// zuckerbeat vol. (1)07 – the mirrors lie those aren´t my eyes

Wie konnte es nur so weit kommen? Diese ganz wunderbare Musik, die früher mal „Emo-Core“ hieß, ist inzwischen zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen. Ein Act gleichförmiger, als der andere schießt da aus dem Boden und man fragt sich, wo die ganzen Cartels, All Time Lows, Every Avenues und Mayday Parades nur das ganze Gel […]

sdre_diaryWie konnte es nur so weit kommen? Diese ganz wunderbare Musik, die früher mal „Emo-Core“ hieß, ist inzwischen zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen. Ein Act gleichförmiger, als der andere schießt da aus dem Boden und man fragt sich, wo die ganzen Cartels, All Time Lows, Every Avenues und Mayday Parades nur das ganze Gel auftreiben, dass sie sich nur zu Genüge zwischen Haar und Song schmieren, damit auch alles schön glatt läuft. Blickt man sich in der Szene um, scheint neben einigen ambitionierten Acts, wie Say Anything, Saves The Day oder Transit nicht mehr viel geblieben von dem verschrobenen Leid aus vergangenen Tagen. Nirgendwo mehr ein Funken Langlebigkeit, es regiert die Gleichförmigkeit. Alles ist auf den großen Moment getrimmt. Ein Genre wird zum Ausverkauf frei gegeben. Umso besser, dass uns Sunny Day Real Estate just in diesem Moment noch einmal vor Augen führen, wofür diese Musik eigentlich ursprünglich einmal stand. Auf ihrem gleichnamigen pinken Album (alias „LP2“) und dem All-Time-Klassiker „Diary“ führen sie vor Augen, wie man Emotionalität in Popsongs überführt, ohne dass dabei das Gefühl zugrunde geht. Die Musik wirkt so spröde, dass es teilweise weh tut, ihr zuzuhören. Man suhlt sich in diesen wehleidigen Songs, weil man merkt, dass da mehr dahinter steckt. Es sind Sätze, wie „The Mirrors Lie Those Aren´t My Eyes“, die einem das Herz brechen. Sunny Day Real Estate gehen dorthin, wo nur noch eine bestimmte Szenerie zu beschreiben vermag, wie es in einem aussieht. Und auch wenn es einem Zeilen wie diese nicht immer leicht sdre_lp2machen, die beiden Alben aufzulegen. Sie jagen einen gerade in solch trüben Tagen wie jetzt mit jedem weiteren Durchlauf immer wieder einen Schauer über den Rücken. „Diary“ (1994) und „LP2“ (1995) gelten nicht umsonst als Blaupause des „Emo“-Genres. Nun werden die beiden Werke in hochwertigem Look und bestückt mit jeweils zwei Bonus-Songs noch einmal neu aufgelegt. Eine passende Reunion Tour gibt’s dazu auch noch. Die Fans wird’s freuen. Alle anderen, die sich vielleicht heute noch zu den Songs von Jimmy Eat Worlds „Clarity“, Weezers „Pinkerton“ oder Texas Is The Reasons „Do You Know Who You Are?“ an den ersten großen Herzschmerz erinnert fühlen, Sunny Day Real Estate aber bisher nicht auf dem Schirm hatten. Unbedingt mal nachhören. Diese Musik bricht einem das Herz.

chromeo_dj_kicksChromeo gewähren einem derweil in der neuesten Ausgabe der „DJ-Kicks“ einen Einblick in ihre musikalischen Vorlieben. Die liegen, wer hätte es gedacht, im 80er Jahre Disco-Pop versteckt und versprühen -in dieses atemloses Mix verpackt- einen äußerst mitreißenden Charme. Immer wieder ertappt man sich, wie man sich als Hörer kurzerhand in die weiche Wolle der Vorhänge einwickelt, um dann mit einem euphorischen Grinsen aus dem Pelz zu purzeln und den hauseigenen Teppichboden in eine Tanzfläche zu transformieren. Yep, hier geht’s rund. Kleine Peinlichkeiten inklusive. Wie zum Beispiel der Sound aus dem Hause Alan Parsons Project, welcher das freudige Treiben beendet. Chromeo machen mit diesem Mix mehr als deutlich, worum es ihnen geht: den Tanzboden besetzen und dann Step links, Step rechts, Hände hoch und „Moving Up“. Dieses Mix klingt wie Aerobic für Fortgeschrittene. Chromeo würfeln Helium, Melodien und Funk-Pop zusammen, dass es eine wahre Freude ist. Schade nur, dass das alles schon so schnell wieder vorbei ist. Nach knappen 60 Minuten ist der geneigte Tänzer doch gerade mal am Aufwärmen.

joakimWer hinterher noch nicht ins Bett gehen möchte, kann sich aber auch in Richtung Milchstraße begeben. Joakim hat da nämlich einen kleinen Zwischenstopp eingelegt und auf seinem neuen Album ein retro-farbenes Gewand übergeworfen. „Milky Ways“ besticht nach dem nervenzerfetzenden Einstieg („Back To Wilderness“) durch elektronische Sounds der alten Schule. Irgendwo zwischen New Wave-Anleihen, Elektro-Geballer und verzerrten Melodiebögen versucht er der eingeschweißten Meute das Tanzen beizubringen, ohne dabei ins Klischeehafte abzudriften. Immer wieder bringt er den einen oder anderen charmanten Widerhaken in seinen melodie-beseelten Songs unter und sorgt damit dafür, dass „Milky Ways“ auch im heimischen Wohnzimmer nicht an Charme verliert. So richtig will er das Verquere ja auch gar nicht aus seiner Musik verbannen, weshalb in diesem Zusammenhang auch immer wieder davon die Rede ist, Joakim nähere sich mit diesem Album immer mehr dem Krautrock an. Das wiederum ist nicht völlig von der Hand zu weisen, wenn auch der tanzbare Aspekt in fast allen Stücken über die Nebelwand hinaus hechtet. So… „Let´s Dance“.

