mir doch nicht so ins Ohr! Ich weiß, ich weiß. Hab mir natürlich nichts dabei gedacht. Ob wir verhütet haben? Für wen hältst du mich eigentlich? Selbstverständlich. Jetzt sei doch mal kurz ruhig. Kannst du mich bitte abholen? – Äh, irgendwo in Grombühl, komm am besten zur Uniklinik.
„Wenn das so ist!“, Jonas reißt mit einem Schwung die Badezimmertür auf und starrt sie an. Entsetzt lässt Marina das Handy fallen. „Es ist nicht so wie du denkst“, sie will ihm die Hand auf die Schulter legen, doch Jonas dreht sich ruckartig weg und öffnet die Wohnungstür. „Bitte“, er deutet nach draußen. „Ich erlöse dich von dem vergammelten Kerl.“
„Lass mich doch erklären“, Marina hat Tränen in den Augen und schaut ihn verzweifelt an.
„Ich hab genug gehört. Wie konnte ich bloß so dumm sein, mich auf dich einzulassen. Du bist echt nicht meine Welt. Geh jetzt bitte.“
Marina will etwas sagen, aber ihre Stimme versagt. Beim Rausgehen dreht sie sich noch einmal um. Doch Jonas hat die Tür bereits hinter ihr zugeschlagen.
„Verdammte Scheisse!“, Jonas schlägt mit der geballten Faust auf die Badezimmertür ein und lehnt sich schließlich erschöpft an. Er setzt sich auf den Boden und lässt den Kopf auf seine Knie sinken….

„So ein Scheißwetter und ich muss dich auch noch durch die Minigassen in Grombühl kutschieren. Ich frag mich echt was in dich gefahren ist, der Typ ist völlig unter deinem Niveau. Denkst du eigentlich nur an dich? Überleg doch mal, was du deinen Eltern damit antust.“, Janine kann es nicht fassen.

Marina indes sieht teilnahmslos aus dem Fenster, eine Träne rollt über ihre Wange. Janine wirft ihr einen verunsicherten Blick zu. „Ach Schätzchen, tut mir leid. Ich hab überreagiert. Ist der Kerl das wert? Du kennst ihn doch kaum.“
Marina kann sich nicht mehr zurückhalten und bricht in Tränen aus.
„Dir liegt wirklich viel an ihm.“, seufzend lenkt Janine den Wagen in die Parkbucht vor der Hartensteinschen Villa im Steinbachtal.
„Wo warst du denn?“, Marinas Mutter kommt aus dem Haus gestürzt und mustert sie von oben bis unten. „Was ist denn los? Du weinst ja, ist was passiert? Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“
„Keine Sorge.“, Janine will beruhigend einlenken. „Sie ist nur n bisschen durch den Wind weil…“
„Weil ich jetzt nicht drüber reden will. Ich will jetzt nur noch in meine Badewanne, hab bei Janine nicht so gut geschlafen.“
Ihre Mutter schaut sie besorgt an.
„Liebeskummer, Mama.“, Marina senkt den Kopf.
„Ach wegen Marco!“, erleichtert atmet ihre Mutter auf, „da brauchst du dir keine Gedanken zu machen, der hat vorhin schon angerufen.“
Marina wirft ihrer Mutter einen entsetzten Blick zu und stürmt ins Haus.
„Ach, sobald sie ihn anruft wird sich das schon regeln.“, Marinas Mutter lächelt die betröppelte Janine aufmunternd an. „Marco macht das schon. Genauso hab ich mir meinen Schwiegersohn vorgestellt. Gut aussehend und erfolgreich.“
„Da stimme ich ihnen voll und ganz zu, Frau von Hartenstein.“, Janine steigt in ihr rosa Cabrio und winkt zum Abschied.
„Wenn die wüsste…“

TEIL 5:
„Klingel doch endlich! Warum ruft er denn nicht an?“ Marina sitzt wartend vor ihrem pinken Plüschtelefon.
„Schätzchen!“ Die Tür fliegt auf, Frau von Hartenstein erscheint aufgeregt an ihren Lockenwicklern zupfend.
„Am besten ziehst du heute Abend“, sie reißt Marinas überdimensionalen Kleiderschrank auf, „dein fliederfarbenes Satinkleid mit dem Rüschchenausschnitt an. Wenn das Marco nicht betört, dann weiß ich auch nicht. Ach ja, und denk dran, dass in einer halben Stunde Jenny vom Nagelstudio kommt. Alles muss perfekt sein, immerhin wird der gesamte Golfclub zu unserer Gartenparty erscheinen!“ Sie lächelt ihre betrübt dreinblickende Tochter vielsagend an.
„Keine Sorge Mäuschen, ich habe alles arrangiert, du wirst beim Dinner neben Marco sitzen.“
Mit diesen Worten ist sie auch schon wieder verschwunden. Marina lässt den Kopf in die Hände sinken. „Wie soll ich diesen Abend bloß überstehen? Marco redet ohnehin wieder nur über seine Autos – aber wenigstens hat er welche und außerdem umgarnt er mich äußerst charmant. Ganz im Gegensatz zu manch Anderem“. Sie schaut zum Telefon. Mit einem Seufzer erhebt sie sich vom Bett und holt ihr „Kleines Schwarzes“ aus dem Schrank. Sie will es vom Bügel nehmen, ihr Blick fällt abermals auf den pinken Apparat. Wie von einer unbestimmten Macht gelenkt, greift sie plötzlich zum Hörer und wählt Jonas Nummer.
„Jonas? Hey, ich bin’s, Marina.“
„Ich…ich wollte nur,…es tut mir leid…“
„Warte, lass mich wenigstens erklären.“
„Ich hab so was noch nie vorher gemacht und dann auch noch……..na ja, du weißt schon, die äußeren Umstände.“
„Um Gottes Willen, natürlich ist das nicht alles, was zählt – das ist mir in den letzten Tagen bewusst geworden. Es vergeht keine Minute, in der ich nicht an dich denke.“
„Sei doch bitte nicht so aggressiv.“
„Was??? Wie hast du mich genannt? Was fällt dir eigentlich ein? Wie konnte ich nur so blöd sein, dich noch mal anzurufen.“
„Jonas? Jonas, bist du noch dran?“
Marina lässt den Hörer sinken, wirft sich aufs Bett und beginnt bitterlich zu weinen.

Wie von Sinnen knallt Jonas das Telefon auf den Boden und rast in die Küche. Schwungvoll greift er nach `ner Flasche Whiskey und fegt dabei sämtliche dreckigen Teller vom Tisch.
„Scheiße! Warum muss ausgerechnet ich an so `ne Tussi geraten?“
Hektisch zündet er sich `ne Kippe an.
„So kann’s nicht weitergehn.“ Er nimmt einen tiefen Schluck und starrt stur vor sich hin.

Lampions leuchten, Norah Jones schmachtet im Hintergrund, der Geruch gegrillter Scampis liegt in der Luft und das leise Plätschern des Springbrunnens vervollkommnet das stilvolle Ambiente des Hartensteinschen Anwesens.
„Deine Mutter hat sich mal wieder selbst übertroffen, Marina. Alles, was in Würzburg Rang und Namen hat, ist hier und das Essen ist wirklich überaus delikat. Und dann auch noch solch wunderschöne Gesellschaft, du siehst wirklich bezaubernd aus.“
Marina verdreht zwar die Augen, dennoch stößt sie lächelnd mit Marco an.
„Ich sollte eigentlich mal langsam machen mit dem Rotwein“, Marina wirft dem Kellner einen koketten Blick zu und lässt sich zum wiederholten Male nachschenken.
„Jetzt erzähl doch mal, Marco, wohin fliegst du noch mal? Ibiza oder Fuerte Ventura? Schon All Inclusive, oder?“
„Selbstverständlich! Habe mich jetzt doch für Fuerte Ventura entschieden, die bieten mir einfach mehr Luxus, ich sage dir, das Hotel ist ein Traum. Möchtest du nicht mitkommen?“
„Hört sich durchaus verlockend an…ich werd’s mir durch den Kopf gehen lassen.“
„Aber denk dran, morgen muss ich spätestens buchen. Lass uns erst mal tanzen und dann sehen wir weiter……wer weiß, vielleicht werden wir schon bald zu zweit den Sonnenuntergang am Strand genießen.“
Er nimmt ihre Hand und führt sie, am Pool vorbei, auf die Veranda, auf welcher sich schon einige Pärchen eng umschlungen zu langsamer Musik bewegen.
Marco legt seine Arme um Marinas Taille und zieht sie an sich. Sie lässt ihn gewähren.
Ihre Mutter beobachtet das tanzende Paar verzückt und nippt zufrieden an ihrem Champagner.
Marina lässt ihren Kopf auf Marcos Schulter sinken. „Könnte ich doch für ihn dasselbe empfinden wie für Jonas…….“

Jonas erstarrt und lässt den Whiskey fallen. „Das darf nicht wahr sein!“ Wie in Trance öffnet er das Tor zum Hartensteinschen Garten. Die entsetzten Blicke der noblen Gesellschaft nimmt er nicht wahr. Er sieht nur Marina. Er steuert auf sie zu.
Marina hält inne. „ER ist hier!“
Jonas wird langsamer, er bleibt vor ihr stehen.
Marina löst sich aus Marcos Umklammerung, doch einen Schritt auf Jonas zuzugehen wagt sie nicht. Jonas zittert, als er Marinas Hand nehmen will, Marco kommt ihm zuvor und legt schützend seinen Arm um Marina.
Sie schaut Jonas mit Tränen in den Augen an.
Er senkt den Blick.
„Ich liebe dich.“

TEIL 6:

