mit Büchern von Simon Reynolds, Norbert Hering & Hartwig von Schubert, Vea Kaiser, Neil Young und Beth Ditto.
// In zahlreichen Musikmagazinen stand im vergangenen Jahr ein Werk an der Spitze der Literatur-Charts. Die Rede ist natürlich von „Retromania“ – dem neuen Buch von Simon Reynolds, der mit „Rip It Up And Start Again“ bereits das ultimative Post Punk-Standartwerk verfasste und dafür nicht nur von uns mit einer Lobeshymne bedacht wurde. Nun erscheint sein neues Werk „Retromania“ endlich in deutscher Sprache und setzt sich mit der Frage auseinander, ob heutzutage noch etwas Einzigartiges in Sachen Popmusik entstehen kann.
Reynolds versucht anhand zahlreicher Beispiele darzulegen, dass die Rückwärts-Gewandtheit im Popgeschäft den dringend notwendigen Innovativen erheblich im Weg steht. Er reflektiert aber auch die Geschichte der Popmusik im 20. Jahrhundert und wirft dabei weitere interessante Fragen auf. Ganz nebenbei ist der Autor außerdem mit einem hohen Maß an Begeisterung an das Objekt seiner Begierde herangetreten, was dem Leser immer wieder ein breites Schmunzeln aufs Gesicht zaubert, wenn sich Reynolds dem nicht enden wollenden 50s-Revival oder der ewigen Lust am Sampeln annimmt. Man merkt immer wieder, dass hier ein echter Musikliebhaber am Werk ist, der sich mit voller Hingabe am Pop-Geschehen der vergangenen Jahrzehnte abarbeitet. Passend zur Neuveröffentlichung wurden dem Band außerdem ein gelungenes Vorwort von Didi Neidhard und ein aussagekräftiger Kommentar des Autors höchstpersönlich hinzugefügt. Es lohnt sich also mal reinzuschnuppern in diese „Retromania“ der Extraklasse. Ein besseres Buch über Popmusik wird man sich in diesem Jahr nicht mehr ins Regal stellen können.
// Wer sich diferneziert mit den technologischen Möglichkeiten unserer Zeit auseinander setzen möchte, der sollte sich mal an das aktuelle Werk von Herausgeber Norbert Hering und Hartwig von Schubert heranwagen. In „CyberAge“ wagen sich die beiden an das ambitionierte Unterfangen, die Welt des Digitalen auf ihre Ursprünge hin abzuklopfen und bis in den äußersten Winkel zu durchleuchten. Ihr Buch hebt sich in diesem Zusammenhang ab von den zahllosen halb-wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die derzeit den Markt überschwemmen. Wissenschaftlich fundiert widmen sie sich nicht nur gegenwärtigen Phänomenen wie der zunehmenden Vernetzung der Welt durch das Word Wide Web, sondern beschäftigen sich auch unter ethischen Gesichtspunkten mit so schwierigen Themenfeldern wie Cyber-War und Cyber-Crime. Die Problematik der allgegenwärtigen Überwachung wird genauso thematisiert, wie der gegenwärtige Entwicklungsstand von Kampfrobotern. Dabei werfen sie zahlreiche drängende Fragen auf, die im Zuge der zunehmenden Digitalisierung unserer Welt dringend diskutiert werden müssen. „CyberAge“ ist in diesem Zusammenhang aber auch deshalb so bemerkenswert, weil das Werk sich nicht wie ein wissenschaftlich-fundiertes Fachbuch liest. Ganz im Gegenteil. Die einzelnen Beiträge sind auch für einen Laien in Sachen Cybertechnologie problemlos nachzuvollziehen und spannend zu lesen. Das wiederum dürfte am Ende hoffentlich dazu beitragen, dass sich in Zukunft noch mehr Menschen mit den hier dargelegten Problemstellungen und ungeahnten Möglichkeiten einer digitalisierten Welt auseinander setzen ohne gleich vor einer „Digitalen Demenz“ zu warnen.
