// zuckerbeat vol. (1)17 – music! dance! drama!

Unverdientermaßen sind State Radio hierzulande immer noch relativ unbekannt, was sich mit ihrem neuen Album „Let It Go“ aber hoffentlich schon in Kürze ändern wird. Die Scheibe macht alles richtig, was Incubus auf ihren letzten Alben falsch gemacht haben. Die Jungs vermengen Rockmusik mit allerhand entspannten Grooves und landen damit irgendwo zwischen Sublime und den […]

stateradio_letitgo_albumcover_20091217_174352Unverdientermaßen sind State Radio hierzulande immer noch relativ unbekannt, was sich mit ihrem neuen Album „Let It Go“ aber hoffentlich schon in Kürze ändern wird. Die Scheibe macht alles richtig, was Incubus auf ihren letzten Alben falsch gemacht haben. Die Jungs vermengen Rockmusik mit allerhand entspannten Grooves und landen damit irgendwo zwischen Sublime und den Rx Bandits. Man möchte sich sofort in die Hängematte schmeißen und die Welt da draußen per Tastendruck ausschalten. Die elf Songs des Albums, mit denen ihnen in Amerika zum ersten Mal den Sprung in die Top 100 gelang, werden mit jedem Durchlauf liebreizender. Die Songs wachsen, wie schon auf den Alben zuvor, mit zunehmender Dauer über sich hinaus. Noch dazu haben sie den Sommerhit des Jahres mit drauf. „Doctor Ron The Actor“ kommt zwar etwas zu früh, dürfte aber, wenn die Welt gerecht ist, in diesem Jahr auf jedem zweiten Zeltplatz rauf und runter laufen. Checkt diesen Geheimtipp aus den Staaten. Ihr werdet es nicht bereuen.

blockhead-the-music-sceneEin bisschen mit dem Kopf nicken, kann man zum Sound von Blockhead. Die Affenbande aus New York in Personalunion von Produzent Tony Simon haut einem auf „The Music Scene“ imposante Instrumental-Entwürfe um die Ohren, die auch ohne ein freches Mundwerk in Form von Gaststars ganz hervorragend rein laufen. Musikalisch wirkt das Ganze, als hätte Dilla ein paar neue Tracks eingespielt. Alles in allem präsentiert Blockhead mit „The Music Scene“ ein smoothes Sample-Feuerwerk mit entspannten Beats, zum Autositz nach hinten kurbeln und Sterne gucken gleichermaßen geeignet. Damit die ganze Sache nicht langweilig wird, wird außerdem ein bisschen Space Rock und Afrobeat dazwischen gestreut. Ein Album, wie geschaffen für den Weg nach Hause nach einer langen durchfeierten Nacht im Blitzlichtgewitter des Clubs.

personal-l-the-positivesPerson L, das Nebenprojekt von The Starting Lines Vasoli, hat derweil nicht viel am Hut mit dem durchaus sympathischen Emo-Pop, den seine Hauptband bis vor Kurzem in stillem Gedenken an Saves The Day, Student Rick und Konsorten ablieferte. Stattdessen wird ein Breitwandepos auf den Hörer abgefeuert, das sich im Stoner- und Classic-Rock-Genre einnistet und schon beim Opener eine Wall Of Sound auffährt, die sich gewaschen hat. Danach wird dann gerockt und mit schrägen Riffs dem Post-Punk gehuldigt. Das Besondere an Person L allerdings ist, dass sich die meisten Songs auf dem zweiten Album „The Positives“ trotzdem als astreine Hits entpuppen. Radiohead haben hier genauso ihre Spuren hinterlassen, wie Coheed & Cambria. Und irgendwie fasziniert einen dieses Album. Dieses Chaos, das die Band hier veranstaltet, es macht einfach Spaß dabei zuzuhören. So, als würde man sich heimlich in ihren Proberaum schleichen und einer geliebten Band beim Jammen zusehen.

