// zuckerschock für den april 2013: sz bibliothek – graphic novels krimi

// Lange hat es gedauert, aber jetzt ist es endlich so weit. Die neue Staffel der „Graphic Novels“-Bibliothek der „Süddeutschen Zeitung“ steht in den Regalen und knüpft auch diesmal an das hohe Niveau der bisherigen Veröffentlichungen an. Im Gegensatz zu den zwanzig Bänden zuvor, haben sich die Macher diesmal dazu entschieden, sich voll und ganz […]

sz11// Lange hat es gedauert, aber jetzt ist es endlich so weit. Die neue Staffel der „Graphic Novels“-Bibliothek der „Süddeutschen Zeitung“ steht in den Regalen und knüpft auch diesmal an das hohe Niveau der bisherigen Veröffentlichungen an. Im Gegensatz zu den zwanzig Bänden zuvor, haben sich die Macher diesmal dazu entschieden, sich voll und ganz auf das kriminalistische Schaffen im Comic-Bereich zu konzentrieren. So bekommen wir in der dritten Staffel ausnahmslos Bände präsentiert, die sich allesamt auf unterschiedliche Weise mit den Themen Mord und Totschlag auseinander setzen.

Den Auftakt macht der Klassiker „From Hell“, welcher uns gleich zu Beginn 125 Jahre in der Zeit zurückspult. Der Band thematisiert die Ereignisse im so genannten „Whitechapel“-Viertel, wo sich zu jener Zeit ein gefürchteter Frauenmörder herumtreibt. Kenner des Genres dürften nun bereits erraten haben, worum sich die Geschichte dreht: die Rede ist natürlich von Jack The Ripper, dem wohl bekannteste Serienmörder der Geschichte. sz2Der steht im Mittelpunkt des Geschehens und wird von den ermittelnden Beamten fieberhaft gesucht. Dabei stellt sich heraus, dass auch die staatlichen Behörden eine ganze Menge Dreck am Stecken haben. Ob die Ermittlungen am Ende trotzdem zu einem Erfolg führen? Am besten du schnupperst selbst mal rein. Dem renommierten Autor Alan Moore gelingt es nach „Watchman“ und „V wie Vendetta“ einen weiteren Klassiker der Comic-Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln, der einem noch Tage später im Kopf herum spuckt. Nach diesem gelungenen Auftakt reisen wir ins Zürich des 20ten Jahrhunderts. sz3Der Erste Weltkrieg ist im vollen Gange und auch, wenn die Schweiz nicht direkt in den Konflikt verstrickt ist, herrschen zahlreiche soziale Spannungen in der Republik. Die drei Autoren und Zeichner Massimo Milano, Reto Gloor und Bruno Moser erzählen in ihrer Geschichte „Vallat“ von den Ereignissen in der Hauptstadt, die sich zum Zufluchtsort für Anarchisten und Radikale aus aller Herren Länder entwickelt. Eben zu jener Zeit erhält der Polizeibeamte Charles Vallat den Auftrag, sich als Spion unter die Beteiligten zu mischen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr, wodurch sich die Situation für Vallat immer weiter zuspitzt.

// „Paul Austers Stadt aus Glas“ wiederum spielt dann sehr gekonnt mit den unterschiedlichen Realitätsebenen. Zu Beginn geschieht erst einmal wenig Aufsehenerregendes. Der Schriftsteller Daniel Quinn gibt sich als Privatdetektiv aus und hilft einer Frau, deren Mann von ihrem wahnsinnigen Schwiegervater bedroht werden soll. Dann aber geschieht etwas Eigsz4enartiges. Im Zuge der Ermittlungen sieht sich Quinn plötzlich mit einem Autor namens Paul Auster konfrontiert, der selbst eine Geschichte mit Quinn in der Hauptrolle entwirft. So verschwimmen in der Graphic Novel von Paul Karasik und David Mazzucchelli die Grenzen zwischen Traum und Realität immer weiter und man ist als Zuschauer selbst nicht mehr sicher, was hier eigentlich gespielt wird. Den beiden Autoren gelingt es auf diese Weise ein bildgewaltiges, kriminalistisches Rätsel zu inszenieren, an dem man sich als Leser noch lange nach dem Schließen des Buchrückens die Zähne ausbeißt. Der Band „Tod eines Mörders“ von Jacques de Loustal und Philippe Paringaux schickt uns in der Zwischenzeit in die 50er Jahre zurück und konfrontiert uns mit einem totgeweihten Killer, der sich gegen sein Schicksal stemmt. Während ihn seine Krankheit dahin rafft, schnappt er sich seinen beiden Revolver und startet einen letzten mörderischen Feldzug. Ob er am Ende dennoch einen Hoffnungsschimmer am Horizont erhascht? Es lohnt sich mal reinzuschauen. Genauso wie in Isabel Kreitzs Erzählung „Die Sache mit Sorge“. Der Band dreht sich um den wohl legendärsten Spion des 20ten Jahrhunderts. Der Schein-Journalist Dr. Richard Sorge bekommt eines Tages mit, dass Hitler einen Angriff auf Moskau plant, was einen Bruch des gemeinsamen Pakts gleichkäme. Stalin kann das nicht glauben und ignoriert Sorges Warnungen. sz5Dann aber wird die Sowjetunion völlig unvorbereitet von der deutschen Wehrmacht angegriffen. In Isabel Kreitzs Geschichte, die komplett in schwarz-weiß gehalten ist, wird noch einmal nachvollzogen, wie die sowjetische Regierung die Erkenntnisse Sorges ignorierte und selbiger sich immer mehr aufreibt in seiner Doppelrolle als Agent und Journalist. Dadurch bekommen wir nicht nur einen tiefgreifenden Einblick in die geschichtlichen Ereignisse, sondern auch viele Informationen über den Protagonisten selbst. Die Autorin lässt in diesem Zusammenhang immer wieder Zeitzeugen zu Wort kommen, um das Bild des mysteriösen Spions zu komplettieren. Über Sorge selbst ist nämlich bis heute nur wenig bekannt und so kommen im Rahmen des Buches auch immer wieder seine Geliebte sowie ehemalige Mitarbeiter zu Wort, um die Lücken im Lebenslauf zu vervollständigen.

