// zuckerbeat vol. (4)97 – „all die bunten lichter ängstigen dich“

mit neuer Musik von Tocotronic, Fever Ray, Typhoon, Anna Burch und The Orielles. // Zwölf Alben haben Tocotronic inzwischen bereits aus dem Ärmel geschüttelt und die Hamburger Band ist bis heute nicht müde geworden, immer wieder neue Wege einzuschlagen. Mit „Die Unendlichkeit“ machen sie sich nun vollkommen frei und wagen sich daran einen biografischen Aspekt […]

mit neuer Musik von Tocotronic, Fever Ray, Typhoon, Anna Burch und The Orielles.

// Zwölf Alben haben Tocotronic inzwischen bereits aus dem Ärmel geschüttelt und die Hamburger Band ist bis heute nicht müde geworden, immer wieder neue Wege einzuschlagen. Mit „Die Unendlichkeit“ machen sie sich nun vollkommen frei und wagen sich daran einen biografischen Aspekt in ihren Songs zu verankern. Die Stücke selbst nämlich widersprechen all dem, wofür Tocotronic in den vergangenen 15 Jahren eigentlich standen. Sie wollten keine Musik machen, welche das eigene Dasein spiegelt, und so wurden die Texte der Band immer abstrakter. Man konnte viel hineininterpretieren in diese Band und damit ist jetzt zumindest in gewisser Hinsicht Schluss. Auf ihrem neuen Album richten Tocotronic den Blick nach innen, schaffen es mit einem Song wie „Hey Du“ tatsächlich wie eine Band zu klingen, die einem hier gerade ihr Debütalbum vor den Latz pfeffert und verlassen gleichzeitig doch nicht vollkommen die verschlungenen Pfade, welche sie einst einmal gefolgt sind. „Die Unendlichkeit“ ist in diesem Zusammenhang so etwas wie ein Neustart nach 25 Jahren Bandgeschichte und zeigt auf, dass die Band wahrscheinlich auch das Potenzial hat, noch viele weitere Jahre so weiter zu machen, ohne sich selbst zu wiederholen. Wenn du also auf grenzüberschreitende Klänge stehst, dann lass dir dieses Werk auf keinen Fall entgehen.  

// Viele hatten eigentlich schon gar nicht mehr mit einer neuen Scheibe von Fever Ray gerechnet. Nun aber ist es soweit und das neue Album von Karin Dreijer steht tatsächlich in den Regalen. „Plunge“ unterläuft in diesem Zusammenhang dann auch erstmal alle Erwartungen und ist gerade deshalb so bemerkenswert. Die Scheibe punktet mit aggressiven Beats und synthetischen Klängen und zeigt eine irrsinnige Bandbreite an Musikalität, mit der man nach dem gefeierten Erstling nicht unbedingt gerechnet hätte. Die Musik ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht mehr ganz so strange, wie zuvor, aber sie reißt einen mindestens genauso mit. In gewisser Weise nähert sich die Protagonistin mit diesem Werk also ihrer Hauptband an und schafft es ihrer Musik auch immer wieder helle Momente zu schenken. Darüber hinaus ist das Album wesentlich politischer, als man es erwarten durfte, was wiederum dazu führt, dass man sich immer wieder dabei ertappt, kleine Versatzstücke der einzelnen Lieder noch Stunden später vor sich hin zu singen. „Plunge“ bleibt dabei aber immer auch ein rastloses Werk, das niemals zu lange an einem bestimmten Platz verweilt, was wiederum dazu führt, dass Fever Ray noch nie so variantenreich klangen, wie heute. Im Grunde genommen also hat Karin Dreijer auch diesmal wieder alles richtig gemacht. .

// Die Gruppe Typhoon wiederum möchte uns im Rahmen ihres neuen Albums ein Angebot machen, das man nur schwer ablehnen kann. „Offerings“ ist bereits das vierte Album der Indie-Rock-Band aus den Vereinigten Staaten und dort haben sie sich auch schon eine breite Fanbase erspielt. Der Vorgänger „Whiter Linger“ sorgte zudem dafür, dass sie seither öfter in einem Atemzug mit Kollegen wie den Decemberists und Portugal, The Man genannt werden, mit denen sie sich auch schon so manche Bühne teilten. Im Mittelpunkt ihres neuen Albums steht nun ein fiktiver Mensch, der sein Gedächtnis verliert und die Band möchte dahingehend die Frage thematisieren: Was sind eigentlich die wesentlichen Eigenschaften eines Menschen, wenn er nicht mal mehr weiß woher er kommt. Das Album ist diesbezüglich in vier Abschnitte untergliedert, welche die einzelnen Phasen beinhalten, die die Hauptfigur durchläuft. Dementsprechend passt hier auch alles formvollendet zusammen und alle Fans von ambitionierten Konzept-Platten sollten das Album unbedingt mal durchhören. Es lohnt sich.

// Anna Burch wiederum wickelt uns mit ihrem aktuellen Album ebenfalls um den kleinen Finger. Die Scheibe, die via „Heavenly Recordings“ erscheint hört auf den schönen Namen „Quit The Curse“ und macht im Gegensatz zu vielen, gleichförmig vor sich hinlaufenden Liedermacher-Alben, einfach nur verdammt viel Spaß. Das Liegt auch daran, dass die Künstlerin ihrer Musik eine gehörige Portion Abwechslungsreichtum einflößt und so bekommt man ein auf den ersten Blick locker-flockig-verspieltes Album präsentiert, dass einen immer wieder ein Grinsen aufs Gesicht zaubert. Blickt man allerdings hinter die schöne Fassade, merkt man recht schnell, dass der Teufel hier im Detail steckt. Die düsteren Lyrics kontrastieren nämlich die positiv-stimmende Musik und so schafft es Anna Burch immer wieder, dass einem beim Hören tatsächlich das Lachen im Halse stecken bleibt.

// The Orielles wiederum bescheren uns auf ihrem neuen Werk zwölf spannende Tracks, die allesamt im „Eve Studio“ in Stockport entstanden sind. Bereits im Sommer des vergangenen Jahres hat sich die Band dort mit Marta Salongi (produzierte auch schon die Musik von Björk) zusammengefunden, um die Songs auf Band zu bannen. Das Trio versteht es dabei sehr gekonnt unterschiedliche Stile miteinander zu vermischen, ohne dass es irgendwie bemüht rüber kommen würde. Ob Funk, Disco oder Synthie-Pop – alles findet hier auf zauberhafte Weise zusammen und auch die Songs selbst drehen sich wieder um alles, was das kulturelle Herz höher schlagen lässt. Kunst, Kino und Literatur stehen im Mittelpunkt der einzelnen Tracks und all das wird auf gelungene Weise auch noch psychologisch von der Band unterfüttert. Wenn du also auf vielschichtige Musik stehst, die gerne mal Grenzen auslotet, dann bist du bei dieser Band genau an der richtigen Adresse. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.