„Er liebt mich. Er liebt mich. Wie kann er mich nach all dem dennoch lieben? Liebe ich ihn? Wieso sagt er das ausgerechnet jetzt? Verdammt, Marco. Meine Mutter. Kann ich ihr das antun? Ich kann doch jetzt nicht so plötzlich entscheiden, ob ich das alles hier aufgebe. Für ihn. Marco bietet mir Sicherheit, aber Jonas…“
„Ach, mein armer Junge“, Marco lächelt überlegen und legt Jonas mitleidig die Hand auf die Schulter. „Kann ich dir in deiner Verzweiflung noch irgendwas Gutes tun? Da hinten steht mein Chauffeur. Er wird dich bestimmt sicher nach Hause bringen.“
„Fass mich nicht an!“ Grob schlägt Jonas Marcos Hand weg.
Marco fängt lauthals an zu lachen. „Harry, fahr schon mal den Wagen vor.“. Bestimmend nimmt er Marinas Hand und will sie wegziehen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
„Du widerliches Arschloch!“, Jonas packt Marco am Kragen und drückt ihn gegen die villensche Wand. Mit verzerrtem Gesicht ballt er die Faust zum Schlag.
„Jonas, nein!“, Marina stößt Jonas weg und stellt sich schützend vor Marco.
„Was bildest du dir eigentlich ein?“, Jonas blickt sie entsetzt an. „Erst steigst du mit mir ins Bett, laberst irgendwas von ach so tiefen Gefühlen und in Wirklichkeit benutzt du mich nur, um Abwechslung in dein Leben mit deinem zukünftigen Geldgeber zu kriegen.“ Marina erblasst.
Ein Raunen geht durch die Gesellschaft, die sich das Spektakel selbstverständlich nicht entgehen lässt und sich mit gierigen Blicken um den Schauplatz versammelt hat. Rigoros bahnt sich Frau von Hartenstein einen Weg durch die Menge und baut sich vor Jonas auf. „Mit welchem Recht kommen sie eigentlich einfach so auf mein Anwesen, sie ungehobelter Rüpel? Und dann besitzen sie auch noch die Frechheit meine Tochter und ihren Marco derart zu demütigen. Von ihrer offensichtlich gewalttätigen Ader mal abgesehen. Man sollte die Polizei alarmieren.“
„Schon geschehen“, der Präsident des Tennis-Club schaltet sich geschäftig ein. Sirenen erklingen und kurze Zeit später erscheinen zwei uniformierte Männer auf der Veranda. „Als ob wir zur Zeit in der bayerischen Kriminalitätshochburg Würzburg nicht schon genug zu tun hätten, müssen wir nun auch noch ins hinterste Steinbachtal fahren. Was ist denn hier los?“
„Hat sich schon erledigt“. Marco schreitet gönnerhaft ein. „Meine Zukünftige wurde von einem Betrunkenen belästigt. Doch ich, äh, entschuldigen sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Gucina, Marco Gucina. Habe die Situation schon längst im Griff. Ich danke ihnen für ihre Mühen. Vielleicht möchten sie noch einen Drink an unserer Bar genießen?“

Marina blickt fassungslos in die Runde. Sie stürmt ins Haus. Jonas stürmt hinterher. Die Polizisten lächeln sich vielsagend ein. „Mensch, Kurt Radl, mein guter Kollege, die Jugend immer, schon wieder so`n Romeo und Julia Ding. Lass uns gehen.“
„Ja, Peter, wir werden hier nicht mehr gebraucht. Es gibt wichtigeres. Kiliani samt Riesenrad wartet. Auch die umstehende Runde löst sich langsam auf. Nur Frau von Hartenstein blickt Marco vielsagend an. „Wir sollten mal ein ernstes Wörtchen miteinander reden.“, sie nimmt ihn beiseite. „Unsere Abmachung stand doch….? Ich hatte diesen Abend perfekt arrangiert. Ich denke, du solltest dich mal langsam ins Zeug legen.“
Marco blickt beschämt zu Boden. „Ich habe alles versucht. Und dieser Jonas ist doch eine lächerliche Witzfigur.“
„Immerhin hat er mein Fest ruiniert und meine Tochter verdirbt er ohnehin.“
„Du nimmst diesen Kerl doch wohl nicht ernst. Wo ist er überhaupt hin? Wahrscheinlich lässt er sich grad irgendwo in´n er Spelunke volllaufen. Ich sehe ihn nicht als Gefahr an, ich weiß nur nicht mehr, was ich tun soll. Selbstverständlich hat er gegen mich keine Chance. Aber wer weiß, vielleicht ist deine Tochter im Moment in ihrer wilden Phase.“
„Was heißt hier wilde Phase? Das Ganze ist doch lediglich eine Farce. Du lädst sie einfach morgen Abend ins Weinstein ein und tust endlich, was du schon längst hättest tun sollen. Ich hoffe, du hast die Ringe schon abgeholt.“
„Selbstverständlich. Aber ich weiß nicht, ob morgen der geeignete Zeitpunkt ist. Vielleicht sollten wir erst mal gemeinsam in Urlaub fahren. Ich werde morgen die Tickets buchen.“
„Ja, tu das. Ein romantischer Liebesurlaub wird das schon richten.“
„Vertrau mir, ich kriege immer was ich will.“

„Es tut mir so leid, ich wollte dir den Abend nicht verderben. Ich liebe dich. Verdammte scheiße, ich lieb dich so.“, Jonas blickt verzweifelt auf Marina, die mechanisch ihre Lippenstiftsammlung auf ihrer ohnehin schon fein säuberlich sortierten Kommode ordnet.
„Marina, bitte hör mir zu. Hör auf, deinen scheiß Schminkkram in Reih und Glied zu stellen. Es war nicht so gemeint, unsere gemeinsame Nacht hat mir viel bedeutet. Es war mehr… es waren WIR.“
Marina dreht sich zu ihm. Sie sieht in seine traurigen Augen. Eine Träne rollt ihre Wange hinunter. Langsam streift sie die Träger ihres Kleides über die nackten Arme. Sie löst die Schnalle ihres BHs und lässt ihn zu Boden gleiten. Zitternd entledigt sie sich ihres roten Spitzenslips.
„Es war so wunderschön. Ich will nur dich. Oh Jonas, ich liebe dich.“

TEIL 7:

Marina blinzelt. Verschlafen tastet sie neben sich und streicht sanft über Jonas braungebrannte Arme.
„Hmm“, genießerisch dreht sich Jonas zur Seite. „Ab sofort möchte ich jeden Morgen so geweckt werden.“ Er öffnet Augen und sieht Marina liebevoll an. Zärtlich gibt er ihr einen Kuss auf die Stirn und sie schmiegt sich eng an ihn. „Es ist so wunderschön neben dir aufzuwachen, deine Haut zu spüren, deine Stimme zu hören, zu wissen, dass du bei mir bist.“ Die beiden lächeln sich glückstrunken an.
„Marina! Schätzchen! Liegst du etwa noch immer im Bett?! Das Mittagessen ist schon fertig.“
„Scheiße, deine Alte?“, Jonas sieht Marina entsetzt an.
„Oh nein“, Marina liest Jonas Klamotten vom Boden auf und zerrt ihn zur Verandatür ihrer kleinen aber noblen Parterrewohnung. „Es tut mir leid, aber du musst schnellstens hier raus.“, sie drückt ihm seine Kleidung in die Hand und gibt ihm einen flüchtigen Kuss.
„Ich ruf dich an“, mit diesen Worten verschwindet Marina wieder ins Haus und Jonas schwingt sich über das Verandageländer.

„Wie sieht es denn hier aus?“ Marinas Mutter kommt zur Tür hereingestürmt. Der Anblick ihrer Tochter, die auf einem zerwühlten Bett kauert und betreten auf den mit Kleidern übersäten Fußboden blickt, findet sie nicht gerade entzückend. „Du hast doch nicht….was um Himmels willen war hier los?“ Frau von Hartenstein setzt sich ans Bettende, während Marina versucht, ihre Blöße mit einer Decke zu verbergen. „Ich denke nicht, dass dich das etwas an-geht, Mama“
„Da bin ich anderer Meinung, meine Liebe. Hier sieht es aus wie nach einer Orgie, und da dein Zukünftiger die Nacht daheim verbracht hat, bitte ich um eine plausible Erklärung. Wer war hier?“
„Jonas“.
„Wie bitte?“ Frau von Hartenstein springt wie von der Tarantel gestochen auf. „Dieser Barbar hat in meiner Villa genächtigt? Was fällt dir ein?“
„Nenn ihn nicht noch mal so“, Marinas Stimme zittert.
„Wie redest du mit mir?“, in Frau von Hartensteins makellos geschminktem Gesicht bilden sich rote Flecken. „Bist du nun vollkommen verrückt geworden? Wenn Marco und dein Vater von der Sache wüssten. Ich darf gar nicht daran denken. Das soll meine vernünftige Marina sein?! Ich erkenne dich nicht wieder. Wahrlich nicht.“ sie sieht ihre Tochter entgeistert an. Marina hebt den Kopf, ihr Gesicht ist tränenüberströmt.
„Ich weiß selbst nicht mehr, was ich da eigentlich tue, aber Jonas macht mich so….so glücklich.“
„Schätzchen“, die Mutter sieht sie mitleidig an, „ich denke dieser Junge macht dich lediglich blind. Glaub mir Kind, Marco ist der, den du eigentlich willst. Dieser Mann ist wie für dich geschaffen, er ist der perfekte Kandidat um ins Label deines Vaters einzusteigen und eines Tages sogar seinen Chefposten zu übernehmen. Stell dir nur vor, wenn du in zwei Jahren mit deinem Modedesignstudium fertig bist, jettest du vielleicht schon mit deinem Mann, dem Geschäftsführer eines weltberühmten Modelabels nach Mailand und Paris. – Marina und Marco Gucina Berghäuser von Hartenstein, das Traumpaar der Welt der Mode, des Glanz und Glamour.“ Verzückt von ihrer Idee blickt Frau von Hartenstein verträumt in die Ferne. „Also tu mir den Gefallen Schätzchen, und nimm Marcos Einladung zum Dinner heute Abend an. Du wirst sehen, danach ergibt sich alles von selbst. Du magst ihn doch im Grunde?“
„Schon, aber bei Jonas…“
„Psst!“, ihre Mutter legt Marina den Finger auf die Lippen. „Diesen Namen möchte ich nicht mehr hören.“
„Schon gut, ich werde dir den Gefallen tun, dann hab ich wenigstens mal Gelegenheit, mein neues rotes Kleid anzuziehen.“

„Hier, haste noch n Zehner. Aber kauf diesmal zwei Kästen, ich hab kein Bock um zwölf wieder ohne Bier dazusitzen.“ Simon schließt seinen Laden ab und klopft Jonas auf die Schulter. „Und am Montag biste ma wieder n bisschen früher am Start, Alter. Der Laden läuft nich von selbst und ich hab zur Zeit n Haufen Scheiße am Arsch.“ „Geht klar. Bis später“, Jonas steckt das Geld in die Hosentasche.
„Das dauert ja ewig, bis ich daheim bin….hoffentlich erreich ich Marina“, gedankenversunken steht Jonas an der LIDL-Kasse an, als ihm jemand auf die Schulter tippt. „Na, mein Junge, dat wahr wohl nich mit deiner Julia?!“

„Meine Güte, Janine, schrei mich doch nicht so hysterisch an“, Marina hält den rosa Plüschhörer von sich weg. „Ich weiss, ich weiss. Das ist eine traumhafte, sagenumwobene einmalige Chance für mich. – Was? Natürlich denke ich auch an meine Eltern. – Sicher möchte ich sie nicht enttäuschen, aber ich kann meine Gefühle zu Jonas nicht kontrollieren, geschweige denn einfach mal eben abschalten. – Auf die Dauer nicht funkionnieren? – Unglücklich? Hmm, vielleicht hast du recht. Marco würde mir wohl die perfekte Zukunft sichern, aber – Jaja, schon gut, ich werd mich jetzt mal in Schale werfen. Bis dann, Süße!“

