// zuckerbeat volume 42

Ist doch immer wieder schön, wenn sich Bands auf ihrem Debütalbum gleich mal selbst zu Grabe tragen. „The Curse Of The Sugars“ hat jedenfalls das Potenzial, die Szenerie einer Schneelandschaft in die Atmosphäre eines Lynch Films zu tauchen. Soll heißen: Hier preschen die Gitarren so garagen-verbluest nach vorne, dass die Raveonettes ziemlich neidisch werden dürften, […]

the-sugars.jpgIst doch immer wieder schön, wenn sich Bands auf ihrem Debütalbum gleich mal selbst zu Grabe tragen. „The Curse Of The Sugars“ hat jedenfalls das Potenzial, die Szenerie einer Schneelandschaft in die Atmosphäre eines Lynch Films zu tauchen. Soll heißen: Hier preschen die Gitarren so garagen-verbluest nach vorne, dass die Raveonettes ziemlich neidisch werden dürften, wenn sich die beiden zum ersten Mal über den Weg laufen. Wenn dann auch noch eine Prise Sixties-Verspultheit dazu kommt und eine Retro-Keule der Marke Rascals geschwungen wird, entpuppt sich das Ganze als derber Mix, der wie geschaffen ist, die Welt in ein sanftes Rot zu tauchen. Dazu noch ein paar lässige Mariachi-Moves, wie im äußerst verspulten „Fairytales Of Love“, und man fühlt sich schon fast wie zuhause in dieser ambitionierten Stilfabrik. Fast beiläufig scheinen die Zuckersüßen von der Insel dabei einen Hit nach dem anderen aus dem Ärmel zu schütteln. Irgendwann fragt man sich sogar, ob sie nicht vielleicht einen Zeitschalter im (Band)Büro angebracht haben, um ihren Sound möglichst authentisch abzuspulen. Jedenfalls hat man ein ähnlich subtiles Werk der süßlichen Verstörung lange nicht gehört. Was hinterher den Drang auslöst, erstmal runterzukommen. Etwas Easy Listening dürfte da nicht schaden. Vor allem, wenn dabei auch noch ein paar betörende Popmomente aus dem schönen Frankreich auf dich einströmen. Die Compilation „Le Pop – Les Fillesle-pop.jpg jedenfalls wirkt wie ein gekonnter Gegenentwurf zum klassischen Chanson-Tralala. Die Tracks sprudeln nur so über vor Ideen. Schon der Auftakt von Barbara Carlotti ist dermaßen von Details durchsetzt, dass man sich gar nicht satt hören kann an diesem Tisch voll Leckereien. Ja ihr habt richtig gehört. Man saugt diese Platte regelrecht in sich auf. Poney Express zum Beispiel überführen das französische Liedgut kurzerhand auf den Indie-Plattenteller und erinnern dabei an die rotzigen Klangsausen der Marke „Ca Plane Pour Moi“. Doris Park entführt dich anschließend in Richtung Hängematte und stupst dir mit sanften Reggaesounds zärtlich aufs Gemüt. Mélanie Pain von Nouvelle Vague haucht dir laszive Sätze ins Ohr. Und Coralie Clement wirkt wir eine wankelmütige Version von Carla Bruni, die sich über schick geschraubte Beats Richtung Babylon vorkämpft. Alles in allem also ein sehr empfehlenswerter Überblick über zeitgenössische Musik aus Frankreich, der ganz bewusst Grenzen auslotet. Das tut auch der allseits beliebte Lützenkirchen auf seinem aktuellen Release „Pandora Electronica“. Jedenfalls dürften diejenigen, die lediglich seine lutzenkirchen.jpgElektro-Ballermann-Hymne „3 Tage wach“ kennen, ziemlich überrascht sein, wie subtil sich der Künstler auf seinem ersten Longplayer präsentiert. Weitere Megahits der offensichtlichen Sorte sucht man jedenfalls vergebens. Stattdessen präsentiert Lützenkirchen auf Disc 2 einen Querschnitt seines bisherigen Outputs (in mp3-Überlängen Format) und platziert in bester Jacko-„HIStory“-Manier auch noch einen neuen Tonträger