// zuckerbeat vol. (2)77 – keep it realistisch

mit neuer Musik von Baroness, Turbonegro, Triggerfinger, Chima, Yasmo, Shed, Otto von Schirach und Imany. // Irgendwie scheint den Jungs von Baroness auf ihrem aktuellen Album die Lust auf metallische Klänge weitesgehend vergangen zu sein. „Yellow And Green“ bewegt sich jedenfalls über weite Strecken abseits gängiger Konventionen und dürfte somit eines der faszinierendsten Werke des […]

mit neuer Musik von Baroness, Turbonegro, Triggerfinger, Chima, Yasmo, Shed, Otto von Schirach und Imany.

baroness// Irgendwie scheint den Jungs von Baroness auf ihrem aktuellen Album die Lust auf metallische Klänge weitesgehend vergangen zu sein. „Yellow And Green“ bewegt sich jedenfalls über weite Strecken abseits gängiger Konventionen und dürfte somit eines der faszinierendsten Werke des bisherigen Jahres sein. Die Scheibe ist in diesem Zusammenhang sowohl für Fans von Tool und Opeth, als auch für Anhänger von Arcade Fire und Radiohead interessant. 18 Songs wurden auf zwei Silberlingen verteilt und ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal ein solch intensives und in sich schlüssiges Doppelalbum gehört habe. Regelrecht ins Schwärmen bringen einen Tracks wie der Rausschmeisser „Eula“, welcher an Rafinesse kaum zu überbieten ist. Absolut nichts scheint verzichtbar auf diesem dynamisch arrangierten Epos, das spielend die hymnische Kraft von herzerwärmenden Metallica-Balladen und locker-flockigem Folk-Pop der Marke Fleet Foxes unter einen Hut bringt.

turbonegro// Turbonegro haben sich auf ihrem aktuellen Album derweil dazu entschlossen, keine Zeit zu verlieren. Jedenfalls ballert der Opener „I Got A Knife“ dermaßen brachial aus den Boxen, dass man sofort jegliche Zweifel über Bord wirft. Turbonegro haben auch anno 2012 ihr Gespür für hymnische Punkrockperlen nicht verloren. Stattdessen läuten sie mit „Sexual Harassment“ ihre zweite Jugend ein und werden damit allen altgedienten Fans ihrer Musik ein breites Gesicht ins Gesicht zaubern. Da lässt man ihnen zur Mitte hin sogar einen astreinen „Hu Hu“-Chor durchgehen. Soll ja vor allem Spaß machen, das Ganze – und das tut es. 32 Minuten lang. „Immer mitten in die Fresse rein“, um hier mal eine allseits beliebte Berliner Kapelle zu ziertieren. Stellt sich eigentlich nur noch die Frage? Wann starten die Live-Shows?!

triggerfinger// Wer im Geschäft am aktuellen Album von Triggerfinger vorbei schlendert, könnte im ersten Moment auf die Idee kommen, es hier mit einer weiteren, mittel-interessanten Machwerk einer semi-professionellen Rockband zu tun zu haben. Wenn dann allerdings die ersten Töne des Openers „I Follow Rivers“ aus den Boxen dringen, werden plötzlich schöne Erinnerungen an Gnarls Barkley und Konsorten wach. Triggerfinger sind nichts anderes, als eine Rockband mit verdammt viel Seele (im Sinne von Soul). Auf ihrem aktuellen Album „All This Dancin` Around“ widersetzen sich die Jungs allen gängigen Konventionen und landen irgendwo zwischen der unterkühlten Attitüde von David Lynchs musikalischen Eskapaden und (potenziellen) Titel-Tracks für den nächsten James Bond-Streifen. Zwölf Songs schütteln sie aus dem Ärmel, die sich gemeinsam anhören wie ein liebevoll-zsuammengestellter Soundtrack für den nächsten Tarantino-Streifen. Wer diese Band noch nicht kennt, sollte jetzt unbedingt einen Durchlauf riskieren. Es lohnt sich.

chima// Ganz nebenbei scheint sich nun auch das musikalische Talent des nigerianischen Künstlers Chima bis zu den großen Plattenfirmen herumgesprochen haben. Der Musiker hatte bereits vor mehreren Jahren ein famoses Album namens „Reine Glaubenssache“ aus dem Ärmel geschüttelt, auf welchem er unter anderem zusammen mit Dendemann musizierte. Nun steht sein drittes Werk „Stille“ in den Regalen und die Single „Morgen“ dürfte dem langjährigen Brothers-Keepers-Mitglied endgültig zum großen Durchbruch verhelfen. Die Scheibe bewegt sich auf dem schmalen Grad zwischen dem Pop-Appeal des beseelten Liedermacher-Kollektivs und der gehobenen Liedermacher-Schule eines Max Herre. Die Songs sind allesamt so schmissig in Szene gesetzt, dass knapp die Hälfte davon als potezielle Nachfolge-Single durchgeht. „Stille“ ist ein Album, das einen mit jedem Durchlauf süchtiger macht. Da freut man sich jetzt schon auf die anstehenden Live-Dates.