„Bitte sehr, die Dame“, der Kellner reicht Marina die Speisekarte.
„Bringen sie uns schon mal eine Flasche Champag-ner. Den Besten, den ihr Haus führt, wir haben nämlich etwas zu feiern“, mit einem Seitenblick auf Marina nickt Marco dem Kellner zu und kurz darauf stoßen Marina und Marco an.
„Was gibt es denn zu feiern?“, fragend schaut Marina Marco an. Dieser nimmt ihre Hand in die Seine und sieht ihr tief in die Augen. „Marina, ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll. Ich…es ist so wunderschön heute. Ein lauer Sommerabend, Kerzenlicht, und das Schönste von allem: meine Traumfrau sitzt mir gegenüber. Und ich möchte, dass sie nie wie-der von meiner Seite weicht. Deswegen….“, Marco holt eine kleine schwarze Schachtel hervor und legt sie vor Marina auf den Tisch. „Es ist vielleicht etwas früh, dich zu fragen, ob du meine Frau werden willst, aber….“, er öffnet die Schachtel, „ich möchte dich bitten, diesen Ring als Zeichen meiner innigen Liebe zu tragen.“ Vorsichtig steckt er ihr den Ring an den Finger. Marina betrachtet ihn stumm, dreht ihn hin und her. „Marco, das ist sehr lieb von dir. Ich…danke. Der hat dich bestimmt ein Vermögen gekostet. Aber ich fürchte, ich kann ihn nicht annehmen. Ich…“
„Marina, sieh es einfach als kleine Geste an“, er greift abermals in seine Tasche, diesmal zieht er ei-nen weißen Umschlag heraus, den er Marina gibt.
„Mach schon auf!“ Ungeduldig nippt Marco an seinem Champagner. Marina öffnet das Kuvert und bringt zwei Flugscheine zum Vorschein. Völlig perplex starrt sie auf die Tickets.
„Und?! Was sagt mein Engel dazu?“, Marco lächelt siegessicher. „Morgen früh geht’s los. Kein Jonas, keine Polizei und kein Stress. Sonne, Strand, Meer und ansonsten nur du und ich. Ist das nicht phantastisch?“
,In der Tat phantastisch, wie Mama und er das eingefädelt haben´, Marinas Gedanken überschlagen sich. ,Verdammt, Jonas. Aber wenn ich es jetzt vermassel, werden meine Eltern mir das nie verzeihen. Außerdem….zwei Wochen Luxuspool, 10-Gänge Menüs und Wellnessprogramm…vielleicht hat Janine gar nicht so Unrecht. Einfach mal das Leben genießen…´
„Ja, das ist es“, Marina lächelt Marco an, „aber dann sollte ich jetzt schleunigst nach Hause, zwei Koffer zu packen braucht schließlich seine Zeit, wie du weißt. Könntest du mich bitte vorher noch in Grombühl absetzen, ich will noch bei einer Freundin vor beischaun. Sie, äh, sie hat noch meinen Lieblingsbikini und der muss natürlich mit.“
„Selbstverständlich. Ist mir ein Vergnügen“.

„Dreh doch ma die Mucke leiser, hats da grad ge-klingelt?“
Simon lässt sich auf Jonas Sofa fallen. „Keine Ahnung, kuck halt nach. Gib ma des Feuer, Andi“.
Jonas verlässt kopfschüttelnd sein Wohnzimmer und läuft zur Wohnungstür. Er öffnet sie. Vor ihm steht Marina.

„Marina! Komm rein, schön, dass du vorbeikommst. Wo warst du? Ich hab dich nicht erreicht.“. Er will sie an sich ziehen und küssen, doch Marina weicht zurück. „Jonas, nicht, bitte. Ich muss mit dir reden. Ich fliege morgen mit Marco in den Urlaub und ich… vergiss was ich dir letzte Nacht gesagt habe. Ich war angetrunken und wusste nicht, was ich tat. Tut mir leid, dass ich dir Hoffnungen gemacht habe, aber ich denke, ich habe mich getäuscht. Es ist wohl besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.

TEIL 8:

„Mmh…köstlich, Erdbeer mit einem Hauch von Kokos und so cremigzart, wie deine wunderbare Haut. Der Robinsonclub übertrifft sich wieder mal selbst mit seinen Cocktailkreationen. Ein Schuß Rum mehr und ich wäre ganz betüdelt, aber das bin ich ja so- wieso schon….“, Marco fährt Marina zärtlich durchs Haar und verschlingt sie fast mit den Augen. „Ist das dein Lieblingsbikini, den du noch in Grombühl abgeholt hast?“. Bei diesen Worten verdüstert sich Marinas Blick. „Grombühl? Was? Ja, natürlich.“, hektisch schnappt sie sich ihren Cocktail und trinkt hastig.

„Ich muss sagen, er sieht wirklich fabelhaft an dir aus, Süße. Dieses Zusammenspiel von marinen Blautönen, durchzogen von königlichem Gold, und das alles an deinem, mit Verlaub, sexy Körper. “
„Danke.“, Marina lächelt ihn, nun wieder gefasst, an: „Möchtest du mich nicht eincremen?“. Hocherfreut springt Marco auf, greift stürmisch nach dem Sonnenöl (LSF 2), um sich anschließend behutsam, aber bestimmt auf Marinas wohlgeformtem Hintern niederzulassen. Sanft beginnt er sie zu massieren. „Entspann dich und genieße, denn ich habe magische Hände, musst du wissen.“

„Na, da bin ich mal gespannt.“, Marina schließt die Augen. ,Mein Gott, was mach ich hier eigentlich? Er mag zwar magische Hände haben, aber es sind dennoch definitiv die Falschen…. Was Jonas wohl gerade macht, ob er mich vermisst? Vielleicht war ich zu hart zu ihm. Verdammt, ich muss aufhören an Jonas zu denken. Ich könnte mit Marco nicht nur einen perfekten Urlaub, sondern das perfekte Leben haben. Mama hat schon Recht, auf Dauer ist eine gesicherte Zukunft wesentlich wünschenswerter als von Luft und Liebe zu leben.`

Während Marina Marcos ölige Fingerspitzen auf ih-rer nackten Haut spürt und Jonas aus ihren Gedanken zu verbannen versucht, versucht Jonas ebenfalls Marina aus seinem Kopf zu kriegen. Allerdings auf eine ganz andere Art.

„Noch `n Bier?“, besorgt drückt Simon seinem Kumpel ein Becks in die Hand. „Danke“, Jonas öffnet mechanisch seine Flasche, nimmt einen tiefen Schluck und fährt fort, apathisch die Struktur der Tapete zu mustern.
„Was `n eigentlich mit dir los? Sonst hat dich `ne Frau doch auch nich so aus´m Konzept gebracht. Vor allem so ne oberflächliche Olle. Du wirst scho über die Alte wegkommen. Du brauchst jetzt einfach ´ne Kur, Bier, Kippen, Gras, Musik, und schon bist du wie- der normal. Vielleicht noch n kleiner Besuch im Haus d’amour und… “
„Halts Maul, du hast doch keine Ahnung.“, Jonas steht auf und läuft zum Fenster.
„Mach ma low, Alter“, Simon sieht ihn skeptisch an.
„Sorry Simon, aber ich brauch jetz echt ma meine Ruhe. Wir sehn uns.“

Verwirrt verlässt Simon die Wohnung und lässt Jonas in seinem Elend zurück. Jonas kriecht in sein Bett, in dem er – die Augen starr zur Decke gerichtet – für die nächsten sechs Stunden reglos liegen bleibt.
Sechs Tage, sechs Stunden und sieben Minuten später:

„Noch ´n Gläschen Schampus, Süße?“ Marco und Marina genießen ihr Fünf-Gänge-Menü auf dem Balkon ihrer Luxussuite unter dem sternenklaren Himmel Fuerte Venturas. Marco prostet soeben seiner Angebeteten zu und lächelt verführerisch. Er legt seine Hand behutsam auf ihre und stutzt: „Nanu, hat mein Herzchen seinen Ring verlegt? Hoffentlich hab ich auch wirklich deinen Geschmack damit getroffen, denn er soll ja schließlich ein Leben lang deine zarten Finger zieren … Was meinst du, würde er mir – etwas größer versteht sich – auch stehen?“.

Er schaut ihr tief in die Augen, streicht sanft über ihre Wange und fährt mit seinem Finger über ihre samtweichen Lippen. Langsam schließt er die Augen und beginnt sie zärtlich zu küssen. „Du machst mich so glücklich, Marina. Du darfst nie mehr von mei-ner Seite weichen … darf ich diesen Kuss als Siegel unserer Verlobung verstehen?“ Siegessicher hält er ihre Hand festumschlossen. Völlig perplex sieht Marina in Marcos verklärtes Gesicht und zieht ihre Hand erschrocken zurück. „Versteh mich nicht falsch“, sie senkt den Kopf, „es ist sehr schön mit dir. Du bist so aufmerksam und großzügig. Aber ich brauche noch ein wenig Zeit. Die Woche hier mit dir war fantastisch, aber Würzburg ist eben nicht Fuerte Ventura … . Wenn wir morgen wieder zu Hause sind, muss ich erst mal alles verdauen. Es ist ganz schön viel auf einmal.“
„Es ist wegen Jonas, oder?“
„Nein, nein. Der kann dir nun wahrlich nicht das Wasser reichen. Es geht um mich. Lass mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich werde jetzt erst mal ein Bad nehmen.“ Mit diesen Worten verschwindet Marina in die Suite und schließt die Badezimmertür hin-ter sich ab. Benommen von Champagner und Marcos Avancen lässt sie sich ins heiße Wasser sinken.