VS_hegemann_axolotl_lvd_cs3.inddZwischendurch mal wieder etwas Lesestoff gefällig? Bitteschön: Sehr zu empfehlen ist derzeit der Roman „Axolotl Roadkill“ von der neuen Nachwuchshoffnung Helene Hegemann. Die Vorschusslorbeeren für die werte Dame sind durchaus gerechtfertigt. Wie sich ihr Roman durch Bankrotterklärungsszenerien unserer Gesellschaft wühlt, wirkt hinreißend und verstörend zugleich. Mit einem frechen Mundwerk und imposanten Wortwechseln geht die Autorin dorthin, wo es weh tut. So, als wollte sie mit ihrem Roman den Pfropfen aus der Wanne ziehen, damit das Wasser abläuft und endlich auch der Schmutz unter der Oberfläche unserer Gesellschaft sichtbar wird. Die Protagonistin versucht sich selbst zu finden in einer Welt, in der scheinbar alle Rollen bereits besetzt sind. Sehr schön wird hier beschrieben, wie bestimmte Haltungen durch Vereinnahmung von unterschiedlicher Seite (z.B. des linken Vaters) nach und nach zu einem Klischee verkommen. Ihr Ausweg heiß Abgammeln. Ihr Problem manifestiert sich im gestörten Verhältnis zu ihrer nicht mehr existenen Mutter. Helene Hegemann ist ein Buch voll kranker Poesie gelungen. „Axolotl Roadkill“ ist ein Rausch der Emotionen. Eine treffsichere Abhandlung darüber, wie es ist, wenn auf einmal nichts mehr einen Sinn ergibt. Nach spätestens drei Tagen hat man sich durch diesen Rausch der Emotionen durchgeboxt. Das Finale ist in seiner kranken Konsequenz bemerkenswert und bleibt einem noch tagelang im Hirn kleben. Dazu gesellt sich in diesen Tagen eine Debatte über die Raubkopiererei, die in Zusammenhang mit diesem Buch von Seiten der Autorin betrieben wurde. Ich muss zugeben, mir imponiert dieser Ansatz. Ist ja gang und gäbe etwas bereits Vorhandenes in einen neuen Kontext zu setzen. Was wäre die moderne Musik ohne Acts, wie The Kleptones oder 2 Many DJs. Zudem ist es bemerkenswert, wenn es eine 17jährige schafft tagelang im Alleingang die Kultur-Rubriken der einschlägigen Tageszeitungen und Magazine zu besetzen. Alles weitere zu dem Thema findet ihr unter anderem und http://www.gefuehlskonserve.de. Lohnt sich durchaus mal reinzuschnuppern. In den Roman, wie auch die Diskussion.

the-unwinding-hours-album-coverThe Undwinding Hours werden ja gerade von diversen Gazetten als Erretter der Rockmusik gefeiert und man muss zugegeben: schon nach einem Durchlauf fühlt man sich von der Musik ihres gleichnamigen Debütalbums seltsam ergriffen. Wie die ehemaligen Mitglieder von Aereogramme hier einen himmelhochjauchzenden Refrain an den nächsten reihen, verdient Respekt. Ganz großes Tränendrüsenkino wird da aufgefahren, aber das klingt niemals, wie das elendige Schluchzen von Keane und Konsorten. Die Musik auf der Scheibe wirkt schlicht erhaben. Die Dynamik ist bemerkenswert. The Unwinding Hours ist ein Album gelungen, das im Stillen brodelt. Die Scheibe bricht immer wieder aus und es braucht Zeit, bis sie vollends im Herzen des Hörers ankommt. Dann aber krallt sie sich fest. Nachhaltig.

bibi1Bibi Tanga, ein Sohn des Prinzen und Musiker von Curtis Mayfields Gnaden macht auf seinem neuen Album dort weiter, wo seine musikalischen Eltern einst aufgehört haben. Er präsentiert mit zärtlich anmutendem Falsett-Gesang ein eindringliches Future-Funk-Album, dass vor lauter schick zusammengeschraubten Beats die Technik fast wieder vergessen macht. Elektro-Soul in einer solch zurückgelehnten Darreichungsform muss man heute mit der Lupe suchen. Auf „Dunya“ gibt’s das volle Programm Gefühl mit einer steifen Prise Porno-Disco, so dass man schon nach wenigen Minuten zum Engtanz auf die Tanzfläche bittet. Mit etwas Glück können sich auf dieses Album alle einigen. Clubgänger und Stubenhocker. Alle lassen sich treiben. Von „Hey Ya!“ bis „Shake It!“. Zum heulen schön, wie das Werwolfcover.

freeway-stimulus-package-cover1Wer danach noch nicht genug hat, sollte direkt die neue Scheibe von Freeway & Jake One in den Player stecken. „The Stimulus Package“ sorgt dafür, dass die Nacht niemals endet. Die smoothen Sounds, der entspannte Rapstyle, all das transformiert deine alte Karre in eine auf Hochglanz gestylte Schiffschaukel. Die 15 Tracks bouncen ohne große Ausfälle vor sich hin, die Soul-Samples sorgen für Nostalgienanflüge. Dazu ein paar schicke Features von Raekwon bis Beanie Sigel, die sich ganz hervorragend ins Gesamtbild einfügen. Eine runde Sache, dieses Album. Wahrhaft stimulierend.

jaga-jazzistZum Abschluss lassen wir uns noch von den galoppierenden Sounds aus dem Hause Jaga Jazzist die Gehörgänge durchkneten. Die neun Tracks ihres Albums „One-Armed Bandit“ mit so schönen Titeln, wie “Music! Dance! Drama!“ bieten genau das. Nämlich Musik. Tanzbares und ganz viel Gefühl. Ausgestattet mit Vibrafonen, Trompeten, Saxophonen, Klarinetten und Percussions wühlen sich die Jazzer aus Norwegen durch ihre Songs, die sich auch zu späterer Stunde im Elektroclub gut machen würden. Hier trifft in gewisser Weise Villalobos auf Davis auf Zappa. Ein guter Grund für mich für heute die Tasten zu schonen. Lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.