yasmo// HipHop aus hiesigen Gefilden mausert sich darüber hinaus auch für anspruchsvolle Gemüter wieder zu einer echten Alternative auf dem heimischen Plattenteller. Die Österreicherin Yasmin Hafedh alias Yasmo kann in diesem Zusammenhang nicht nur auf Erfahrungswerte im Poetry-Slam-Bereich zurückgreifen, sie macht auch als Rapperin eine gute Figur. Musikalisch ist ihr aktuelles Album „Keep it realistisch“ wohl am Ehesten mit der aktuellen Platte von Fiva MC vergleichbar. Jedenfalls sitzt man wie gebannt vor den Boxen, während die Künstlerin von nutzlosen Informationen und „Cornetto Erdbeer“ erzählt. Bemerkenswert ist dabei vor allem die zurückgelehnte Atmosphäre, welche vielen Tracks innewohnt. Pathetisches des Marke Casper wird dabei weitesgehend ausgespart, stattdessen lieber ganz locker an die ganze Geschichte herangegangen. Bleibt zu hoffen, dass man auch hierzulande bald mehr von Yasmo zu hören bekommt, denn mit ihrem aktuellen Album könnte die Künstlerin viele Rapfans, die nach dem großen Deutschrap-Boom um die Jahrtausendwende das Weite gesucht haben, nochmals zu einer Kehrtwende animieren.

50W_CD08_SHED_KILLER.indd// Nachdem sich Shed im Rahmen seines Erstlingswerks noch darauf beschränkte, möglichst viele alte Tracks in ein formvollendetes Ganzes zu gießen, ist der Nachfolger namens „The Killer“ nun ein astreines Konzeptalbum, dessen einzelne Tracks schlüssig ineinander greifen. Im Rahmen der elf Songs greift er den Zeitgeist in der hiesigen Clublandschaft auf und bewegt sich im Grenzgebiet von Dubstep und Techno. Man merkt dem Album an, dass es nahezu in einem Rutsch entstanden ist. Schon nach wenigen Sekunden fühlt man sich von den verbassten Klängen des Künstlers in düstere Gefilde versetzt und wacht erst wieder auf, nachdem die letzten Takte seines technoiden Klangkosmoses im Raum verhallt sind.

otto-von-schirach// Otto von Schirach hat sich bereits kurz nach der Jahrtausendewende einen Namen im so genannten „Breakcore“-Bereich gemacht. Seitdem ist er nicht nur unter seinem eigenen Namen sondern auch als Blotto Von Crack Rock, Otto Von Exxon und Otto Von Schitpiss aktiv und hat eine ganze Reihe illustrer Veröffentlichungen (unter anderem auf dem renommierten Label „Ipecac“) aus dem Ärmel geschüttelt. Auf seinem aktuellen Werk „Supermeng“ wird nun wieder geschnipselt und geschreddert, als ob es kein Morgen gäbe. Dabei kommen sowohl Genießer, wie auch Tanzhungrige auf ihre Kosten. Gesampelt wird alles, was dem Musiker aus Florida gerade so über den Weg läuft und so können auch Metal-, Indie- und Happy Hardcore-Fans mal einen Durchlauf riskieren.

imany// Und diese Stimme… wow: diese Stimme von Nadia Mladjao alias Imany ist wirklich bemerkenswert. Da werden sofort schöne Erinnerungen an die musikalischen Ergüsse von Tracy Chapman wach. Das aktuelle Album der Künstlerin namens „Shape Of A Broken Heart“ ist in diesem Zusammenhang so etwas, wie der Songwriter-Geheimtipp des Sommers. Die Pariser Musikerin versteht es mit simpelsten Mitteln einen größtmöglichen Effekt zu erzielen. Es gibt keinen eintigen Moment auf diesem Album, den man am Ende missen möchte. Hier sitzt alles wie angegossen. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass trotzt der blitzeblanken Pop-Produktion die Emotionen nicht auf der Strecke bleiben. Also schwelgt ein bißchen mit Imany dahin. Bis zum nächsten Zuckerbeat.