// zuckerbeat vol. (1)06 – more than a feeling

Pünktlich zum Vorweihnachtsgeschäft wird mal wieder raus gehauen, was in den Regalen der Plattenfirmen noch so vor sich hin schimmelt. Dementsprechend kommt nun auch ein 92er Auftritt von Nirvana auf den Cd- und DVD-Markt, die sich gewaschen hat. Beim „Reading“ brettert sich die Band durch ein atemloses Set vor noch atemloseren Zuschauern. Bei „About A […]

nirvana-live-at-readingPünktlich zum Vorweihnachtsgeschäft wird mal wieder raus gehauen, was in den Regalen der Plattenfirmen noch so vor sich hin schimmelt. Dementsprechend kommt nun auch ein 92er Auftritt von Nirvana auf den Cd- und DVD-Markt, die sich gewaschen hat. Beim „Reading“ brettert sich die Band durch ein atemloses Set vor noch atemloseren Zuschauern. Bei „About A Girl“, „Smells Like Teen Spirit“ und Konsorten mimt Cobain den Erretter und Geisteskranken in Personalunion mit weißer Schürze und haut vor Letzterem sogar eine schmissige „More Than A Feeling“-Referenz an Boston(!) raus. Da fehlen einem die Worte. Beeindrucken auch, wie die Crew immer wieder Freiräume in den Songs nutzt, um zu improvisieren. Das Problem, dass sich oft bei Live-Aufnahmen einstellt, dieses Gefühl: man wäre da doch lieber mitten drin, als nur vom Sofa aus zuzuglotzen, kommt bei „Live At Reading“ zwar auch auf, aber trotzdem erfüllt einen die Scheibe mit einer gehörigen Portion Nostalgie. Jeder, der dieser musikalischen Legende aus Seattle etwas abgewinnen kann, sollte zugreifen. Zudem der Auftritt mit allerhand Songs punktet, die man in diesem Zusammenhang nicht unbedingt auf dem Schirm hatte.

jay-z_blueprint3_cover-400x400Ein weiterer Musiker, der sich irgendwann im Jenseits mit den ganz Großen des Geschäfts an einen Tisch setzen darf, der aber trotz zahlreicher Ankündigungen, das Mikro für immer an den Nagel zu hängen, immer noch am Start ist, hat in diesen Tagen ebenfalls ein neues Album veröffentlicht. Die Rede ist natürlich von niemand Geringerem als Jay-Z. Sein Reim-Flow bahnt sich auch auf der dritten „Blueprint“-Ausgabe seinen Weg in Richtung Hörerherzen. Jay-Z klingt so frisch, dass man ihn bitten möchte, bis ins hohe Alter eines Johnny Cash mit dem Rappen fort zu fahren. Dazu gibt er sich mit den Größten seiner Zunft die Klinke in die Hand. Kanye West und Kid Cudi sind ebenso am Start, wie Alicia Keys, Mr. Hudson und Rihanna. Ebenfalls sehr gelungen: die verstrahlte Eröffnung mit Unterstützung von Luke Steele (von Empire Of The Sun). „The Blueprint 3“ löst das Versprechen ein, dass Jay-Z bereits mit seinem Comebackalbum angekündigt hatte, aber noch nicht einlösen konnte. Mit diesen 15 Songs holt er sich die Krone des Rap zurück. Jede Punchline sitzt. Alles bewegt sich im Fluss. Wir lassen uns treiben und warten freudig auf eine Kollaboration mit Oasis. Ach so, die gibt’s ja nicht mehr. Schade, eigentlich. Größenwahnstechnisch hätten die Musiker nämlich so einiges gemeinsam.

the-rumble-strips-welcome-to-the-wa-474797In der britische Indie-Szene geht’s inzwischen zu wie bei „Ene, Meine, Miste…“. Erst rappelts ganz ordentlich. Dann nämlich, wenn mal wieder ein neuer Hoffnungsträger am Firmament zu sehen ist und ein schmissiges erstes Album raus haut. Beim zweiten Album wird dann wiederum mit allen Mitteln versucht die einst so geliebte Band im ganz großen Stil den Rockstartod sterben zu lassen. Die Rumble Strips haben in dieser Hinsicht zumindest den Vorteil, dass der Hype um die Band beim durchaus gelungenen Erstling nicht völlig aus dem Ruder lief. So dürften sich auch die Erwartungen bezüglich des nun vorliegenden Nachfolgers „Welcome To The Walk“ in Grenzen halten. Das Album hat dennoch eine ganze Reihe charmanter Hits im Gepäck. Die Musik bewegt sich im Grenzgebiet der Libertines gepaart mit einer gehörigen Portion Bläserpop. Was auf dem Vorgänger bisweilen noch etwas schroff zusammen geschustert wurde, wird hier galant zu einem 11teiligen Hitfeuerwerk zusammengepanscht und für die selige Partymeute in hübsch arrangierte Brit Pop-Kracher transformiert. Nahezu im Drei-Minuten-Takt wird ein Schlachtgesang nach dem anderen aus den Boxen geschleudert, als wollten die Rumble Strips den üblichen Verdächtigen Marke Kaiser Chiefs und Konsorten die Ideen vor der Nase wegschnappen. Manche werden jetzt wieder sagen, dass das Ding schon seit zwei Jahren endgültig durch ist. „London“ und „Rainsdrops“ rufen trotzdem schöne Erinnerung an den zurück liegenden (Rock-)Sommer ins Gedächtnis.