Das heiße Wasser rinnt über Jonas Körper. Er stellt die Brause ab und tappt tropfend zum klingelnden Telefon. „Ja? – Simon! Ja, ich leb noch – Hab ich mich halt ma ´ne Woche nich gemeldet, und? Sind ja schließlich nich verheiratet, oder? – Was? Wieso das denn? – Andis Geburtstag, hmm…ich weiß nich. Muss ich? – Ja ja, ich hab ja keine andre Wahl, kann ja auch nich schaden, ma wieder menschliche Wesen zu Gesicht zu bekommen. Also Boot. – Bis morgen.“

Der Main und die Sterne glitzern um die Wette, Jonas steht auf der Brücke der Deutschen Einheit und beobachtet das rege Treiben auf und vor dem Boot aus sicherer Entfernung. „Scheiße, ums da heut auszuhalten muss ich mich wirklich gewaltig abschießen. Warum krieg ich die Frau nicht aus dem Kopf?“
„Hallo Jonas.“
Ruckartig dreht sich Jonas um.
Fassungslos blickt er sie an. „Marina?!“
„Wie geht’s dir?“, unsicher lächelt Marina ihn an.
„Wies mir geht?! Super, wundervoll, ging mir nie besser. Und selbst?“, bitter sieht er zu Boden, er schafft es nicht, ihr in die Augen zu schauen.
„Schön, dich zu sehen, ich …“, Marinas Stimme zittert. Jonas hebt den Kopf und starrt sie an, doch Marina kann seinem Blick nicht standhalten. „Ich, ich…“, sie gerät ins Stocken, „ich muss weiter.“
Eiligen Schrittes entfernt sie sich.
Still und stumm steht Jonas starr. Er fühlt eine unbändige Wut in sich aufsteigen. „Verdammte scheiß Fotze. Nich ma ne Erklärung bringt se über die Lippen. Soll se doch mit ihrem Macker im Geld ersticken.“

„Noch zwei doppelte Tequila, bitte.“, Jonas überreicht der hübschen Maid neben sich den mittlerweile dritten Kurzen und zieht sie anschließend auf die Tanzfläche. Sofort schmiegt sie sich an ihn und beginnt, eindeutige Bewegungen in ihren gewöhnungsbedürftigen Tanzstil einfließen zu lassen. Jonas lässt sie gewähren. Nach einem ausgiebigen und doch sehr heftigem Tanzintermezzo wanken sie Arm in Arm Richtung Tür zum Freideck. Während seine Eroberung ihn kichernd über die durchaus absur-den Bettgewohnheiten ihres (Ex-)freundes aufklärt, reißt Jonas schwungvoll die Tür auf und traut sei-nen Augen nicht.

Vor sich Marco und Marina.
Neben sich die Maid.

Schockiert hält Jonas inne.

Entsetzt sieht Marina ihn an.

TEIL9:

Die Maid: „Weahsn daas?“
Marco: „Ach was. Hat sich der kleine Pisser auch endlich ne Schnickse geangelt. Hat wohl schon etwas zu tief ins Glas geschaut. Bisschen billig, oder?“
Die Maid: „Wiee biddäh? Weahs billig, hä?“
Marco: „Nur die Ruhe, Süße. Das sollte dich nun wirklich nur peripher tangieren. Kümmer dich lieber um deinen Romeo.“
Die Maid: „Biss ja nua neidisch weillich ne viiehl gailare Numah binnals ds Püppchen dain dein Arm. Die Alde heult ja fast.“
Marco: „Meine Verlobte ist lediglich ein wenig durch den Wind.“
Marina dreht sich um. Sie lehnt sich an die Reling und trinkt ihren Cocktail in einem Zug leer.
Jonas dreht sich weg. Er geht durch die Tür und verschwindet ins Mitteldeck.
„Einen doppelten Tequila, bitte.“

Zwei Wochen später:
Hunderte von Kerzen tauchen den Raum in gedämpf-tes Licht. Der Duft aus einem Dialog von Lammragout und Trüffelrisotto durchzieht die von Klavierklängen geschwängerte Luft. Fa-milie von Hartenstein, in deren trautem Kreise Marco mittlerweile fest integriert ist, sitzt unter dem Weihnachtsbaum, der in seiner vollen Pracht erstrahlt. Gernot von Hartenstein lässt sich soeben auf dem Klavierschemel nie-der, stimmt voll feierlicher Stimmung „Stille Nacht“ an und fordert seine Familie auf, mit ihm den Festgesang zu zelebrieren. Fröhlich frohlockend wird der Tradition gebührend gefrönt und anschließend versammelt sich der gesamte Clan um den Berg aus rotem und glitzerndem Geschenkpapier. Nicht zu vergessen, mit perlenbesetzten Sternchen-Schleifchen.
„Mara, Darling, dieses Jahr habe ich mir etwas ganz Besonderes für dich einfallen lassen.“, Gernot überreicht seiner Gemahlin ein güldenes Päckchen.
„Oh Gernot, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen.“, sie gibt ihm einen zärtlichen Kuss und legt sich das funkelnde Diamantencollier um. „Marina, Marco, packt doch mal euer Geschenk aus!“
Marco wirft Frau von Hartenstein einen wissenden und zugleich wohlwollenden Blick zu. „Nein!“, Marina fällt ihrem über alles geliebten Vater um den Hals. „Papi, du bist der Größte!“, doch ihre Augen lassen Zweifel erkennen.
„Wir haben extra das Rosenthalservice aus dem Jahre 1953 bestellt. Hoffentlich passt es dann auch in eure Küche. Es ist wirklich zauberhaft, nicht wahr?“, Mara lächelt.
„Zauberhaft? Es ist fantastisch. Doch nicht so fantastisch wie die Tickets. Hast du gesehen, Marina? Wir fliegen nach Mailand! Die Modewelt wird unseren Kreationen zu Füßen liegen. Die Fusion der Häuser Gucina Berghäuser von Hartenstein wird grandios.“
„Ach?“, Gernot blickt fragend in die Runde, „steht der Termin für die Hochzeit etwa schon fest?“
„Nein, nein“, Marina lenkt hastig ein, „ich meine, natürlich wollen wir heiraten, aber zunächst sollte ich doch mein Studium beenden.“ … ,und vor allem die Sache mit Jonas. Könnte ich doch nur diesen Anblick vergessen. Er und diese Schlampe Arm in Arm auf dem Boot … `
„Selbstverständlich, mein Goldschatz“, Herr von Hartenstein lächelt seine einzige Tochter gütig an. „Jetzt genießt erst mal die Modenschau in Mailand.“
„Welch schönes Weihnachtsfest“, Frau von Hartenstein lächelt verzückt und legt eine kunstvolle Pause ein. „Auch ich habe eine frohe Botschaft für euch … ich erwarte ein Kind!“
Marina blickt verwundert drein.
Marco hält inne.
Gernot versteinert.
Er erhebt sich und geht in die Küche. Frau von Hartenstein sieht verunsichert von einem zum anderen. „Das hat er wohl nicht erwartet. Nunja, ihr entschuldigt mich kurz, ich sehe mal nach dem werdenden Vater. Und in ein paar Minuten genießen wir zusammen eine köstliche Zitronentarte“, mit diesen Worten folgt sie ihrem Mann und lässt Marina und Marco verdutzt zurück.
„Also so was. Hätte nicht gedacht, dass ich mit mei-nen 21 Jahren noch ein Schwesterchen bekomme … . Oder ein Brüderchen.“
„Das ist doch wunderbar! Deine Mutter ist doch noch blutjung. Gerade mal zwanzig Jahre älter als du, sieht noch aus wie das blühende Leben und wenn sie nicht verheiratet wäre, würde sie die Männer bestimmt reihenweise um den Verstand bringen. Ich denke, wir sollten auf dein Geschwisterchen anstoßen. Was meinst du? Soll ich eine Flasche Champagner mit runter nehmen?“
Marina, völlig verwirrt, nickt geistesabwesend und begibt sich mit Marco in ihr schmuckes Apartment, das ihre Eltern eigens für sie auf dem Hartensteinschen Anwesen, mit allem was einer jungen Frau bedarf, eingerichtet haben.

Ein einziges Teelicht soll der weihnachtlichen Stimmung genügen. Der Geruch von leicht verbrann-tem Weihnachtsbraten durchzieht den von „Under the bridge“ geschwängerten Rauch. Jonas steckt sich einen weiteren Joint an und betrachtet skeptisch das kokelige Etwas in seinem Ofen. „Das ist also Weihnachten. Ich, meine missratene Gans und mein Gras. Sagenhaft. Könnte nicht besser sein. Verdammt, wieso kann ich nicht wieder sieben Jahre alt sein und Mamas selbstgebackene Plätzchen schna-bulieren? Hoffentlich geht es ihr gut da oben. Mein Gott, Mama, warum musstest du uns so früh verlassen?“, Jonas schaut aus dem Fenster zu den Sternen und drückt seine mittlerweile vierte Dosis an sti-mulierenden Gewächsen im Aschenbecher aus. Sein Blick fällt auf das Telefon. „Soll ich ihn anrufen? Scheiße, er meldet sich ja auch nicht. Hockt wahrscheinlich wieder total besoffen vorm Fernseher. Großartiger Vater. Naja, war er ja schon immer.“, Jonas rümpft angewidert die Nase. „Verdammt. Jetzt ist mir auch noch mein Weihnachtsessen verbrannt. Ich sollte es einfach lassen.“ Jonas schaltet den Ofen aus, zieht sich seine Jacke über und macht sich, in der Hoffnung die schöne Maid zu treffen, auf den Weg gen Boot. „Das Fest der Liebe…. Wenns die schon nicht sein soll, dann wenigstens ein kleines bisschen Freude… .“

„Was für eine Freude! Wo hast du diese Dessous bloß entdeckt?“ Marina zieht begeistert schwarze Spitzen Slips aus einem mit reichlich Tüll versehenen Paket.
„Für dich nur das Beste, mein Schatz“, Marco lächelt triumphierend. „Wie wärs, wenn du mir die neue Kollektion von Victorias Secrets gleich mal präsentierst?“
Mit einem süffisanten Lächeln verschwindet Marina Richtung Badezimmer. Kurz darauf erscheint sie wieder, in einem Hauch von Nichts. Zitternd bewegt er sich auf sie zu. Benommen von ihrer Schönheit kann er seinen Augen kaum trauen. Vorsichtig berührt er ihre Wange, sein Blick aber haftet fest auf ihren festen Brüsten. Sie sieht ihn an, verfolgt das Spiel seiner kräftigen Muskeln, seine enganliegenden Boxershorts betonen seinen durchtrainierten Körper. Langsam streift er den Brillianten besetzten BH –Träger von ihrer zierlichen Schulter. Schnell und immer heftiger atmend sinken sie in die dunkelroten Satinlaken. Victorias Secrets verschwinden unter dem Bett, die feingerippte Boxershorts gesellt sich dazu. Marinas schlanke Schenkel schwingen sich um Marcos Hüften. Sachte aber bestimmt umschlingt er sie, zieht sie an sich. Sie ist sein. Er hält sie fest, seine Lippen wandern über ihren Körper. Er sieht sie an, seine Hände streichen über ihre samtweiche Haut. Mit verzerrtem Gesicht lässt Marina ihn gewähren, gibt sich dem Rausch hin und erreicht laut stöhnend den Höhepunkt. Benommen schließt sie die Augen: ,Unglaublich. Wie schön, wie entrückend … wie geil. So gut war es schon lange nicht mehr. Aber dennoch war es nicht perfekt. Es fehlt … Hör auf an ihn zu denken, Marina. Jonas ist für dich gestorben.`

