// aufgelesen vol. 11 – „das erste bange gefühl kam später, als der mittelpunkt der blume langsam die blütenblätter aufzehrte“

„Marshall McLuhan“ war einer der exzentrischsten Kommunikations-Gurus der Welt. Douglas Coupland ist einer der begnadetsten Kommunikatoren der Gegenwart. Warum also nicht beide zusammenbringen, am Besten, indem der Autor Douglas Coupland einen Roman über das Leben Marshall McLuhans schreibt. Gesagt, getan. Das Lebenswerk des „Urvaters der Medientheorie“, der 1980 das Zeitliche segnete, darf noch mal unter […]

coupland„Marshall McLuhan“ war einer der exzentrischsten Kommunikations-Gurus der Welt. Douglas Coupland ist einer der begnadetsten Kommunikatoren der Gegenwart. Warum also nicht beide zusammenbringen, am Besten, indem der Autor Douglas Coupland einen Roman über das Leben Marshall McLuhans schreibt. Gesagt, getan. Das Lebenswerk des „Urvaters der Medientheorie“, der 1980 das Zeitliche segnete, darf noch mal unter veränderten Bedingungen betrachtet werden. Denn inzwischen hat sich bewahrheitet, was McLuhan behauptete. Er sah nämlich schon früh voraus, dass sich unser Kommunikationsverhalten in Zukunft rapide ändern würde. Was aber noch bemerkenswerter ist: er stellte auch gleich noch die Folgen dessen dar, was da gerade passiert. Also aufgepasst. Laut McLuhan werden die visuellen Medien das „Gedruckte“ ablösen. Das… könnte passieren. Die Geschwindigkeit, wie Informationen von Mensch zu Mensch weitergeleitet werden, erhöht sich dadurch. Was wiederum dazu führt, dass auch viel Oberflächliches kommuniziert wird. Dadurch wird es, wenn ich McLuhan richtig verstehe, irgendwann irrelevant, was kommuniziert wird, wichtig wird vielmehr, auf welchem Wege es geschieht. Soll heißen: die Technik drängt sich immer weiter in den Vordergrund – der Inhalt wiederum wird zum Rahmenprogramm. Klingt jetzt erstmal ziemlich kompliziert, bringt einen aber zunehmend ins Grübeln. Wie weit wären wir dann eigentlich noch von so etwas wie kollektiver Intelligenz entfernt, wenn wir unser gesamtes Wissen in bestimmten Portalen zu bündeln beginnen? Was wiederum die Frage aufwirft… Wann drohen wir eigentlich auch als Menschen zu verschwimmen und was würde das bedeuten? Das alles eins ist? Jede Information in jedem Moment für jeden Menschen verfügbar? Was wären wir dann? Nur einer von vielen oder alles in einem? Wer Lust hat, sich solche Fragen zu stellen, sollte unbedingt mal rein lesen. Coupland ist mit seinem Werk eine brillante Biographie über das Leben und Denken des Marshall McLuhan geglückt.

binding2Der britische Autor Tim Binding ist ein ziemlicher Spätzünder. Lange hat er sich Zeit gelesen, bis er schließlich seinen ersten Roman veröffentlichte. Seither können die Menschen gar nicht genug kriegen von einer grotesken Geschichte über das Leben und die Liebe, die Liebe und das Leid. Sein sechstes Buch „Cliffhanger“, das wir hier aus aktuellem Anlass noch mal aus der Kiste kramen, ist hierzulande bereits im Jahr 2008 erschienen, gehört aber sicher zu den besten Werken des Autors. Die Geschichte um den Taxiunternehmer Al Greenwood strotzt nur so vor Charme. Mit viel schwarzem Humor widmet sich Binding dem Alltag seines Protagonisten. Taxiunternehmer Greenwood sieht demnach keine andere Möglichkeit mehr, als seine Frau zu beseitigen. Zu dick, zu doof und unsexy, lautet sein Urteil, also wird der werten Dame schnurstracks am Rande der Klippen aufgelauert, dann noch ein kleiner Schubs und die Sache ist gegessen, denkt er zumindest. Denn als er wieder zu Hause ist, hüpft die Herzallerliebste plötzlich wieder putzmunter in seinem Wohnzimmer herum. Kann eigentlich gar nicht sein, denkt er sich, da wird ihm klar, dass er wohl versehentlich eine andere um die Ecke gebracht hat. Doch diese Dame ist nicht irgendjemand, sie ist ausgerechnet die Frau des örtlichen Kommissars. Das Fazit lautet: Knast. Wobei das noch nicht alles ist, aber das solltet ihr euch selbst zu Gemüte führen. binding1Binding versteht es Bestens, seinen Figuren mit einer gehörigen Portion Tiefgang auszustatten. Er öffnet noch dazu das Tor zu dem üblichen Dorfgemeinschafts-Wahnsinn, der sich durch allerhand Affairen, Reizwäsche und ein ausgeprägtes Faible für Zierfische äußert. Immer dann, wenn man das Gefühl hat, man wüsste, was vor sich geht, kommt der Autor mit einem neuen Twist um die Ecke, was vor allem Hitchcock-Fans ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte. Das Beste allerdings ist… diese sympathische Geschichte wird jetzt fortgesetzt. „Fischnapping“ nennt sich der neue Roman, der sich mit Al Greenwood und seinen Eskapaden beschäftigt. Gleich zu Beginn wird die Geschichte von „Cliffhanger“ noch einmal inhaltlich durchleuchtet, so dass man auch als Neueinsteiger kein Problem damit hat, der Story zu folgen. Band zwei gerät in diesem Zusammenhang noch wesentlich absurder als der Erstling. Al hat sich eigentlich schon damit abgefunden hinter schwedischen Gardinen zu verweilen, da holt ihn die Ehefrau aus Band 1 durch das Geständnis eines Mordes (und zwar seines Mordes) wieder aus dem Knast. Soweit – so schräg, auf jeden Fall treibt eine gewisse Michaela, so der Name der (eigentlich) von der Klippe gestoßenen aus Band 1, im zweiten Teil weiter ihr Unwesen im Dorf, so dass sich die Frage stellt, wen Al den nun wirklich von den Klippen geschubst hat. Zu allem Überfluss wird Al dann auch noch von seinem „Mordopfer“ aus Band 1, dieser Michaela (= Frau des Dorfinspektors), erpresst. Was nun aber die Karpfenentführung mit der ganzen Sache zu tun, auf die sich der Buchtitel eigentlich bezieht, das findest du am Besten selbst heraus. Auch wenn „Fischnapping“ nicht ganz an das Niveau des Erstlings heranreicht, ist das Buch immer noch gewitzt genug getextet, um dir den anstehenden Sommerurlaub zu versüßen.

