// zuckerbeat vol. (1)53 – people are strange

The Doors haben schon lange das Zeitliche gesegnet. Trotzdem verfallen in jungen Jahren reihenweise Menschen dieser Band, diesem Phänomen, diesen Melodien, wie „Light My Fire“ und „Riders On The Storm“. Schön, dass zahlreiche Hits nun noch mal zu Ehren des Filmstarts von „When You´re Strange“ aus der Kiste gekramt wurden und das Ganze um einige […]

whenyourestrangeThe Doors haben schon lange das Zeitliche gesegnet. Trotzdem verfallen in jungen Jahren reihenweise Menschen dieser Band, diesem Phänomen, diesen Melodien, wie „Light My Fire“ und „Riders On The Storm“. Schön, dass zahlreiche Hits nun noch mal zu Ehren des Filmstarts von „When You´re Strange“ aus der Kiste gekramt wurden und das Ganze um einige Dialoge ergänzt wurde. Die Filmmusik zu Tom Dicillos Streifen mutet an, als bekäme man die Hörspiel-Version eines The Doors-Theaterstücks auf dem Tablett serviert. Schon nach wenigen Minuten übermannt einen die Atmosphäre dieses Soundtracks und man schwelgt in nostalgischer Stimmung, wenn „Break On Through (To The Other Side)“ in charmanter Live-Variante aus den Boxen dringt. Alles in allem werden jetzt sicher wieder viele „Ausverkauf!“ schreien, weil fast alles schon anderweitig auf Silberling erhältlich ist. Für Neueinsteiger in Sachen „The Doors“ ist dieser 32-Akter und der dazugehörige Film dennoch aufs Wärmste zu empfehlen.

DARK NIGHT POSTER FINALaiHinterher lässt sich dann herrlich weiterschwelgen zum Sound von „The Dark Night Of The Soul“: Das lane angekündigte Werk von Danger Mouse & Sparklehorse ist nun doch noch erschienen und muss nicht länger, wie von der Band augenzwinkernd gefordert, umsonst aus dem Netz gesaugt werden. Wäre ja auch eine Schande, wenn ein Album mit solch illustren Gästen, wie Julian Casablancas von den Strokes, den Flaming Lips, Iggy Pop, James Mercer und David Lynch (in einer Doppelrolle) in den Regalen der Plattenfirma verschimmeln würde. Nein, dieses Werk, das bei aller Stilvielfalt klingt, als hätten sich ein paar gute Kumpels in einer Tropfsteinhöhle getroffen und sich gegenseitig ihr Herz ausgeschüttet, um sich gegenseitig mit ihren Geschichten das Herz zu wärmen, dieses Werk gehört zu den imposantesten Konzept-Alben des Jahres. Klingt am Ende ein bisschen, wie der depressive Bruder von Plan Bs aktuellem Soul-Pop-Entwurf. Kurz gesagt: famos.

wir_wollen_grimm_coverWer hinterher gleich weiter in Nostalgie schwelgen möchte, der sollte sich den 450seitigen Schmöker „Wir wollen eine andere Welt – Jugend in Deutschland 1900-2010“ zu Gemüte führen. Mit dem monströsen Schinken kannst du nicht nur Ungeziefer zermalmen, das Buch eignet sich auch ganz vorzüglich, um mal hinter die Kulissen zu blicken und sich anzusehen, wie sich die „Jugend“ die letzten 110 Jahre lang so entwickelt hat. Textfetzen aus Tagebüchern und Briefen werden in diesem Almanach aus dem Zusammenhang gerissen, neu zusammen geflickt und liefern dem Leser interessante Eindrücke in die Welt der 12 bis 25-jährigen. Gerade anhand der Sprache wird deutlich, dass sich hier im letzten Jahrhundert einiges getan hat. Um 1915 konnte sich so mancher Bursche eine Freudenträne nicht verkneifen, das man auf einem Marsch mit den Jungs einer Mädchengruppe begegnete. Eine Sensation, die seines Gleichen sucht. Damals zumindest. In der Nachkriegszeit wird dann darüber schwadroniert, was denn nun in der Schule zu tun sei, während der Lehrer gerade entnazifiziert werde. Mitte der 60er verlangen dann alle nach Aufklärung. Die Eltern schämen sich. Die Jugend experimentiert. Beat-Bands schießen aus dem Boden. Es darf getanzt werden. Eine Boulevard-Zeitung spielt den Moral-Apostel. Die Jugend begehrt auf. Der Rest ist Geschichte. Es ist schon bemerkenswert, wie sich all die Zitate zusammenfügen. Man vergisst für ein paar Stunden, was sie einem im Geschichtsunterricht eingebläut haben. Die Geschichte darf neu geschrieben werden, denn durch dieses Buch wird die Phantasie des Lesers angeregt. Dazu gibt’s großformatige Fotos, die den Zeitgeist gekonnt in Szene setzen. Wer schon immer mal ein Geschichtsbuch lesen wollte, das die Möglichkeit bietet, sich seine eigene Meinung über ein bestimmtes Jahrzehnt zu bilden, sollte sich diese Textsammlung hier zulegen. Und dann noch mal zurück auf Anfang: Denn „die Meute will nichts, braucht nichts. Sie will nur tanzen, tanzen, tanzen. Zu Acid House und New Beat, Deep House und Rare Groove lassen wir wieder den Neandertaler raushängen“. Wer Lust auf mehr bekommen hat, sollte sich in die Buchhandlung „Zweitausendeins“ (in Würzburg diese Woche leider geschlossen! Was ich persönlich wirklich zum Kotzen finde) begeben und sich ein Exemplar von „Wir wollen eine andere Welt“ abgreifen. Die Zusammenstellung von Fred Grimm gibt es nämlich ausschließlich dort. Hinterher wird es dann allerdings Zeit seine eigene „Geschichte“ zu schreiben.