„Das kann nicht sein. Ich kann es nicht sein. Ich kann nicht der Vater sein!“, Herr von Hartenstein starrt auf den Rest Scotch in seinem Glas.
„Wie bitte?“, seine Frau verteilt apathisch die Zitronentarte auf die Teller. Gernot blickt von seinem Scotch auf. „Ich, meine Liebe, habe mich vor gut drei Jahren sterilisieren lassen.“
Die Tarte fällt zu Boden. Mara stockt der Atem. „Wie sterilisieren?“
„Du hast schon richtig gehört. Ich bin nicht der Vater. Mit wem zum Teufel hast du gefickt?“
„Ich… was denkst du von mir? Ich…“, Frau von Hartenstein bricht in Tränen aus. „Ich wollte das doch nicht.“
„Mit wem?“
„Es ging alles so schnell. Glaub mir, ich wollte es nicht. –
Marco.“

TEIL 10:

Gernot stürmt aus der Küche, schlägt die Tür hin-ter sich zu und rast die Treppe hinunter, gen Appartement. Dort reißt er seinen Widersacher wutentbrannt aus dem Schlaf. Marco schreckt hoch und wirft sich, wohlwissend, worum es Herrn von Hartenstein in diesem Moment geht, seinen Satinbademantel über. Nach einem kurzen Blick auf die schlafende Marina folgt er dem aufgebrachten Gernot ins Kaminzimmer.
„Du Mistkerl, du egoistischer Bastard, was fällt dir ein, meine Frau zu verführen und mein Kind derart zu hintergehen. Am Liebsten würde ich dich raus-schmeißen und dir nie wieder…,” erschöpft lässt er sich in den ledernen Lehnstuhl sinken, holt eine Havanna aus dem selten verwendeten Etui und nimmt einen tiefen Zug.
Verloren steht Marco im Raum und ringt nach Worten. Doch außer dem Knistern des Kamins herrscht für einige Minuten eisige Stille.
Gernot greift abermals in das Etui und reicht Marco zögernd aber bestimmt eine Zigarre. Ohne ihm in die Augen zu sehen fordert er ihn auf, sich zu setzen. Unbeholfen setzt Marco zu seiner Verteidigung an, doch Herr von Hartenstein fällt ihm ins Wort.
„Versuch nicht, etwas zu sagen, es würde sowieso nichts nutzen, was geschehen ist, ist geschehen.”
Marco blickt zu Boden. Gernot sieht ihn kalt an und atmet tief ein.
„Ich denke, wir sollten das zum Wohle aller Betei-ligten klären und die Frauen außen vor lassen. Ich möchte, dass Marina glücklich wird, das sollst du wissen. Sie bedeutet mir alles. Mehr noch als meine Frau. Deshalb habe ich mich entschieden, Marina nichts zu sagen. Jedoch nur, solange du auf meine Bedingungen eingehst. Sie liebt dich und ich möchte, dass du sie glücklich machst. Du wirst ihre Zukunft sichern, was natürlich die Fusion und somit eure Hochzeit beinhaltet. Also”, Gernot sieht Marco zum ersten Mal direkt in die Augen, „wann wirst du ihr den Antrag definitiv machen und mir dadurch ein Datum für den Beginn eurer Ehe nennen können?”
Marco kann seinen Ohren kaum trauen und nickt hastig.
„Natürlich Gernot, äh Herr von Hartenstein, sobald wie nur irgend möglich. Ich denke, Silvester würde den geeigneten Rahmen dafür bieten.“
„Gut”, Gernot erhebt sich und weist Marco den Weg nach draußen, „ich denke wir haben uns verstan-den.“ Marco verlässt erleichtert den Raum und lässt Gernot in seiner fatalen Lage zurück.
,Warum?’ Gernot blickt verzweifelt ins Feuer. ,Hoffentlich werde ich diesem Kind die gleiche Liebe entgegenbringen können, die ich Marina geben konnte. Doch das Schlimmste ist, ich werde meine Tochter ein Leben lang belügen müssen.’

„Ich verschwinde dann mal kurz ins Bad, ich werde dir etwas bieten, was du noch nie erlebt hast.”, die Maid trippelt von dannen.
Jonas lässt sich in die Kissen sinken. ,Vielleicht hätte ich vom Boot gleich heimgehen sollen…mal sehen, was diese schöne Maid mit mir vorhat.’ Gespannt nimmt er einen tiefen Schluck aus der Jackie Flasche. Die Tür öffnet sich. Im Türrahmen erscheint die Maid. „Mein Gott!”
Das Bild, das sich vor seinen Augen auftut übertrifft alles, was er jemals zu Gesicht bekommen hat.
Von Kopf bis Fuß in Lack und Leder gekleidet, bietet sie ihm, vom schwarzen Push-up Korsett bis zu Spitzenstrapsen und Stiefeln, das Paradebeispiel eines verruchten Weihnachtsengels inklusive Heiligenschein, der in seiner schwarzen Pracht über ihrem Kopfe thront. Allein die Peitsche in ihrer Hand berei-tet ihm etwas Sorgen. Mit harschem Schritt stiefelt sie auf ihn zu und wagt mit ihren Smokey Eyes einen lasziven Augenaufschlag.
„Warst du auch immer brav mein Süßer?” Sie beugt sich über ihn. „Darf ich dich ans Bett ketten?”
Jonas weiß nicht wie ihm geschieht, als die Maid ihn gekonnt an die Bettpfosten fesselt. Ekstatisch reißt sie sich ihren Spitzenstring vom Leib und macht sich daran, seine Hose aufzuknöpfen.
Dominant schwingt sie ihre Peitsche.
Entsetzt reißt Jonas die Augen auf.
„Sei mir nicht böse, aber……. ich glaube das ist mir jetzt doch etwas zu viel.”
„Das ist doch erst der Anfang, du wirst es mögen, glaub mir, der Schmerz ist geil, genieß es einfach.”
„Das kann ich mir schon vorstellen, du machst das sicher sehr, äh überzeugend, aber ich bin zu müde, muss morgen früh raus, du weißt schon, Weihnachtsessen bei der Verwandtschaft und so.”Enttäuscht löst die Maid die Fesseln. „Na gut, wie du willst. Doch du entkommst mir nicht, spätes-tens an Silvester werde ich dich in meine Welt einführen.” Sprach’s und entlässt Jonas in die Freiheit.

„Kaffee, Espresso, Latte?“, Frau von Hartenstein schiebt sich durch Marinas Tür. Marina blickt schlaftrunken in das Gesicht ihrer Mutter. „Marco? Mama? Was?“
„Na Schätzchen, gut geschlafen? Ich hab französisches Frühstück gemacht.“
„Wo ist denn Marco?“
„Der hat schon gefrühstückt. Musste früh raus. Geschäftstermine, du weißt schon…“
„Hä, am ersten Weihnachtsfeiertag? Naja…“, Marina reibt sich die Augen und schlüpft in ihren seidenen Morgenmantel. „Ähm, Kaffee, schwarz bitte.“

Mara schenkt ihrer Tochter mit einem Lächeln das schwarze Gebräu in die Tasse. „Was hat Marco dir denn geschenkt, Schätzchen?“
„Die neueste Kollektion von Victorias Secrets.“
„Wirklich?“, Mara tut erstaunt. „Die habt ihr dann wohl gleich getestet, nicht wahr?“, sie zwinkert ih-rer Tochter verschwörerisch zu. Marina geht nicht darauf ein.
„Was war denn gestern eigentlich mit Papa los?“, sie bestreicht ihr Croissant mit Erdbeermarmelade.
„Ach“, Frau von Hartenstein rührt scheinbar konzentriert in ihrem Kaffee.
„Er war nur etwas erstaunt über die späten Vaterfreuden, aber schließlich war er doch sehr glücklich über dein künftiges Geschwisterchen.“, erwartungsvoll blickt die Mutter Marina an.
Marina zögert: „Es kam schon etwas überraschend… Aber ich freue mich natürlich sehr. Wisst ihr denn schon, was es wird?“
„Nein, dazu ist es noch zu früh. Was hälst du denn davon, wenn Marco und du Paten werdet?“
„Ich glaube, ich muss das Ganze erst mal verdauen, aber natürlich sagen wir nicht nein.“ Marina beißt in ihr Croissant.

Eine Woche später:
„Das ist doch super aufregend, findest du nicht?“, Marco schmeißt seinen Rucksack über den Zaun und schickt sich an, diesen zu erklimmen. Marina, weitaus weniger enthusiastisch, versucht es ihm gleichzutun. Schließlich landen beide wohlbehalten im wohligen Solebecken des Adamis.
„Wie romantisch, dass du so ein Draufgänger bist, hätte ich nicht gedacht. So was hab ich noch nie gemacht.“
„Bier?“, Marco streckt ihr freudig erregt eine Flasche entgegen. „Jetzt sind es noch genau drei Stunden bis zum neuen Jahr.“
,Nachts ins Schwimmbad einbrechen. Bier. Mein Gott, scheint das lang her zu sein, als ich das erste Mal Bier getrunken habe. Mit Jonas. Was er wohl gerade tut?
Marco durchbricht Marinas Gedanken: „Trägst du eigentlich meinen Ring noch?“
„Natürlich.“, Marina reicht ihm ihre Hand.
„Ich denke, es ist langsam an der Zeit, die Verlobung zu besiegeln.“
Vorsichtig steckt Marco Marina einen goldenen Ring an den Finger.
„Was meinst du? Wäre der erste Mai nicht der goldrichtige Termin für uns beide?“
Das Szenario schießt in wilden Bildern durch Marinas Kopf. ,Ja sagen. Marco. Für immer lieben. Liebe? Natürlich ist Marco perfekt. Aber werde ich es schaffen, dieses unbeschreibliche Gefühl zu Jonas zu unterdrücken? Ja, ich werde. Ich muss …`
„Ich will.“

„Bin gleich wieder da, mein Schatz. Muss das Feuerwerk in seiner vollen Größe bewundern.“, Marco drückt seiner Zukünftigen einen freudigen Kuss auf
den Mund und verschwindet im Gedränge, während Marina, aus Angst vor den Feuerwerkskörpern, an die Mauer gelehnt zurück bleibt. ,Wären wir doch bloß im Schwimmbad geblieben. Dieses Tohuwabohu an der Uni macht mich wahnsinnig. Und von dem ach-so-schönen Ausblick am Hubland hab ich ohnehin nichts.`
Gedankenverloren lehnt sich Marina an die Wand. ,Fast zwölf. Hmm … eigentlich sagt der Brauch, man solle um diese Zeit denjenigen küssen, den man liebt. Wo bleibt er denn bloß?`

,Wo bleibt bloß die Maid?`, Jonas sieht sich suchend um, kann jedoch in der Dunkelheit und dem Gedränge nichts erkennen. ,Wird wohl nichts mit dem
klischeehaften Kuss um zwölf…`