sz6// Die Geschichte um „Scarface“ wiederum sollte den meisten Lesern bereits aufgrund der beiden famosen TV-Verfilmungen von Trails Original-Roman aus den 30er Jahren bekannt sein. Es lohnt sich aber dennoch in die gleichnamige Graphic Novel hinein zu schnuppern, weil sie die Ereignisse noch einmal in düsteren Motiven aufgreift. Die Geschichte selbst dreht sich um den italienischen Einwanderer Tony Guarino, der sich zum gefürchteten Organisations-Boss Tony Camonte mausert. Während er auf den Straßen seiner Stadt das Leben als Bürger genießt, entwickelt er sich im Untergrund zum gefürchteten Gangsterboss, der auch vor eiskalten Morden nicht zurückschreckt. Am wichtigsten aber ist dem Protagonisten seine Familie und die droht im Sturm der Ereignisse immer wieder unter die Räder zu kommen. Ob sich Tony aus diesem Schlammassel noch befreien kann? Christian De Metter und Armitage Trail gelingt es mit ihrer Graphic Novel sehr gekonnt das Innenleben ihres Protagonisten auszuleuchten und die einzelnen Beweggründe für seine Verhaltensweisen herauszuarbeiten. Die düsteren Motive erinnern nicht umsonst an die Stimmung in der Erzählung „Shutter Island“, für welche Christian De Metter ebenfalls verantwortlich ist. Wer auf Mafia-Geschichtsz7en steht, kommt an dieser neuen Variante von „Scarface“ nicht vorbei. War ja auch bitter nötig, dass sich mal jemand an eine grafische Umsetzung dieser allseits beliebten Geschichte heranwagt. Die grafische Novelle „Die Packard Gang“ des französischen Zeichners Marc Malés führt uns derweil vor Augen, wie man einen Comic-Band in Szene setzen sollte, damit er auch für Erwachsene funktioniert. Die Story ist im „Film Noir“-Bereich angesiedelt und umkreist eine Gruppe von Bankräubern, welche die örtliche Polizei ganz ordentlich auf Trab hält. Wie der örtliche Inspektor hier fortwährend das bürgerliche Leben des Protagonisten John Foster infiltriert und versucht, dessen Fassade zu zerschmettern, erinnert in Sachen Atmosphäre an Film-Klassiker, wie „Citizen Kane“. Das Schattenspiel im Buch beeindruckt auch deshalb so sehr, weil es sich im übertragenen Sinne auch auf die Story des Bandes übertragen lässt. Soll heißen: Hier passt einfach alles zusammen und auch wenn die Detektivgeschichte bisweilen etwas dialog-lastig geraten ist und mit zahlreichen Zitaten durchsetzt ist – bemerkenswert ist es schon, wie sich die Geschehnisse in den Gesichtszügen der Betroffenen wieder spiegeln, ohne dass Malés dabei das Gefühl für die Charaktere abhandenkommt. Am Ende hat man das Gefühl, es hätte sich nicht nur in Story-technischer, sondern auch in graphischer Hinsicht etwas verändert. sz8Der Autor hat alles richtig gemacht. Er bricht hin und wieder mit den Regeln des Genres, wenn dies nötig scheint und erschafft auf diese Weise tiefgründige Charaktere, die sich nicht so einfach in die Karten blicken lassen. Zu guter Letzt wenden wir uns dann noch dem Band „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ zu, der von niemand Geringerem als Jon J Muth in Szene gesetzt wurde, welcher bereits mehrere Preise als Illustrator von Kinderbüchern bekommt hat. In seinem Werk, das auf dem gleichnamigen Fritz Lang-Klassiker basiert, welcher 1931 in die Kinos gekommen ist, stellt der Autor sein Gespür für das kriminalistische Genre unter Beweis. Mit seinen gemalten Bildern verpasst er der düsteren Geschichte eine bedrückende Atmosphäre. „M“ thematisiert in diesem Zusammenhang die Suche nach einem Kindermörder. Nachdem die Polizei nicht weiterkommt, macht sich das organisierte Verbrechen daran, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ob sie den Schuldigen finden? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich. Wie auch die alle vorab besprochenen Bände. Da freut man sich jetzt schon auf die kommende „Süddeutsche Zeitung Bibliothek“, welche hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.