// Ein Werk über das Thema Blasmusik zu schreiben, ist heutzutage ein äußerst gewagten Unterfangen. Die junge Autorin Vea Kaiser aber meistert diesen Drahtseilakt auf kuriose Weise. Schon der Untertitel des Buches namens „Wie die Wissenschaft in die Berge kam“ macht deutlich, dass es sich hierbei keineswegs um eine bloße Ansammlung von sachdienlichen Informationen handelt. Danz im Gegenteil. Die Autorin hat mit „Blasmusikpop“ einen echten Generationen-Roman aus dem Ärmel geschüttelt. Die Geschichte selbst dreht sich um eine Familie, die sich vollends ihrer Liebe zur Wissenschaft verschreibt. So folgen wir unter anderem Johannes A. Irrwein bei seinem Streifzug durchs Leben. Gerade am Matura gescheitert, sieht er sich mit der Situation konfrontiert, eventuell doch sein weiteres Leben in einem traditionelle Alpen-Ort verbringen zu müssen. Dabei wollte Johannes doch schnurstracks in die große weite Welt hinaus, wenn der Ernst des Lebens erst einmal vorbei ist. Weil er nun aber in St. Peters festsitzt, entschließt er sich dazu, aus der Not eine Tugend zu machen und die Geschichte seines Heimatortes niederzuschreiben. Dabei allerdings schlittert er in so manche kuriose Situation, welche die Autorin mit viel Charme und Witz ausstattet, so dass man als Leser aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommt. Wenn eine Liebe zur Wissenschaft auf den harten Alltag trifft, ist das Chaos vorprogrammiert und man darf sich als Leser auf 450 Seiten sympathischen Wahnsinns freuen. Wer also mehr wissen möchte über Fischbandwürmer, schwangere Dorfprinzessinnen und natürlich jede Menge Blasmusik, sollte unbedingt mal reinschnuppern. Es lohnt sich.
// Neil Young zählt mit Sicherheit zu den wichtigsten Musikern seiner Generation. Mit „Heart Of Gold“ und „Down By The River“ hat er nicht nur ein paar unvergessliche Rock-Klassiker aus dem Ärmel geschüttelt, er hat sich auf seine alten Tage auch dazu entschlossen, die Geschichte seines Lebens ins Literarische zu überführen. Sein Werk, das er mit dem schönen Titel „Ein Hippie-Traum“ versehen hat, thematisiert dabei alle wichtigen Stationen im Leben des Musikers. Seit den 60er Jahren ist der Musiker aus der Rock-Szene nicht mehr wegzudenken und verschafft sich 1970 mit seinem Soloalbum „After the Gold Rush“ erstmals Aufmerksamkeit weit über Szenegrenzen hinaus. Was folgte war der viel beachtete Einstieg bei „Crosby, Stills & Nash“, der ihm endgültig einen Status als absoluter Kult-Musiker sicherte. So war Young durch seine kompromisslose Art unter anderem Wegbereiter für zahlreiche Ikonen der allseits beliebten Grunge-Szene und machte auch abseits des musikalischen Trubels immer wieder von sich hören. Einen Blick in sein Innerstes präsentiert er nun erstmals in seiner aktuellen Autobiographie. Darin wartet der Musiker nicht nur mit zahlreichen Anekdoten aus seinem bewegten Leben auf, sondern auch mit zahlreichen Hintergrundinformationen zu den unterschiedlichen Stationen seiner Karriere als Musiker. Er schreibt über seine Liebe zu Hawaii, über die bewegten Tage in den 60er Jahren und über seine ersten Schritte als Künstler. Die einzelnen Lebensabschnitte werden mit sehr vielen humoristischen Passagen gekontert, so dass man auch als Neil Young-Neueinsteiger sehr viel Spaß mit der Lektüre dieses Buches haben kann.
// Beth Ditto wiederum hat in der Zwischenzeit das scheinbar Unmögliche geschafft. Sie hat sich als Sängerin einer weitestgehend unbekannten Elektro-Punk-Combo zu einer der Stilikonen der heutigen Zeit gemausert. Das ist umso bemerkenswerter, weil sie so überhaupt nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, welches heute im Rahmen zahlreicher Magazine den Mainstream zu reflektieren scheint. Im Rahmen ihres Buches „Heavy Cross“ erzählt sie nicht nur von den zahllosen Momenten, in denen sie sich enttäuscht in ihre vorgezeichnetes Schicksal fügen sollte. Doch anstatt als Krankenschwester oder Mutter zu enden, entscheidet sie sich schließlich für die andere Alternative und proklamiert: „Kiss My Ass“. Im Rahmen ihres Buches erfahren wir in diesem Zusammenhang nicht nur zahlreiche Dinge über ihre großen Erfolge mit der Rock-Band „The Gossip“, die heute auf den großen Festivalbühnen des Landes steht, man erfährt auch viel Persönliches über Beth Ditto, die als Kind immer „Breitarsch“ genannt wurde und sich am Ende über alle gängigen Konventionen erhoben hat. Wie heißt es so schön… „Wer zuletzt lacht, lacht am Besten“. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?