daneben. Dieser besticht durch jazzige Eskapaden, „Raveland“-Momente und jeder Menge Elektro- Trance- und House-Phantasien. Bei Lützenkirchen ist immer das erlaubt, was Spaß macht. Dabei erzeugt er das starke Bedürfnis, das Ganze auch mal live zu erleben. Also zögere nicht lange und schau am Samstag, den 27.12.2008, mal im Airport in Würzburg vorbei. Da steht Tobias Lützenkirchen nämlich hinter den Reglern und wird dir mit seinen Tracks einheizen, bis das Antlitz der Sonne langsam hinter den verschneiten Weinbergshügeln empor kriecht. Wer dann noch immer nicht genug hat, kann sich hinterher noch die volle Dröhnung in Form derprecious-mings.jpg Precious Mings rein pfeifen. Allerdings nur in Plattenform. Die haben für ihr aktuelles Album „Every Time I Sell A Record A Kitten Dies“ nicht weniger als drei Garnituren an Musikern verschlissen. Und musikalisch strömt da recht gelungener Gitarren-Keyboard-Sing Sang auf einen ein, der sich nur allzu perfekt dazu eignet, eine durchgefeierte Nacht zu beschließen. Hat man sich in dem bunten Treiben aus Lo-Fi-Romantik und hymnischen Sing A Longs erstmal zurecht gefunden, gewinnt die Scheibe mit jedem Durchlauf zunehmend an Reiz. Jedenfalls gibt sich Mastermind Boris Ming große Mühe, gängige Indie-Klischees immer nur sanft zu streifen, anstatt offensichtlich drauf los zu poltern. Alles in allem auf jeden Fall eine Platte, die sich nie so recht entscheiden möchte, wohin die Reise denn nun gehen soll. Ein Hauch des Geheimnisvollen umgibt diese Musik. Wie ein zerrissener Vorhang, der sich langsam von der Bühnendecke löst, dabei aber noch nicht bereit ist, den Blick auf die Wesentliche vollends frei zu geben. Was uns anschließend zu einem kleinen Trip in die 70er inspiriert. Da war allerorts das Funk-Fieber ausgebrochen. Auf der Compilation „German Funk Fieber 2“ wurden nun zahlreiche so genannte „Krauty Schlager Wonders“ von damals neu aufgelegt. german-funk-fieber-2.jpgEin paar systemkritische Schmankerl aus der ehemaligen DDR sorgen dabei für Auflockerung zwischen dem instrumentalen Allerlei stilvoller Funkmomente. „Auch wenn du laut sprichst, wird deine Lüge nicht wahr“ schallt es einem da von den inzwischen weitestgehend in Vergessenheit geratenen Dresdener Combo Lift entgegen (übrigens auch heute noch mit ständig wechselndem Line Up aktiv). Ansonsten sorgt Sigfried Schwab, der vielen vielleicht durch seine Arbeiten am Soundtrack des Kult-Streifens „Vampyros Lesbos“ ein Begriff ist, für den psychedelisch-tanzbaren Aufschlag, bevor schließlich der bekannte Filmmusiker Peter Thomas (Raumpatrouille Orion) das letzte Ass übers Feld schmettert. Dazwischen finden sich zahlreiche Raritäten der verfunkten Eleganz, die hier ihre CD-Erstveröffentlichung erfahren. Alles in allem also die perfekte Ergänzung für die retro-affine Plattensammlung, der ja schon der erste Teil dieser Reihe einige Leckerbissen abseits der plumpen Schlagergesellschaft hinzufügte. Etwas kräftiger in die Pedale getreten wird anschließend bei den Jungs von Trendtrend.jpg. Schlicht „Vier“ schimpft sich deren energisch stampfendes Punkrockbrett Turbostaatscher Gattung. Dass die Jungs dabei darauf achten, dass vor lauter Brachialität auch mal auf den melodischen Modus umgeschaltet wird, verschafft der Scheibe eine gehörige Portion Abwechslung. Trotzdem wirkt hier mancher Text etwas leicht zu durchschauen. Und es stellt sich die Frage, warum das Teil eigentlich „vier“ getauft