boxer_unionOder „Cry If You Want To“. Wer nämlich mal wieder Lust auf einen Breitwand-Mix aus Coldplay-, Kings Of Leon- und U2-Anleihen hat, könnte bei The Boxer Rebellion an der richtigen Adresse sein. Das sanfte Genöle des Sängers könnte auch bei so manches Strokes-Fan für wahre Freudensprünge sorgen. Heißt ja schließlich nicht umsonst „Union“, das neue Album der Jungs, die ehemals mal für Alan McGees renommiertes Label „Poptones“ die Charts hochstrampeln sollten, wie Zeichentrickfiguren mit Düsenjet unterm Popo, aber dann doch nicht so richtig zum Next Big Thing taugten. Nun läuft „Union“ trotz seiner zahlreichen Referenzen aber schon gut rein. Gibt man der Scheibe mehrere Durchläufe zur Entfaltung, entpuppt sie sich die Band als herbstmelancholische Alternative zur Radiohead-losen Veröffentlichungszeit. Das Rad der Rockmusik wird hier zwar nicht neu erfunden, trotzdem wohnt dem Sound dieser Band ein mysteriöser Charme inne, der sich auch im detailverliebten Zeichentrick-Video zu „Flashing Red Light Means Go“ widerspiegelt. Das nächste mal dann vielleicht noch eine Prise weniger Hall im Soundoutfit und die Jungs gehen doch noch steil. Alan McGee jedenfalls dürfte sich zu Tode ärgern, dass er die Jungs in die Wüste schickte. Die Scheibe von Glasvegas stecken sie mit diesem Album nämlich locker in die Tasche.

alexandria-quartet-alexandria-quartetThe Alexandria Quartet – eine ambitionierte Combo aus dem norwegischen Kopervik müht sich derweil daran ab, dem alten Haudegen Britpop nach der Bankrott-Erklärung durch Keane und Konsorten wieder neues Leben einzuhauchen. Auf ihrem gleichnamigen Album bewegen sich die vier Jungs zielsicher zwischen den Polen Travis und Razorlight. Hin und wieder wird dabei vielleicht eine Spur zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt, dennoch schafft das Alexandria Quartet immer wieder die eine oder andere Punktlandung mit dem grandiosen Opener „The Dark Side Of The Blues“, dem beschwingten „Into The Light“ oder dem hymnischen Piano-Schunkler „Ace Upon The Sleeve“. Die Band wandelt auf den ersten Blick mit diesem Album nahe am Abgrund zur gleichförmigen Vorabendserien-Untermalung, gibt man ihrem Werk allerdings ein paar Durchläufe, zeigt sich vor allem in textlicher Hinsicht ein Potenzial, das durchaus Hoffnung macht, dass aus dem Hause Alexandria in nicht allzu fernen Zukunft noch Großes auf uns zukommen könnte.

bad-boy-billBad Boy Bill – ein renommierter, elektronischer Musiker, der sich in den letzten Jahren vor allem im House-Bereich einen Namen gemacht hat, streut hinterher mit „The Album“ nach zahlreichen Mixtapes sein erstes richtiges Album unters Volk. Auf der Scheibe geht’s überraschend brachial zu, die Bässe wummern, die Punchlines sitzen und die Synthesizer laufen heiß. Dazu gesellt sich immer wieder die eine oder andere HipHop-Elektro-Dampfnudel, die nur darauf wartet, die Tanzfläche mit zuckersüßen Reimen zu überfluten. Mit freundlicher Unterstützung von Alyssa Palmer, Johanna Phraze, Alex Peace, Jessy Moss und Kid Infinity wird eine verzerrte Hymne nach der anderen abgeliefert. „The Album“ ist, wie schon die letzte Scheibe von MSTRKRFT ein Werk, das auf den großen Moment im Club zugeschnitten ist. Die Zeit des Aufwärmens scheint für Bad Boy Bill endgültig vorbei zu sein. Jetzt wird abgegangen. Vielleicht springt ja sogar ein Rang in den Charts dabei raus. Solange gilt: abwarten und abfeiern. Ist eben „ein Widerspruch in sich, genau wie Fruchtfleisch“, macht aber trotzdem viel Spaß.

warren-g-g-files-450x450Warren G lenkt Rap derweil zurück in entspannte Gefilde. „The G Files“, sein inzwischen siebtes Album, zeichnet sich vor allem durch seinen zurück gelehnten Sound aus, der schon „Regulate“ zu einem echten Monsterhit aufputschte. Der Rapper will es noch mal wissen, auch wenn ihn viele hierzulande bereits aus den Augen verloren haben. Für den erneuten Durchbruch im großen Stil hat er sich dazu reichlich Prominenz ins Studio geholt. Snoop Dogg, Raekwon, Nate Dogg und sogar Travis Barker von Blink 182 geben sich auf seinem neuen Album die Klinke in die Hand und hechten durch Straßenschluchten, wie Silver Surfer. Dieses Album ist wie geschaffen, um die Fensterscheiben der eigenen Karre nach unten zu kurbeln, auf Stufe „Chill Out“ zu schalten und das Leben einfach mal an sich vorbei ziehen zu lassen. Ein bemerkenswertes Album, dass den Charme von Dre ´s „The Cronic“ und Snoops „Doggystyle“ ausstrahlt. Einfach zurücklehnen und genießen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.