claudeClaude VonStroke vernebelt uns derweil die Sinne mit seinem „Bird Brain“, auf dem er unter anderem mit Bootsy Collins als Gaststar aufwartet. Die Scheibe ist ein elektronischer Hafen, auf dem man nur zu gerne andockt. Die zehn Tracks des amerikanischen House-Produzenten aus San Francisco, der im bürgerlichen Leben Barclay Crenshaw heißt, wirken ebenso schnörkel- wie zeitlos. Fans von technoiden Sounds können in diesem Fall blind zugreifen. Genau festzumachen ist die Faszination nicht, die von seiner Scheibe ausgeht. Im Grunde genommen haben wir es bei „Bird Brain“ mit einem klassischen Elektro-Werk zu tun, dennoch versteht es Crenshaw hervorragend Dynamik herzustellen, so dass man schon nach wenigen Sekunden ungeduldig auf dem heimischen Sofa hin und herwippt.

brettanderson_slowBrett Anderson von Suede legt derweil mit „Slow Attack“ einen ziemlich fixen Nachfolger seines famosen Debüts vor. Allerdings nur in veröffentlichgstechnischer Hinsicht. Die Songs wirken vielmehr getragen, was ihnen aber nichts von ihrer Faszination raubt. Wenn sich Hörner, Klavierklänge und Cello in Andersons Stücken vereinen, wirkt das, als wollte sich der Musiker endgültig aus unserer Umlaufbahn verabschieden. Bemerkenswert ist immer noch sein Organ, das immer genau im richtigen Moment eine schluchzende Oktave nach oben wechselt, um dann gemeinsam mit dem Hörer watteweich zu Boden zu plumpsen. Man fühlt sich wohl behütet von diesen Klängen. All diejenigen, denen die ganz großen Brit-Pop Hymnen der 90er eine echte Herzensangelegenheit waren, werden Brett Anderson für dieses Album ein Denkmal setzen. Der eine oder andere Song, der mal einen Gang nach oben schaltet, hätte vielleicht für eine Spur mehr Abwechslung gesorgt. Aber Mr. Anderson zieht sein Ding bis zum Ende gnadenlos durch. Ein bemerkenswertes Album eines großen britischen Künstlers, der einfach nicht daran glauben mag, dass die große Zeit des britischen Rock endgültig vorbei sein könnte. Ich liebe Sänger, die konsequent sind. Dementsprechend ist dieses Album vor allem eines: liebenswert bis zum Schluss.

die-verhaltnisse-rockenDie Verhältnisse rocken“ derweil Spillsbury und Konsorten auf dem gleichnamigen Attac-Geburtstags-Sampler. Auf dem finden sich neben den werten Elektro-Ballerinas im Punkrockoutfit auch Madsen, die Donots und Sportfreunde Stiller. Die Songs sind zwar bisweilen bekannt, dennoch macht es derbe viel Spaß „Oh Jonny“ von Jan Delay oder „Hilf dir selbst“ von Bela B. in diesem Zusammenhang noch mal aufs Neue aufs Zwerchfell katapultiert zu bekommen. Weitere Geburtstagswünsche kommen von Bernadette La Hengst, Knarf Rellöm, den Sternen, Bap(!) und Chumbawamba. Ein Rundum Glücklich Paket, um die trüben Herbsttage zurückzuschlagen. Deshalb auch von unserer Seite Herzlichen Glückwunsch zum Zehnjährigen. Die Welt braucht Netzwerke, wie eures. Also bitte schön weiter rocken.

lpm25_coverAuf „Le Pop 5“ bekommt man derweil mal wieder eine ganze Reihe imposanter NewcomerInnen aus Frankreich vorgestellt. Daneben schaffen es aber auch ein paar alt gediente Popromantiker, wie Benjamin Biolay und Marianne Dissard auf den Sampler, der gegen Ende immer besser wird. Das abschließende „Comme Des Enfants“ von Coeur De Pirate drückt alle an die Wand, die vorher dran waren. Begleitet von einer herzergreifenden Pianomelodie, sing-quäkt sich die Protagonistin durch diesen einfach nur zauberhaften Song. Ebenso bemerkenswert: Der zweistimmig intonierte Opener von Olive Et Moi. Ansonsten darf sich wieder jeder seinen neuen Lieblingsact heraus picken. Auch im fünften Anlauf stellen sich im Hause „Le Pop“ keinerlei Ermüdungserscheinungen ein. Wir freuen uns jetzt schon auf die Fortsetzung und importieren derweil fröhlich die entsprechenden Alben nach.

rumen_welco_1Rumen Welco setzen sich derweil mit der akustischen Klampfe ans Lagerfeuer und deklinieren auf „I Never Learned To Raise My Fist“ den klassischen Liedermacherpop von vorne bis hinten durch. Verankert in traditionellen Folk-Gefilden schmiert einem das Quintett auf seinem neuen Album reichlich Honig ums Maul, ohne dass man einen Zuckerschock erleiden würde. Der Wechselgesang von Diana Kirsch und Mathias Weilandt sorgt für Abwechslung, kann aber am Ende auch nicht verhindern, dass man als Hörer mit zunehmender Lauflänge die Aufmerksamkeit immer wieder anderen Dingen zuwendet. Ein bisschen mehr Schmackes hätte es schon sein dürfen. Ein paar mehr Stücke im Stile von „Denver“ und da könnte in Zukunft noch einiges gehen. Wir gehen derweil auch mal. Also lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.