// zuckerbeat vol. (1)08 – wenn du weitermachst oder untergehst…

Eigentlich bin ich ja kein Freund von EPs. Die Dinger sind einfach immer viel zu schnell vorbei, im Falle der Pains Of Being Pure At Heart mache ich allerdings mal eine Ausnahme. Deren neuester Wurf ist nämlich wirklich „Higher Than The Stars“. Hinter dem sanften Rauschen jagt einem die Band eine Melodie nach der anderen […]

pains-of-being-pure-at-heart-higher-than-starsbEigentlich bin ich ja kein Freund von EPs. Die Dinger sind einfach immer viel zu schnell vorbei, im Falle der Pains Of Being Pure At Heart mache ich allerdings mal eine Ausnahme. Deren neuester Wurf ist nämlich wirklich „Higher Than The Stars“. Hinter dem sanften Rauschen jagt einem die Band eine Melodie nach der anderen um die Ohren, dass man meint, man würde auf Wolke Sieben sitzen und neben einem ein Funkenmeer ins Nirvana gefeuert. Ein Hit jagt den anderen und wenn dich schließlich „Falling Over“ mit seinem gefühlvollen Refrain endgültig aus dem lärmigen Korsett reißt, fühlst du dich plötzlich schwerelos und befreit. Schöner kann man Indierock nicht mit Pop vereinen. Jeder Song dieser Scheibe schreit geradezu nach einem Stadionchor und möchte doch im schwülen Licht des Clubs verklingen. The Pains Of Being Pure At Heart schreiben Musik für Menschen, die sich anstatt auf einer Fanmeile lieber im eigenen Zimmer rum treiben und die alten Scheiben von Belle & Sebastian und den Smiths auflegen. Wer mal wieder dahinschmachten möchte vor Glück, sollte sich unbedingt diese Scheibe zulegen. Er wird das Gefühl bekommen, diese Musik würde ihm ganz allein gehören. The Pains Of Being Pure At Heart schreiben Songs, die einem sofort ans Herz wachsen. Dort verharren sie dann, solange bis man sie dem einen Menschen vorspielt, der es wert zu sein scheint. Macht irgendwie romantisch, diese Platte.

nofxUnd weil es gerade so schön ist in der Welt des Kleinformats, schauen wir hinterher gleich mal bei NOFX vorbei und streifen zusammen mit „Cokie The Clown“ durch einen zehnminütigen Reigen der Glückseligkeit. Am Ende lassen die Jungs zwar kurz mal den Melancholiker raus hängen, wenn „My Orphan Year“ im akustischen Antlitz erstrahlt, aber vorher wird einfach nur derbe auf die Kacke gehauen. Die Band präsentiert sich auf ihrer neuen EP in absoluter Bestform, trotzdem fragt man sich, warum die Tracks nicht bereits auf dem ebenso gelungenem Vorgängeralbum „Coaster“ platziert wurden. Mit dem gleichnamigen Titelsong und „Fermented And Flailing“ im Schlepptau hätte die Scheibe wahrscheinlich sogar zum späten Klassiker getaugt. So vertreiben wir uns allerdings die Vorweihnachtszeit, indem wir zu diesen treibenden Songs ein paar Weihnachtsbäume abfackeln oder Zirkuszelte einlegen. Natürlich alles nur Spaß. Da kann der „Cokie“ noch so böse drein schauen. Diese Scheibe pappt einem ein Grinsen ins Gesicht.

beatallicaDie Geschichte von Beatallica hat derweil auch schon einen Bart. Jetzt haben die Jungs auch noch angefangen J.B.O.-Songs zu Verwursten, was diesem Schwachsinn hier die Krone aufsetzt. „Masterful Mystery Tour“ ist Coverrock für ganz Arme. Tut mir echt leid, so charmant ich die Idee finde, den Sound der Beatles mit den Riffs von Metallica zu vereinen. Es funktioniert einfach nicht. Ich hab bei allen Songs das Gefühl in einem Volksfestzelt zu stehen und zehn Maß Bier über die Rübe gekippt zu bekommen. Alles in allem wird mit diesem Album mal wieder unter Beweis gestellt, dass viele Köche auch den schönsten Brei verhunzen. Deswegen am Ende doch lieber an die Originale halten.

basseyDie werte Grande-Dame ihrer Majestät – namentlich: Shirley Bassey – macht sich auf ihrem neuen Album daran, Songs von Gary Barlow und KT Tunstall zu verwursten. Klingt erstmal schlimm, wird aber gekontert durch zahlreiche Tracks, geschrieben von den Manic Street Preachers, Pet Shop Boys und Rufus Wainwright. Man kann sich bei „The Performance“ durchaus den Spaß erlauben, ein Ratespiel einzubauen, während die Scheibe vor sich hinläuft. Welcher Künstler hat jetzt wohl diesen Song geschrieben? Ebenso zerrissen wirkt die werte Miss Bassey auf dem Album, das leider nicht die Magie ihrer alten 007-Aufnahmen ins Jahr 2009 zu transformieren vermag. Irgendwie klingt hier alles eine Spur zu gewollt. Die Arrangements wirken zu ausgeklügelt, die Protagonistin lässt sich in möglichst viele Schubladen pressen, ihr kommt dadurch aber auch das Gefühl für so manchen Song abhanden. Lediglich das gleichsam beschwingte und geschmachtete „Our Time Is Now“ schafft den Sprung auf die ganz große Bühne. Dabei könnte Shirley Bassey mit diesem Album durchaus wieder an die Spitze der Charts zurückkehren. Sollte es soweit kommen, werden sich die Fans trotzdem nach den alten Klassiker zurück sehnen. Ist ja auch gar nicht so einfach gegen den eigenen Legendenstatus anzustinken.