roweDer in Finnland aufgewachsene Autor Sean Rowe erzählt derweil die Geschichte eines ungleichen Bruderpaares – der eine ist ehemaliger CIA-Agent, der andere gerade aus dem Knast entlassen worden. Der eine labert irgendwas von „Schiffe versenken“, der andere kann nur untätig zusehen, wie er seinen Worten Taten folgen lässt und am Hafen von Miami einen Frachter hochjagt. Protagonist Matt Shannon befindet sich dementsprechend in einem Dilemma. Was soll er machen? Den Bruder bei seiner irrwitzigen Aktion unterstützen oder seinem Verstand folgen. Dabei gibt es zu bedenken, dass Matt nicht ganz unschuldig daran gewesen ist, dass sein Bruder im Knast gelandet ist. Also steigt er mit ein. Verstrickt sich immer tiefer in dem Sumpf aus Verbrechen und findet sich plötzlich zwischen allerhand zwielichtigen Gestalten wieder, von denen lediglich eine gewisse Julia einen gewissen Reiz auf ihn ausübt. Bemerkenswert an Rowes Roman ist, dass er einerseits als klassischer Krimi funktioniert, andererseits aber auch sehr gekonnt das Innenleben der Protagonisten ausleuchtet. So spitzt sich das Ganze bis zum bitteren Ende weiter zu, ohne dass man das Buch auch nur einen Moment zur Seite legen möchte.

hofmannWer sich schon immer mal gefragt hat, was es denn nun mit dieser Wunderdroge namens „Lsyergsäurediäthylamid“ auf sich hat, sollte sich mal das handliche, neue Werk von Albert Hofmann zu Gemüte führen. In „LSD – mein Sorgenkind“ erzählt er auf schmissige Art und Weise den Wertegang des wundersamen Stoffs, der jetzt schon mehr als 65 Jahre auf dem Buckel hat. Dem Autor gelingt es dabei ganz hervorragend seine wissenschaftlichen Abhandlungen so auf Papier zu bringen, dass man als Leser bis zum Ende bei der Stange bleibt. Zwischendurch erhält man reichlich Informationen über den Wertegang der Droge vom „Heilmittel zum Rauschmittel“. Allen Außenstehenden verschafft Hofmann einen guten Eindruck davon, was die Droge mit einem anzurichten vermag, indem er immer wieder die Auswirkungen des Stoffes auf seine eigene Wahrnehmung verdeutlicht. „Was ich ferner an LSD erstaunlich fand, war seine Eigenschaft, einen derart umfassenden, gewaltigen Rauschzustand zu erzeugen, ohne einen Kater zu hinterlassen“, textet Hofmann zu Beginn. Wobei es sehr interessant ist, zu beobachten, wie der Autor seinen Standpunkt gegenüber dem Stoff zunehmend in Frage stellt, bis er schließlich vollends dem Rausch erliegt, den die Droge auslöst. Am Ende hat man fast das Gefühl dabei gewesen zu sein und bekommt auch knallhart die Gefahren verdeutlicht, die der Konsum von LSD mit sich bringt. Soll heißen: endlich mal ein Wissenschaftsschinken, den man auch als Laie gerne liest. Solltest du unbedingt mal austesten, dieses Buch. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Runde.