Laut läuten die Kirchenglocken den Beginn des neuen Jahres ein. Leise hört Marina eine Stimme an ihrem Nacken. „Darf ich dich küssen?“
Marina schließt die Augen. Langsam dreht sie sich um. Sie küssen sich.
Das Gefühl, das sie durchströmt ist überwältigend.
Sie öffnen die Augen.
Sie erstarren. Perplex starren sie sich an. Doch Augen sagen mehr als Worte. Abermals siegt das Gefühl, das sie bannt:
Ein Kuss…

TEIL 11:

Ich erstarre. Perplex starre ich ihn an. … Abermals siegt das Gefühl, das mich so bannt. Seine Lippen schmiegen sich samtweich an die meinen. Gleißendes Licht. Hitze. Es ist überwältigend. Es ist viel zu stark. Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhh
Ihr eigener Schrei holt Marina zurück in die Realität. Schweißgebadet wacht sie in ihren güldenen Satinlaken auf. „Oh Gott, Jonas. Warum träume ich es immer wieder? Warum bin ich an Silvester wegge- rannt?“

„Guten Morgen mein Goldstück“, flötet Frau von Hartenstein. Marina tapst schlaftrunken zum Kühl-schrank, während ihre Mutter dämlich grinsend an der Theke lehnt und zärtlich ihren Bauch streichelt. „Sieh mal mein Kind, das erste Ultraschallbild von dem kleinen Leben unter meinem Herzen. Kannst du die kleinen Ärmchen erkennen? Nun sag schon? Ich bin wahrhaft hin und weg.“ Mit dem entzückten Blick einer werdenden Mutter reicht Frau von Hartenstein ihrer Tochter das Foto. „Oh wie reizend!“ In Gedan-ken noch in ihrer jonasschen Traumwelt nickt Marina ihrer Mutter kurz zu und greift nach der Buttermilch.

Ich erstarre. Perplex starre ich sie an. … Abermals komme ich nicht gegen das Gefühl an, das mich so bannt. Es ist zu viel. Ihre Lippen. So schön….
Verwirrt schreckt Jonas auf und sitzt kerzengerade im Bett. „Fuck. Jetzt sind schon Wochen vergangen seit ich sie das letzte Mal an Silvester gesehen hab und die Frau beherrscht noch immer meine Träume. Warum ist sie nach diesem Kussfeuerwerk bloß weggerannt?“ Sein Blick schweift zur Seite.
„Wasn los?“ Die Maid tastet schläfrig nach sei- ner Straße zum Glück und tut das, was sie am Besten kann…

„Juanita hat wieder ein fabelhaftes Sieben-Gänge- Menü gezaubert. Genau das, was unserer silbernen Hochzeit gebührt, nicht wahr Gernot?“ Frau von Hartenstein schlürft genussvoll ihre Austern und blickt selig in die Runde.
„Wie Recht du hast Mutti, unsere Juanita ist ein Schatz und die Austern sind Jahr für Jahr ein Gaumenschmaus.“ Marina lächelt ihren Eltern zu. Gernot hängt gebannt an den Lippen seiner einzigen Tochter, nostalgisch schwelgt er in Erinnerung an bessere Zeiten. „25 Jahre sind es nun, dass deine Mutter in der Hochzeitsnacht mit dir schwanger ward…“
„HELAU, meine Lieben!“ Marco stürmt etwas beschwipst ins Dinnerzimmer, „Leider reicht meine Zeit nur für ein schnelles Gläschen Schampus, ihr Je-cken, denn ich muss gleich weiter in die Bütt, aber zuvor möchte ich euch beiden selbstverständlich noch meine herzlichsten Glückwünsche zu eurem silbrigen Jubiläum aussprechen.“ Er gibt Marina einen feuchten Kuss und kippt den Schampus intus. „Prost!“, Marco nickt Gernot flüchtig zu und so schnell er kam, ist der als Pimp verkleidete, Goldketten verzierte Marco auch schon wieder weg. Kopfschüttelnd sehen sich die Hartensteins an. Der Eine verärgert, die Andere verzückt und die Jüngste verwirrt.
„So, bis der Nachtisch aufgetischt wird, lass ich meine beiden Damen mal alleine und genieße meine wohlverdiente Zigarre im Stillen.“ Gernot verlässt den Raum. Nachdenklich lässt er sich in seinem Ka-minzimmer in den ledernen Sessel sinken. ,Oh Marina, wie kannst du diesen Menschen nur so vergöttern? Nichts gibt es, was ich mir sehnlicher wünsche, als dein Glück, und wenn du es möchtest auch mit Marco. Doch noch mehr wünsche ich mir, dass eines Tages vorm Altar der Mann neben dir stünde, der dich von ganzem Herzen liebt, dich völlig ergänzt und bis an dein Lebensende glücklich macht. Still blickt Gernot durch die beschlagenen Scheiben in den frühlingserwartenden, sprießenden Garten.

Zu mitternächtlicher Stunde am Röntgenring:
Ob Janine schon da ist? Mal sehen, werd mal aufs Mitteldeck schauen, aufm Boot findet man sich schon…. Hhhhhhhhh! Marina bleibt wie angewurzelt an der Ampel stehen. Schwarze Jacke, Wuschelkopf, Jonas! „JONAS!“
Die Stimme, die keiner anderen gleicht, ihre, Marinas Stimme, treibt Jonas dazu, sich mitten auf der Straße umzudrehen. Die Maid versucht ihn zurück zu reißen, doch vergeblich.
Ein Knall. Plakate fliegen. Jonas liegt.
Ein langhaariger, barfüßiger Mensch sammelt entsetzt sein Rad und seinen Hausrat auf und beugt sich zu dem regungslosen Jonas nieder.
Die Maid steht ratlos daneben.
Marina ist der Ohnmacht nahe.
Jonas liegt leichenblass auf dem schwarzen Asphalt.
Ein paar Momente später braust der Krankenwagen heran und Dr. Ross blickt übermüdet auf eine ihm wohlvertraute Szenerie. „Ein Fahrradunfall, was haben wir denn da? Oha, einen verletzten Jüng-ling. Nana, nun fangens mal nicht zu weinen an, sieht schlimmer aus als es ist, der Junge erholt sich schon wieder. Wer von den beiden Damen möchte ihm denn Beistand leisten und ihn im Krankenwagen begleiten?“
Marina und die Maid sehen sich in die Augen. Jonas Augen auf der Bahre blicken glasig und voller Sehnsucht zu Marina, doch seine Worte sprechen Bände. „Die Maid.“
Mit triumphierendem Blick stolziert die Maid in den Wagen, die Türen schließen sich und der Krankenwagen braust von dannen. Verloren steht Marina an der Kreuzung und weiß weder zu denken noch zu handeln. ,Was hab ich nur getan? Reicht es nicht, dass ich sein Herz gebrochen habe? Jetzt trage ich auch noch die Schuld an seinen körperlichen Gebrechen.’

Frau von Hartenstein schenkt ihrer lethargischen Tochter einen doppelten Espresso ein. „Du siehst so trübselig aus, Schätzchen. Solltest du nicht vor Glück strotzen, wenn du gerade deine Hochzeitseinladungen schreibst?“
Marina nimmt den Stapel der mit Herzchen verzierten Einladungskarten entgegen und greift nach einem goldenen Stift. „Ja, natürlich freue ich mich Mama, es sind ja nur noch drei Monate, bis wir den Bund der Ehe eingehen. Bekommt Kurt Radl eigentlich auch eine Einladung?“ Müde blickt Marina ihre Mutter an, in Gedanken jedoch befindet sie sich noch immer beim nächtlichen Unfall. ‚Wie es ihm wohl geht? Ich wünschte, ich bekäme ein kleines Lebenszeichen von ihm.’
RIIIING,RIIIING!!!!!!!!!!
Marina springt auf und rennt zum Telefonapparat.
„Marina?“
„Ja, das bin ich.“
„Einen schönen guten Morgen, hier spricht Dr. Ross…“
„Dr. Ross, wie geht es ihm, kann ich ihn sehen, ist er schwer verletzt?“
„Beruhigen Sie sich junge Dame, seine Verletzungen sind nur halb so wild, doch ich muss ihnen leider mitteilen, dass ihr Jonas morgen nach Japan verlegt wird. Wir haben bei einer Routineuntersuchung die neuartige und kaum erforschte Krankheit, Enkephalitische Pichtomegalie, bei ihm festgestellt und die einzige Chance auf Heilung besteht in Japan. Bis jetzt wurden erst 100 Patienten therapiert, nicht immer erfolgreich, aber wie gesagt, die Therapie gibt es nur in Japan. Jonas wünscht sie noch ein letztes Mal zu sehen, bevor er die weite Reise auf den fernöstlichen Kontinent antritt.“
Marina lässt das Telefon fallen.

Völlig außer sich betritt Marina eine halbe Stunde später das sterile Krankenzimmer. Jonas und Marina starren sich wortlos an. Minuten vergehen, ohne dass Worte ihre Lippen verlassen.
„Ich, ich…ich muss gehen, Marina.“ Jonas setzt sich langsam auf.
„Jonas, es tut mir so leid.“ Marina nimmt seine Hand in die ihre, eine Träne rinnt ihre Wange hinunter.
„Du kannst nichts dafür, bevor ich gehe, möchte ich nur noch eines wissen Marina……WARUM?“

„Ja, warum nur?“ Marina sitzt aufgelöst vor dem flackernden Bildschirm auf dem sich Windows langsam in Pixel auflöst und sackt nach stundenlanger Recherche nach Enkephalitischer Pichtomegalie hilflos in sich zusammen.
‚Verdammt, dieses Internet hat mich mal wieder keinen Schritt weitergebracht. Japanische Therapie, was für ein Wahnsinn. Wieso nur diese Krankheit? Wieso Jonas? Nur 50% Chance auf Genesung. Was soll ich nur tun? Oh, Jonas!’
Marinas Gedanken drehen sich im Kreis, sie sieht keinen Ausweg.
Müde und doch schlaflos deckt sie sich zu und hält krampfhaft ein Kinderbuch in ihren Händen. Der Ablenkungsversuch schlägt zwar fehl und doch findet Marina bei Heidi in den Bergen die einzig wahre Lösung. Der Besuch Heidis bei Klara in der Großstadt ist ein Schock für sie. Klara ist gelähmt. Nichts, keine Therapie, konnte ihr je helfen. Nur Heidis lebensbejahende Art, ihre Freude,…..ihre Liebe konnte sie heilen.
‚Jonas, du brauchst mich, du brauchst meine Liebe.’

