// zuckerbeat volume 24

Amanda Rogers (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) müsste eigentlich schon längst ein Popstar sein. Wie ihre Finger über die Tasten den Pianos wandern, wie sie einfach nur da sitzt und sing. Es ist zauberhaft. Und wahrscheinlich hat in den letzten Jahren auch niemand „Creep“ von Radiohead […]

_amanda-rogers.jpgAmanda Rogers (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) müsste eigentlich schon längst ein Popstar sein. Wie ihre Finger über die Tasten den Pianos wandern, wie sie einfach nur da sitzt und sing. Es ist zauberhaft. Und wahrscheinlich hat in den letzten Jahren auch niemand „Creep“ von Radiohead so schön gecovert, wie sie. Mit ihrer glasklaren Stimme. Die fast vergessen lässt, dass sie regelmäßig mit Bands aus dem Hardcore-Bereich auf der Bühne steht. Nun also hat sie ihr erstes Album veröffentlicht, das klingt, als würde es von einer Band stammen. Die reduzierten Ansätze der Vorläufer werden durch eine poppige Produktion gekontert. Und es funktioniert. „Heartwood“ (7) schließt man auf der Stelle ins Herz. Man umarmt die Songs. „Drive“, „This Beauty,“ „Cabin Muse“. Man fragt sich immer wieder, wie sie das jetzt noch toppen will. Und sie schafft es trotzdem. Und am Ende sitzt man dann zuhause. Starrt vom Balkon aus in die Dunkelheit der Nacht. Und fühlt sich plötzlich geborgen. Anschließend lässt sich der romantische Zuhörer dann in die Arme von Philipp Poisel rüber _philipp-poisel.jpgreichen. „Wo fängt dein Himmel an?“ (6). Gute Frage eigentlich. Die Platte ist wie geschaffen für ehemalige Echt-Hörer. Und das ist nicht mal negativ gemeint. Wer auf Clueso steht, kann hier auch gut seine Zelte aufschlagen. Allerdings hätte ich mir am Ende vielleicht ein bisschen weniger Jack Johnson-Akustikgitarre und etwas mehr Druck erhofft. Die Platte geht trotzdem klar. „Du und ich und ich und du“ ist wie geschaffen, um sich gegenseitig Gänseblümchen in die Zehen zu stecken und mit der Angebeteten zu knutschen. Einen Preis für Originalität wird der Sänger damit zwar nicht gewinnen. Aber man hat das alles schon mal wesentlich schlimmer und vor allem peinlicher gehört. Philipp Poisel hat auf seinem Debütalbum nur sehr wenig falsch gemacht. Immer wenn man denkt, jetzt brennen ihm die Sicherungen durch und die Mucke wird zur schlimmsten Chartgewalt seit Revolverheld, kriegt er doch noch irgendwie die Kurve. Also hergehört… MTViva Generation. Hier comes your next Posterboy. Alle anderen ballern sich derweil mit autoKratz die_autokratz.jpg Rübe runter. „Down & Out In Paris & London“ (6) klingt wie ein ausgedehnter Openair-Rave durch die größten Städte Europas. Da schreit mal wieder alles nach Ed Banger. Und dementsprechend werden auch keine großen Gefangenen gemacht. Die Songs ballern vom ersten Track an voll auf die 12. Und dann wird Justice-mäßig durchgedreht. Die U-Bahn gerockt und mal so richtig auf die Kacke gehauen. Früher hätten sie damit wahrscheinlich die Welt in helle Aufregung gestürzt. Heute treten sie mit dieser Platte keine Revolution mehr los. Klingen aber trotzdem wesentlich frischer als The Prodigy und die Chemical Brothers auf ihren letzten Scheiben. Und der „Headbang“-Faktor ist auch unermesslich hoch. Also taucht ein in die Welt von autoKratz. Oder lehnt euch in der Kirche gegenüber zurück und genießt ein Holy Ghost Revival. Mit _holy-ghost-revival.jpg„Twilight Exit“ (6) präsentieren dir die Jungs ein betörendes Indie-Pop-Werk mit Pianoeinschlag. Erinnern mich dabei entfernt an The Hold Steady. Oder an Guns´n´Roses, die plötzlich mit Iron Maiden fusionieren und einen Song von The Arcade Fire covern. Kurz gesagt: Hier fließen Metal-Anleihen, mehrstimmige Chöre, zärtliche Pianopassagen, Indie-Pop-Momente und ein Gespür für tolle Melodien zusammen. Die Platte schwankt dabei ständig zwischen selbstverliebtem Pathos und brüchiger Romantik. Ich habe einen solchen Sound bisher nur selten in einer solch schlüssigen Form gehört. Entweder ist diese Platte der totale Überhammer oder der allergrößte Mist. Ich tendiere nach mehreren Durchläufen zu Letzterem. Und werde jetzt aber mit Absicht nicht den Waschzettel heraus kramen, um die Hintergründe zu erforschen. Bin stattdessen lieber etwas vorsichtig bei der Punktevergabe. Denn wie gesagt, Twilight Exit balancieren auf einem schmalen Steg. Da fehlt nicht viel, und sie purzeln ins Wasser. Womit wir dann endlich, endlich, endlich bei der neuen EP von Lagwagon angelangt _lagwagon.jpgwären. Ich meine, die ist eh geil. Die müsste ich eigentlich gar nicht anhören. Lagwagon können einfach keine schlechten Songs schreiben. Und tüdelidü… Die sieben Tracks auf „I Think My Older Brother Used To Listen To Lagwagon“ (7) sind mal wieder ein echtes Festmahl für Punkrock-Feinschmecker. Die Melodien kann man schon beim zweiten Anlauf mitträllern. Und der Song „B Side“ ist die beste „A Side“ der Bandgeschichte. Spätestens bei „Memoirs & Landmines“ liegst du dir dann mit deinen Kumpels in den Armen und stürzt dich Superman-mäßig den nächsten Wasserfall runter. Hach… diese Scheibe ist ein einziger Jungbrunnen. Also tauchst du wieder aus den Fluten auf und tanzt unter Palmen zum zurückgelehnten „Live It Down“ in den Sonnenuntergang. Traumhaft oder? Und noch schöner zu sehen, dass Arne Zank von_arne-zank.jpg Tocotronic endlich mal dazu gekommen ist, das Follow-Up zu seiner EP „Love From A To Z“ raus zu hauen. Das Ganze nennt sich nun folgerichtig „Love And Hate From A To Z“ (6) und bewegt sich vorwiegend in melancholischen Gefilden. Dabei soll der Hass im Namen den Schönklang brechen… was Gott sei Dank nicht immer funktioniert. Stattdessen umschmeicheln dich gehauchte Melodien und betörende Rhythmen. Was aber am Ende nicht zu sehr davon ablenkt, dass „Love And Hate…“ vor allem eine Songwriterplatte ist. Denn Zank verlässt sich niemals allein auf seine treibenden Bassläufe. Sondern summt dir in den nicht-instrumentalen Tracks zerbrechliche Songs für laue Sommernächte ins Ohr. Damit wird er die Welt nicht groß verändern. Aber darum geht’s ja auch nicht. Sondern darum sich einfach mal wieder zurückzulehnen und der Musik zuzuhören. Zumindest bis zum nächsten Zuckerbeat.

// von Alexander Nickel-Hopfengart