wurde, wenn das doch eigentlich der dritte Release der Jungs ist. Ist das jetzt schon wieder der neue „Trend“, allen anderen einen Schritt voraus zu sein? Sachdienliche Hinweise bitte an die Redaktion weiterleiten. Und zwischenrein vielleicht mal auf ein Konzert der Jungs gehen. Da soll es nämlich laut zahlreicher Beobachter so richtig derbe abgehen. Ich jedenfalls werde erstmal dran bleiben und mir diese Scheibe so lange schön hören, bis sich die schwächeren Passagen in Wohlgefallen auflösen. Dieses Album verdient Aufmerksamkeit. Und schafft in seinen besten Momenten namens „Prinz von Homburg“ und „Freundliches Feuer“ das Kunststück, die Kompromisslosigkeit der alten Tage in poppige Eleganz zu überführen. Nicht so richtig warm werde ich hinterherbernhard-eder.jpg mit Bernhard Eder. Der klingt zwar auf seinem Album „Tales From The East Side“ sehr versiert und traumwandlerisch. Und die eingestreuten, Balkan-Momente sind sogar äußerst subtil mit den melancholischen Sounds verwoben. Aber wo ein Damien Rice immer wieder einen Widerhaken oder ein Schluchzen zu viel in seine Songs einstreut, um dadurch dissonant zu wirken, läuft Bernhard Eders Album geradewegs nach vorne, ohne viel Aufsehen zu erregen. Gerade in diesen herbstlichen Tagen dürfte dieses Album dabei zweifelsohne auf durchweg positive Resonanz in den einschlägigen Kneipen deines Vertrauens sorgen. Und sicher wird es nicht wenige geben, die sich in diesen Klängen in trauter Zweisamkeit vor den Kamin kuscheln, um den Funken des Feuers beim Salti schlagen zuzusehen. Mir allerdings fehlt irgendwie dieser Moment, in dem es „klick“ macht und man sich völlig auf den warmen Sound der Musik einzulassen bereit ist. Das gelingt mir dann wiederum bei Fuzzman. Der Bassist der wunderbaren Band Naked Lunch präsentiert auf seinem zweiten Album „2“ erhabene Momente der indie-poppigen Glückseeligkeit. Das ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil sich der Vorgänger noch in einem äußerst kargen Soundgewand präsentierte. Diesmal allerdings steuern die Songs auf den großen Popmoment zu. Man kann regelrecht die Flammen der Feuerzeugefuzzman.jpg sehen, die bei seinen Konzerten in Richtung Clubhimmel gereckt werden. Es gibt kaum einen Track auf dieser Scheibe, der einen nicht ergreift mit seiner hymnischen Eleganz. Ziel gerichtet werden zudem Stressmomente, wie „When Life Becomes A Handgranade“ zwischen die Songs gestreut, die dafür sorgen, dass man es sich nicht zu gemütlich macht in der Rolle des Konsumenten. In Mastermind Herwig Zamernik steckt nämlich immer noch ein Musiker, der die Zuhörer herausfordern will. Und gerade deshalb galoppiert man nur zu gerne mit „Old Man Down“ in Richtung Sonnenuntergang. Erfreut sich zu „Based On Nothing“ an der verzerrten Spiegelung des Mondes in der Wasseroberfläche. Und berührt sanft die Lippen der Herzallerliebsten zu den zärtlichen Tönen von „Love & Laugh“. Spätestens bei „A Break For The Broken Ones“ ist man dann wie erschlagen von dieser so detaillierten, wie emotionalen Musik und genießt einfach nur den schönsten Monta-Moment, den Tobi Kuhn nie geschrieben hat. Insgesamt ein über weite Strecken ergreifendes Indie-Pop Werk zu dem sich Melancholiker und Indierocker verstohlen die Hände reichen, um zum Abschluss einen Walzer aufs Parkett zu legen. Also lasst´s euch gut gehen. Peace, Love & Happiness und so… Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von: alexander nickel-hopfengart