TEIL 12:

„Guten Morgen Liebling“, Mara von Hartenstein lässt soeben die vollautomatische Kaffeemaschine silbernen Designs an und stellt zwei Tassen darunter. „So wie immer, mit aufgeschäumter Milch?“ Sie bindet ihren champag nerfarbenen Satinbademantel ein Stück fester um die mittlerweile etwas breiter gewordenen Hüften und sieht ihre Tochter fragend an. „Ja, danke.“ Marina lässt sich an der gedeckten Frühstückstafel nieder und stützt das hübsche Gesicht, welches heute tiefe Ränder unter und geschwollene Lider an den Augen aufweist, in die Hände.
„Bitte sehr.“ Ihre Mutter stellt ihr eine dampfende Tasse vor die Nase und setzt sich, ohne auszulassen, sich vorher noch einmal über die kleine Wölbung ihres Bauches zu streichen. „Marco wollte auch gleich kommen…. Oh, das wird er sein.“ Mara folgt dem Klingeln zur Tür und öffnet Marco.
„Guten Morgen die Damen!“ Frisch und fesch – diesmal mit rosa Hemd – wie eh und je stürmt der aufstrebende Unternehmer in die Küche und packt die noch warmen Croissants aus. „Meine Güte, kaum ist meine gelungene Bütt und die famose Karnevalszeit vorüber, gibt es schon wieder bunte Eier beim Bäcker. Wahrhaft, man kann nicht klagen. Es gibt immer was zu feiern, nicht wahr, Schatz?“ Er setzt sich zu Tisch und gibt Marina einen Kuss auf die Stirn. „Was ist denn los, Schnuffelsuse? Bekomm ich keinen Gutenmorgenkuss?“ Er blickt seine Zukünftige, die ihren Kopf noch immer hinter den Händen verborgen hält, an.
„Tut mir leid.“ Marina sieht ihn an und wirft achtlos zwei Zuckerstückchen in ihren Kaffee. „Ich hab nicht gut geschlafen.“ Sie nimmt einen tiefen Schluck des schwarzen Gebräus.
„Na, nun iss erst mal was.“ Marco beißt herzhaft in sein Croissant, ohne Marinas miserables Aussehen zu bemerken.
„Ich glaub, ich krieg nichts runter. Ihr entschuldigt mich.“ Marina steht auf und verlässt das Frühstückszimmer. Kurz darauf erscheint sie wieder in voller Montur samt Rucksack und Sonnenbrille. „Ich muss weg, bitte fragt nicht, ich habs eilig. Ich melde mich.“ Mit diesen Worten verlässt Marina überstürzt die hartensteinsche Villa und lässt Mara und Marco verdutzt zurück.

Klirrend fliegt die Vase mit den Blumen der Maid zu Boden. „Verdammte Scheiße!“ Jonas starrt wutentbrannt auf die Scherben und reißt den Schrank seines Krankenzimmers auf. Mit fahrigen Bewegungen schmeißt er seine sieben Sachen in seine Reisetasche und zieht sich an. ´Das kann nicht ihr Ernst sein. Das kann einfach nicht sein. Marina, warum tust du mir das an? Nicht mal eine Antwort kannst du mir darauf geben. Erbärmlich. Scheiße, wenn ich dich nicht so lieben würde. Ich muss hier raus. Enkephalitische Pichtomegalie, na und?! Mir geht’s prächtig, wunderbar. Es könnte nicht fabelhafter sein.` Mit einem Ruck schwingt Jonas die Reisetasche über die Schulter, zieht seine Mütze tief in die Stirn und verlässt das Krankenzimmer.
„Last call for pessengers to Tokio. Please…”
Wie von Sinnen rast Marina die Rolltreppe hinunter zum Check-in-Schalter.
„Tut mir leid, junge Dame. Wenn sie noch kein Ti- cket haben, kann ich Ihnen nun leider nicht mehr behilf-lich sein.“ Die adrett gekleidete Stewardess sieht Marina mitleidig an. „Warum haben Sie sich denn nicht früher um einen Flug gekümmert? Ts, ts… die Jugend von heute. So leichtsinnig und unbedacht.“
„Ich… ich…“, Marina schnappt atemlos nach Luft. „Ich muss zu ihm.“ „Zu wem?“
„Jonas …“
„Jonas Berg. Aha, nun ich werde mal nachsehen, ob er bei unserem heutigen Flug an Board sein wird. Moment… Nein, da haben sie Glück, Fräulein, seine Reservierung wurde kurzfristig storniert. Der Herr fliegt heute offenbar nicht nach Tokio, sie können ihn also getrost an Land aufsuchen.“
Perplex starrt Marina die Stewardess an und greift apathisch zu ihrem Handy, um das Krankenhaus anzurufen. Doch die Ärzte wollen ihr keinerlei Auskünfte geben.
„Herr Professor, bitte sagen Sie mir, was los ist. Ich gehöre quasi zur Familie. Ich bin… ich bin… Ich liebe ihn.“
„Tut mir leid, Fräulein von Hartenstein. Ich darf Ihnen keine Auskunft geben und Jonas ist momentan nicht zu sprechen. Rufen sie bitte morgen wieder an.“
Resigniert legt Marina auf, Tränen rinnen ihre Wangen hinunter, während sie ohne nach links oder rechts zu sehen zum Ausgang trottet.
„Hier haben wir uns das erste Mal gesehen. Oh Gott, Marina. Warum?“ Jonas blickt auf das trübe Wasser des Mains, in welchem sich die noch trüberen Wolken spiegeln und beginnt bitterlich zu weinen. Verzweifelt lässt er sich auf das kalte Gras fallen und sinkt schluchzend in sich zusammen.
Ein paar Meter entfernt lässt sich Marina auf die Wiese fallen. „Was hab ich nur getan? Ich liebe ihn so und doch konnte ich nicht mit ihm zusammen sein. Warum? Ach, welch glücklicher Moment es war, als wir uns hier fanden und uns das erste Mal in die Augen sahen.“
Doch an diesem Tage sehen sie sich nicht in die Augen.
Sie finden sich nicht.
12 Stunden später:
„Guten Tag, Herr Professor, ich habe gestern bereits angerufen.“ Nervös umklammert Marina die Telefongabel. „Wie geht es Jonas?“ – „Er fliegt heute Nacht?!“ Marina lässt den Hörer fallen und eilt, ohne noch einmal ihr sonst so gepflegtes Äußeres im Spiegel zu betrachten, zur Tür.

„JONAS!“ Marina entdeckt seinen Wuschelkopf, der sich umringt von zwei Sanitätern gen Terminal 2 bewegt. „Jonas, warte!“
Er dreht sich um.
Reglos bleiben sie inmitten der Menge stehen und starren sich an. Langsam bewegen sie sich aufeinander zu.
„Jonas, ich… ich komme mit dir.“
Jonas erstarrt, zitternd steht er vor ihr, ringt nach Worten. „Marina, ich… das geht nicht. Ich möchte nicht, dass du mich (nach allem was passiert ist), begleitest. Ich muss das alleine schaffen…“

TEIL 14:
Verzeih, dass ich dich nicht auf meinem
schweren Weg nach Japan dabei haben möchte. Es ist zu viel geschehen. An unserer Liebe wird sich nie etwas ändern. Doch wir werden sie nie leben können. Jonas“
Mit amüsiertem Blick legt Marco Marinas rosa Handy beiseite. „Ach Gottchen, ich schmelze dahin, ich löse mich schier auf bei solch schmachtenden Worten à la Romeo und Julia. Ich hoffe nur, ihre Liebe nimmt nicht ein ebenso tragisches Ende. Wie fatal das wäre. Obwohl? Die Fusion ist ohnehin gesichert und die wun-
dervolle Mutter trägt mein Erbgut unter ihrem Herzen. Einzig Gernot stände unserer grenzenlosen Leidenschaft dann im Wege.“ Marco wirft einen selbstgefälligen Blick in den Spiegel, um beruhigt festzustellen, dass das Zupfen seiner Brauen wohl noch einen Tag Zeit hat.

Küche. Kaffee brodelt. Marco ergötzt sich am ergiebigen Wirtschaftsteil der Main-Post. Alsdann betreten Marina und ihre Mutter die Küche. Marco blickt von seinen Studien auf, wobei sein Blick zwar auf Marina gerichtet, jedoch immer wieder Mara von Hartenstein streift. „Na, wie wars bei der Schwangerschaftsgymnastik?“ „Es war wundervoll, auch für dich, nicht wahr Schätzchen?“ Mara legt den Arm
um ihre Tochter. „Da bekommst du gleich mal mit, wie das so ist…“ Abwesend nickt Marina und setzt sich zu Marco an den Frühstückstisch.
„Apropos Nachwuchs“, die Mutter strahlt wie ein Honigkuchenpferd. „Wie sieht es mit euren Hochzeitseinladungen aus? Sind alle abge-schickt?“ „Selbstverständlich.“ Marco lächelt Mara an. „Die Zeit rennt schließlich. Bald ist es soweit. Marina und Marco Gucina von Hartenstein. Ein Fest, wie es die Welt noch nicht erlebt hat.“ Marina lächelt ebenfalls, doch ihre Augen blicken matt. „Ich verschwinde mal ins Bad.“

„Gucina von Hartenstein. Ich werde seinen Namen tragen. Ich werde mit Marco verbunden sein. Für den Rest meines Lebens. Oh Jonas, wie konnte es soweit kommen?“ Marina dreht den Wasserhahn auf, klatscht sich das kühle Nass ins Gesicht und betrachtet sich apathisch im Spiegel. „Und ich weiß nicht mal wie es dir geht. Warum will Dr. Ross keine Auskunft geben, solange du in Japan bist? Und wie lange noch? Wie lange….?“

Vier Wochen später:
Sanft ist das Klingen leiser Glöckchen zu hören, welches durch die flimmernde Luft getragen wird. Prachtvoll liegen die türkisfarbenen Kuppeln, Türmchen und Zinnen im güldenen Licht der sinkenden Abendsonne des Morgenlandes. Bezaubernd durchflutet der Duft des Blütenmeers die Parkanlagen, wo sich anmutige Wesen fallustieren und geradezu über die
Kieswege zu schweben scheinen. Auf der Terrasse des Japanese King Hospital blickt Jonas hoffnungslos auf die friedvolle Idylle. Der smarte Chimono mit den dunkelroten Blütenapplikationen auf tiefschwarzer Seide umhüllt seinen dünnen Körper. Zitternd greift er zu seinem Wasserglas und vermag es nicht zum Mund zu führen. Eine Träne rollt seine Wange hinunter als er es wieder sinken lässt. „Guten Molgen mein Liebel. Wie geht es Ihnen an diesem Abend?” Prof. Dr. Cheng Hui
schreitet wallenden Gewandes die Stufen
hinunter. Jonas blickt müde zu seinem Arzt empor und zuckt die Schultern. „Ich habe Neuigkeiten. Soeben telefonielte ich mit meinem deutschen Kollegen, um ihn übel Ihlen momentanen Zustand zu infolmielen. El teilt meine Ansicht, dass del elste Teil der Thelapie beendet ist. Del zweite Hälfte der Thelapie und somit die medikamentöse Behandlung können Sie in Ihle Heimatland, in Deutschland foltsetzen. Doch Enkephalitische Pichtomegalie ist eine schwelwiegende Klankheit. Die dauelhafte Heilung ist noch nicht gewiss.“
Jonas seufzt kaum merklich und legt den Kopf in den Nacken. „Wann?“ Prof. Dr. Cheng Hui legt seine Hand auf Jonas Schulter. „Molgen flüh welden Sie ableisen. Selbstvelständlich mit meinen besten Älzten als Begleitung.“