frankie-goes-to-hollywoo-frankie-say-great-488161Frankie Goes To Hollywood versuchen es deshalb auf ihrem neusten Release erst gar nicht. „Frankie Say Greatest“ besteht fast ausschließlich aus bereits bekanntem Material. Der größte Kracher namens „Relax“ darf gleich drei Runden drehen und wird hier in bisher nicht bekannten Versionen noch mal aufs Tablett gehievt. Ist eben Weihnachten und da finden sich sicher zahlreiche Käufer, die Songs wie „The Power Of Love“ und „Is Anybody Out There?“ gerne noch mal in veränderter Reihenfolge aufs Brot geschmiert bekommen. Sind ja bisweilen durchaus tolle Tracks, die allerdings aufgrund des hohen Kuschelrockanteils allzu oft ins Klischeehafte abdriften. Alles in allem ist „Frankie Say Greatest“ lediglich eine Sache für Hardcore-Anhänger, die wirklich alles von einer Band haben wollen.

FOB_GH_MINI_5x5_FNLWomit wir auch schon bei der nächsten „Best Of“ angelangt werden. „Believers Never Die“ heißt sie und stammt aus dem Hause Fall Out Boy. In diesem Fall allerdings muss ich zugeben. Auf diese Weise verabreicht kickt das Material der Jungs ganz schön rein. Wer die Emo-Boys bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, sollte sich das Teil hier unbedingt zulegen. Gerade die alten Stücke Marke „Grand Theft Autumn / Where Is Your Boy“, „Saturday“ und „Dead On Arrival“ strahlen einen Charme aus, den die späteren Werke leider vermissen lassen. Fall Out Boy sind ja schließlich mal mit einem fetten Augenzwinkern gestartet, bevor sie irgendwann zu einer Karikatur ihrer selbst verkamen. Auf „Believers Never Die“ kann man sich noch mal einen Überblick verschaffen, wie aus einer ambitionierten Band irgendwann ein Haufen Posterboys wurde. Inzwischen ist alles auf den großen Popmoment zugeschnitten. Die neue Single „Alpha Dog“ wirkt wie ein feuchter Furz gegen das wunderbare „Thnks Fr Th Mmrs“. Das gelungene „Beat It“-Cover läutet dann allerdings den endgültigen Wandel ein – alles was danach kam ist Popmusik in ihrer reinsten Form. Fall Out Boy liefern das passende Futter für einsame Teenager-Herzen. Mit ihren alten Songs machen Fall Out Boy deutlich, dass noch viel mehr in ihnen steckt, als man nach dem Genuss ihres letzten Albums erwarten könnte. Hoffen wir, dass sie ihre Qualitäten in Zukunft wieder abrufen, schließlich möchte man ja auch noch am Start sein, wenn der Glitzerstaub nicht mehr so in den Haaren klebt.

one_eskimo_3357_xxlOne Eskimo kann man derweil nur lieb haben. Das ist nicht etwa der nächste Zeichentrickheld aus dem Hause Moby, nein: One Eskimo ist ein bemerkenswerter Songschreiber im Grenzgebiet von Thom Yorke und Sean Lennon. Die anfangs etwas glatt wirkende Produktion stört spätestens beim dritten Durchlauf nicht mehr besonders, weil man merkt, dass hier wesentlich mehr dahinter steckt, als schlichter Schmachtgesang „All Balloons“ lullt einen ein mit all seiner zärtlichen Harmonie und das kitschige Frontcover wird immer mehr zum lieb gewonnenen Begleiter beim Überfahren einsamer Landstraßen, die einen in dunkler Nacht den Weg zurück nach Hause weisen. Zuhause allerdings, das ist man schon in diesen Songs. One Eskimo öffnet einem das Herz…

kettcargenauso wie das neue Live-Dokument aus dem Hause Kettcar. Was da um 5.43 Uhr in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel auf Band gebannt wurde, ist schlicht und ergreifend magisch. Die Band, umringt von einem Streichquartett spielt ihre Songs passend zur Morgenröte und öffnet einem das Herz, wenn sie die ersten Töne von „48 Stunden“ in ihre Instrumente schmettert. Ich hab eigentlich das komplette Konzert lang Gänsehaut, während ich Richtung Bildschirm starre. Selbst wenn ich jetzt gerade an den Auftritt zurück denke, überkommt mich ein sanfter Schauer. Diese DVD gibt mir das Gefühl noch mal an den Ort zurück kehren zu können, an dem ich zum ersten Mal das Debüt der Band vernehmen durfte und wusste, dass das meine Platte ist. Das war das Album auf das ich all die Jahre gewartet hatte. Kettcar gaben mir damals mit ihrer Musik ein Zuhause. Mit „Live auf Kampnagel 5:43 a.m.“ bringen sie mich zurück zum „Balkon gegenüber“. Ziemlich beschissene Aussicht eigentlich… aber ein verdammt gutes Gefühl. „Viel Glück heut Nacht und viel Glück demnächst, wenn du weitermachst oder untergehst, wenn du aufhören willst und einsehen musst – zwischen komm zurück und wirklich Schluss“. Schluss!