laura-lopezLaura López Castro & Don Philippe vom Freundeskreis haben derweil einen verführerischen Entwurf namens „Optativo“ am Start, der einem gekonnt vor Augen führt, wie man perkussive Sounds mit akustischer Gitarre vermengt und daraus einen imposanten Soundentwurf zaubert. Die südamerikanischen Klänge des Werkes geben einem das Gefühl, in einen verrauchten Jazz-Club geschubst zu werden. Man nippt an einem Cocktail und blickt verzaubert in Richtung Bühne, wo sich eine mysteriöse Dame mit zahlreichen Gaststars, wie dem Klangprofessor Hauschka und den sudanesischen Sängerinnen Alsarah & Nahid ihren Gästen annimmt und selbige schon nach wenigen Sekunden mit balladesken Reduktions-Pop umschmeichelt. Während die Scheibe so durchläuft wird immer deutlicher: Laura López Castro & Don Philippe muss man live erleben. Deshalb lohnt sich auch ein Abstecher nach Frankfurt. Da spielen die beiden nämlich am 11. Oktober in der Brotfabrik.

pipettes_The Pipettes gehörten derweil vor nicht allzu langer Zeit zu den charmantesten Indie-Pop-Gestalten der Neuzeit. Inzwischen ist der Hype um die Band ein wenig abgeebbt. „Earth Vs The Pipettes“ allerdings könnte die Band auf der Stelle wieder zurück ins Bewusstsein der Massen schubsen. Die Scheibe läuft schon nach dem ersten Durchlauf Ehren-Runden im Gehirn des Zuhörers, weil sich die Melodien auf der Stelle darin verfangen. Wer den Wohlfühl-Moment so hoch anlegt, läuft allerdings Gefahr, dass sich das Ganze schnell wieder abnudelt. So lange allerdings gilt es den Sommer zu Pop-Hymnen der Marke „Thank You“, „I Always Planned To Stay“ und „Stop The Music“ durchzutanzen. Da wippen die Miniröcke reihenweise in Richtung Sommersonne.

faldbakken-unfunIm schicken Schmöker „Unfun“ erzählt Autor Matias Faldbakken seine ganz persönliche „Clockwork Orange“-Story und zieht seine Leser mit einer Story über eine Gruppe Unsympathen in den Bann. Im Grunde genommen geht’s in dem schmissig getexteten Werk nur um das Themenfeld Gewalt, Sex und Drogen. Das Buch versteht sich als dritter Part einer Trilogie über die skandinavische Misanthropie. Da wird dann im Online-Smasher die Ex-Freundin drangsaliert und man muss schon nach wenigen Seiten eingestehen: Faldbakken ist ein Meister darin, der Moral den Spiegel vorzuhalten. Am Ende ist man bisweilen verstört. So wie es bei einem gesellschaftskritischen Roman auch sein muss. Wer mal wieder ein radikales Buch lesen möchte, bei Matias Faldbakken könnte er an der richtigen Adresse sein. Sich vorab noch die beiden Vorgänger-Romane „The Cocka Hola Company“ und „Macht und Rebel“ des norwegischen Autors zu Gemüte zu führen, ist dabei nicht zwingend erforderlich, lohnt sich aber trotzdem. Spätestens im Nachhinein.

dogsDie Dogs backen derweil kleinere Brötchen und stürmen mit einem Kleinformat in die Herzen der Fans. „We Are The Dogs“ erscheint auf dem hauseigenen Label „Moths“ und knallt einem fünf tanzbare Rocksongs vor den Latz, dass es eine wahre Freude ist. Der industriell vor sich hin stampfende Opener „Cost Of Loving“ ist noch der sperrigste Track dieses Mini-Formats. Kurz darauf stürmen die Jungs mit „This Sorry Scene“ die Tanzfläche der örtlichen Indie-Disse und summen sich mit dem fett arrangierten „When I Threw Stones“ in die Herzen der Brit-Pop-Gemeinde.

mamas-gun-routes-to-riches-7044162300Mamas Gun sorgen zum Abschluss für Palmenstrandatmosphäre, wenn sie ihre poppigen Jazz-Funker aus den Boxen ballern, als wollten sie Knallfrösche in Zuckerwatte stecken und für eine süße, musikalische Explosion sorgen. Im Grenzgebiet von Lenny Kravitz, Mika, Prince und Stevie Wonder schmiert einem die Band auf „Routes To Riches“ Honig ums Maul und bastelt ein echtes Wohlfühl-Werk, das manchmal das Formatradio streift, das Ganze aber mit einer gehörigen Portion Lebensfreude kontert. Kein Wunder, dass Mamas Gun schon mit den Fantastischen Vier auf der Bühne standen. Da geht einiges. Also lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.