Jonas! Marina bleibt stehen und hält inne. Erschrocken hält sie sich am Türrahmen fest und blickt auf die grünen Parkanlagen des Juliusspitals. Singende Vögel und lachende Menschen erfreuen sich an der Hitze des Sommertages. Stumm und still betrachtet Marina das unsagbare Bild vor ihren Augen. Leichenblass sitzt Jonas inmitten des Grüns in seinem Rollstuhl. Langsam geht sie auf ihn zu. „Marina. Woher weißt du…?“ Jonas blickt kaum auf. „Dr. Ross hat mich informiert. Ich… Jonas…ich weiß nicht was ich…“ „Sag nichts. Es ist ohnehin alles zu spät. Dr. Ross war vorhin bei mir. Mein Zustand hat sich nicht verbessert. Im Gegenteil. Marina, es sind wahrscheinlich nur noch ein paar Monate…“
Jonas und Marina sehen sich an. Kein Wort berührt mehr ihre Lippen. Nichts ist zu hören, nichts ist zu spüren. Nichts als Leere. Nichts. Nichts hat mehr einen Sinn. Rein gar nichts. Marina schreit sich die Seele aus dem Leib. Sie rennt davon. Sie rennt und rennt. Und sie schreit.

„Komm mit.“ Die Sonne schickt gerade ihre ersten Strahlen aufs Land als Marina zurückkehrt. Fest sieht sie Jonas an. „Ich habe mit den Ärzten gesprochen und ich möchte, dass du mit mir kommst.“ Jonas nickt gleichgültig. Weder Erstaunen noch Widerwillen, noch Freude sind auf seinem Gesicht zu verzeichnen. Seine Mimik ist kraftlos. Ohne Leben.

Acht Stunden später:
Sie sitzen nebeneinander. Er legt seinen Kopf auf ihre Schulter. So schauen sie nach vorne. Zum Horizont. Der sich in seinem dunklen Blau kaum merklich von dem des Meeres abhebt. Die Wellen rauschen. Ab und an kommt eine stärkere Welle. Dann fühlen sie das kühle Nass an den nackten Zehen. So sitzen sie da. Einfach so. Und schauen aufs Meer.

TEIl 15:

‚Ich kann nicht mehr. Hier und jetzt einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen. Gehen, wenn`s am Schönsten ist, das letzte Bild in meinem Kopf, sie im Wasser vor der untergehenden Sonne, wie sie so anmutig in der blutroten Flut versinkt, wie sie paddelt, wie sie mir winkt, wie sie mich anlächelt…‘
Jonas lässt sich erschöpft nach hinten in den weichen Sand fallen und schließt die Augen. Sein Gedanken entgleisen ihm, er lässt sie schweifen, versucht sich nicht zu wehren, treibt davon…
„Jonas!“ Marinas Stimme dringt leise zu ihm durch. Langsam richtet er sich auf, es kostet ihn unglaublich viel Kraft. Er sieht sie. Sie kommt auf ihn zu. Tropfend setzt sie einen Fuß vor den anderen, ihr sonst so akkurater Mascara schlängelt sich in schwarzen Linien verschwommen ihre Wangen hinab. Jonas erhebt sich schwach. Sie bleibt stehen.
„Ich kann ohne dich nicht leben… dich so zu sehen… etwas in mir stirbt…“
Das Salzwasser vermischt sich mit ihren Tränen.
Er geht auf sie zu. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen. Mit jeder Spur, die er im Sand hinterlässt, kehrt ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück. Sie breitet die Arme aus, er sieht nur noch sie. Mehr und mehr kehrt das Leben in ihn zurück. Er erreicht sie, sie schließt ihn in ihre Arme. Hält ihn fest. Ein Kuss.
‚Jetzt wird alles gut, er ist wieder gesund, wir sind zusammen, wir bleiben zusammen. Für immer.‘ Marina lässt das kalte Wasser über ihren Körper rinnen und genießt das Gefühl des puren Glücks. Vergessen sind Marco und all ihre Sorgen. Würzburg ist weit weg. Alles was zählt sind sie und Jonas in dieser kleinen, windschiefen Hütte an der Nordsee. Die Dusche prasselt mit dem Regen um die Wette. Sie wickelt sich in ihr Handtuch, cremt ihre vom Salzwasser gerötetes Gesicht ein, wirft einen Blick in den beschlagenen Spiegel und betritt die Stube.
„JONAS!“
Marina erstarrt. Sie kann nicht fassen, was sie
sieht. Jonas steht mit seinem Koffer an der Tür.
„Was tust du da?“
„Ich muss gehen.“
„Aber… ich… ich dachte… wir… du kannst doch nicht einfach… ich verstehe nicht…“
„Marina ich kann nicht. Ich liebe dich. Aber es ist zu viel geschehen. Die Krankheit, Marco, du, wir, ich habe Angst. Große Angst. Zu große Angst.“
Er gibt ihr einen flüchtigen Kuss und tritt hinaus in den Sturm. Marina sackt in sich zusammen.

Der Regen zeichnet abstrakte Formen an das Fenster, der Zug rattert, Jonas beobachtet die Landschaft, wie sie immer hügeliger werdend ver- schwommen an ihm vorbeizieht.
‚Es geht mir gut. Ich habe Angst, aber es geht mir gut. Ich werde leben. Aber kann ich überhaupt leben… ohne sie?‘
Der Regen zeichnet dämonische Fratzen an das Fenster, der Wind pfeift durch die Ritzen. Marina beobachtet die stürmische See, die vor ihren Augen verschwimmt.
‚Warum nur? Jonas, wir können es schaffen. Wir haben deine Krankheit besiegt. Ich bin mir sicher. Wir lieben uns warum nur, kannst du nicht mit mir sein?‘

„Cheng Hui, Cheng Hui, etwas gänzlich unglaub-liches ist geschehen!!!!“ Dr. Ross brüllt in den Hörer, als würde er direkt mit Japan sprechen.
„Was?“ Dr. Cheng Hui trippelt aufgeregt in seinem Kimono hin und her und verschluckt sich an seinem Sushi. „Was ist? Los, Doktol Los nun sagen Sie schon!“
„Ich kann es mir nicht erklären, aber halten Sie sich fest Cheng Hui, es ist die Wahrheit:
Jonas ist geheilt!“
„DoktoR Ross! Ein WundeR, deR KeRl ist zäheR, als eRwaRtet. Das ist eine Sensation. Das kann nuR wahRe Liebe vollbRacht haben!“

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, Jonas steht auf der Juliuspromenade und wartet. Er nimmt alles um sich herum wahr. Jedes Detail wird ihm bewusst. Eisessende Kinder schmieren selbiges überall hin nur nicht in ihren Schlund, stilbewusste Teenies tragen ihr Arschgeweih inklusive Minitanga zur Schau und hormonge-steuerte Jungs in zu großen Hosen gucken hinterher, während sie verzweifelt versuchen ihre Kippe möglichst cool im Mundwinkel zu pla- tzieren. Alles beim Alten, denkt er sich und ein Lächeln huscht über seine Lippen. „Alter, Mann siehst du scheiße aus!“ Das Lächeln wird, ob dieser Begrüßung zu einem breiten Grinsen. Gut gelaunt springt Jonas zu Simon ins Auto und nimmt ein eiskaltes Distel in Empfang. „Mach ma bloß nie wieder so´n Scheiß, lass erst ma zu mir fahren und feiern, scheiß auf Enckefuckpichtowasauchimmer….Prost!“

„Sieh nur, die Füßchen, Gernot, siehst du die Füßchen, ach guck doch mal, wie süß!“ Gernot ringt sich ein Lächeln ab und wirft einen gezwungen faszinierten Blick auf das Ultraschallbild
„Ja, äh, niedlich, ist das nicht eine Hand?“
„Herr Hartenstein, meinen Glückwunsch, das ist wahrhaft das Händchen Ihres Nachkommens, ich freue mich sehr für sie, so späte Vaterfreuden sind nicht häufig.“ Frau Doktor Kopischke ahnt nicht mal im Ansatz, wie viel Salz sie soeben in offene Wunden streut. Doch Gernot hält sich tapfer und drückt die Hand seiner Frau, die offenbar nicht realisiert, wie sehr der Anblick dieses Kindes Gernot zusetzt.

‚Ich muss stark sein. Ich werde dieses Kind lieben, als wäre es mein eigen Fleisch und Blut. Für Marina.‘ Gernot parkt in Gedanken den Mercedes, seine Frau trippelt schon vor Richtung Küche auf der Suche nach sauren Gurken. Sie wird fündig und nimmt einen herzhaften Bissen. „Ich kenne niemanden, der so sexy in eine Gurke beißt wie du meine Schönheit.“
Marco erscheint lüstern lächelnd in der Tür, steuert zielstrebig auf Mara zu und beißt seinerseits lustvoll in die Gurke in ihrer Hand. Er blickt ihr tief in die Augen und legt seine Hand auf ihren noch durchaus wohlgeformten Hintern.
„Mara Liebes, sag mal weißt du wo ich….“
Gernot erstarrt, ob des Szenarios, das sich ihm vor dem Kühlschrank bietet.

3 KOMMENTARE ZUM FAKE

  1. Ernest Hartman hat diese Meinung am on 27. Januar 2008 hinzugefügt| Permalink

    Ich bin echt gespannt wie es weitergeht. Ich habe bis heute keine Folge verpasst. Ihr seid echt klasse. Daumen Hoch. Euer Ernest.

  2. jo hat diese Meinung am on 5. Februar 2008 hinzugefügt| Permalink

    was für ein schrott!
    seifiger gehts nicht mehr!
    willkommen in der welt derer, die sich wünschen etwas besonderes zu sein und
    nicht damit zurecht kommen in der masse unter zu gehen.
    komisch, dass mir da einiges so bekannt vorkommt?!
    ***
    würzburg ist viel zu klein um solchen mist zu verfasen

  3. Mone hat diese Meinung am on 27. Juni 2008 hinzugefügt| Permalink

    ICH LIIIIIIIIEBE DIESE STORY. WIE GEHT ES WEITER???????????