// eine lanze brechen für das gesprochene wort

Martin: Was inspiriert dich wenn du schreibst? Dendemann: Im Grunde genommen alles. Es kann alles sein. Das stellt man natürlich meist erst hinterher fest, aber vom Taxifahrer bis zur letzten TV-Erfahrung, kann es alles sein. Also ich sauge erst einmal alles auf und irgendwann meldet sich die Idee bei mir. Das ist ja das Gute […]

Martin: Was inspiriert dich wenn du schreibst?
Dendemann: Im Grunde genommen alles. Es kann alles sein. Das stellt man natürlich meist erst hinterher fest, aber vom Taxifahrer bis zur letzten TV-Erfahrung, kann es alles sein. Also ich sauge erst einmal alles auf und irgendwann meldet sich die Idee bei mir. Das ist ja das Gute an Ideen, nach ihnen zu suchen bringt nichts, die melden sich schon.


Martin: Das war ja eine Steilvorlage auf meine nächste Frage. Denn wie kann man sich das vorstellen, wenn sich eine Idee herauskristallisiert? Musst du dann nachts raus und etwas aufschreiben? Kommen nur Bruchstücke auf an denen du dann später irgendwann weiterarbeitest oder sprudelt alles auf einmal hervor?
Dendemann: Also erstmal ist es so: du assoziierst irgendetwas, darauf kommt dir ein Satz, ein Wort, ein Gedanke, denn du für eine Idee hältst. Die wird dann von diversen Filtern noch einmal geprüft, auf Herz und Nieren und wenn die dann immer noch gut ist, dann hast du auch irgendwann das Gefühl: Das könnte ja mal ein Lied sein. Ab diesem Zeitpunkt funktioniert alles weitere recht automatisiert, dass einfach weiter Gedanken zu dem Thema gesammelt werden, das aber meist im Kopf. Irgendwann kommt dann der Tag an dem man sagt „ Joa das wäre doch mal schreibenswert“ , geht man diese Ideen, diese Festplatte nochmal durch und sucht sich ein paar Sachen davon raus und fängt an zu schreiben. Ich schreib aber auch gerne mal ins Blaue, doch meistens habe ich eine grobe Richtung, was daraus werden soll.

Martin: Ist es dann nicht eigentlich schwer seinen eigenen Ideen Ade zu sagen, wenn man merkt „ja das war irgendwie doch nicht so berauschend“? Oder kannst du gut selbstkritisch mit dir umgehen?
Dendemann: Ich sag mal so, das passiert natürlich permanent, täglich. Aber bei mir passiert das ganz selten das aus so einer Idee dann ein fertiges Stück geworden ist. Wo ich dann sage „hmm, da hätte man nochmal genauer darüber nachdenken sollen“. Meistens kommt das gar nicht zur Umsetzung.

Martin: Über welche Themen rappst du dann überhaupt nicht? Gibt es irgendwelche Tabus, oder Dinge, die du nicht für beredenswert hältst?
Dendemann: Das stimmt aber nicht vom Prinzip. Es gibt Dinge, die ich nicht sagen würde. Aber zu so etwas fällt mir jetzt auch kein Beispiel ein. Generell sollte man als Schreiber immer das Gefühl behalten man könne über alles sprechen. Es ist nur eine Frage des Wie. Es ist eigentlich auch das, was mich am meisten an der textlichen Entwicklung im deutschen HipHop stört. Nicht das da soviel Fäkalsprache verwendet wird, die Leute reden nun einmal so, oder das irgendwie alles in eine negative Richtung abdriftet, sondern eigentlich stört mich nur das Wie. Ich finde, es wird einfach unglaublich schlecht vorgetragen heutzutage. Bei den Inhalten muss jeder selber wissen, ob er es für aufschreibenswert hält, aber ich finde das technische Niveau so unglaublich schlecht hinsichtlich wie gerappt wird. Das finde ich viel gravierender, als wenn ich sagen würde „ sowas sagt man doch nicht“.

Martin: Was bedeutet für dich das Wie? Meinst du den Flow?
Dendemann: Ja alles. Reime, überhaupt das Textliche. Vom Satzbau bis zur Grammatik – ich will ja keinen HipHop hören von Germanistikstudenten- aber es ist einfach so lieblos hingeschissen. Das ist das, was bei mir das meiste Unbehagen auslöst. Es ist einfach schlecht gerappt. Es hört sich nicht an. Am Ende des Tages machen wir Musik und am Anfang des Tages stellen wir fest, dass wir doch alle Sklaven unseres Fan-tums sind und wir alle Vorbilder haben. Gerne natürlich so phat klingen würden, wie drüben. Aber es ist noch nie so schluderrich mit den Einflüssen umgegangen worden. Heute geht es nur noch darum, dass man möglichst nah herankommt an die Vorlage und nicht ob man seinen eigenen Entwurf davon schaffen kann.

Martin: Zur Rapptechnik. Kannst du dir vorstellen, dass es auch abstrakte Formen des Rap geben kann? Beispielsweise ein Text ohne Reim? Kannst du dir Neuerungen vorstellen in diesem Bereich oder hältst du das unwichtig/unsinnig?
Dendemann: Also ich glaube, da kann noch was gehen! Über Texte ohne Reim habe ich schon vor langer Zeit nachgedacht. Man müsste das eigentlich machen, um es einfach gemacht zu haben.

Martin: Daraus schließe ich, dass es dir wichtig ist zu experimentieren?! Oder bist du eher der traditionellere?
Dendemann: Kann ich nicht sagen. Also experimentieren würde ich das nicht nennen. Aber was Reimschemata und Flows angeht versucht man immer auf etwas Neues zu kommen. Gott sei Dank hilft dabei einem meist der Beat.

Martin: Wie wichtig ist den der Beat? Nach welchen Kriterien gehst du, wenn du dir einen Beat aussuchst, passend zu deinen Texten?
Dendemann: Die Musik ist zu 90% zuerst da. Es gefällt einem der Beat und entweder entsteht das Thema unter der Stimmung des Beats oder auf Grund der Freestyles, die man darauf ausprobiert. Manchmal gibt es auch ein Thema, das man als passend für den Beat empfindet.

Martin: Gab es schon Beats, die dir unglaublich gut gefallen haben, aber auf die du dann überhaupt keinen Text zustande gebracht hast?
Dendemann: Dutzende, ja!

Martin: Wie gehst du dann damit um? Ist man dann frustriert?
Dendemann: Ach es gibt schlimmeres!

Martin: Für mich, auch noch aus der Kenntnis über deine früheren Sachen, noch bei EinsZwo, galtest du als ungekrönter Wortspielkönig. Sitzt dir so etwas nicht im Nacken beim Texteschreiben, so dass du denkst „oh jetzt muss ich wieder einen drauf setzen, wieder ein geiles Wortspiel bringen“?
Dendemann: Das hat sich bei mir ziemlich verselbstständigt. Das ist ja auch das was ich meinte mit den Ideen. Du kannst nicht sagen, da muss jetzt ein Wortspiel rein. Denn du hast einfach zu viele Faktoren, die für das Gelingen so einer Zeile wichtig sind. Du musst den Reim haben, das müssen dann auch noch die letzten paar Wörter sein mit denen die Zeile endet.
Das muss trotzdem stimmig sein und nicht verdreht, so dass man es auch so sagen würde. Dann darf es auch nicht zu viel Text oder zu wenig sein, passend zum Beat. Ob da dann ein Wortspiel stattfindet, das entscheidet die Idee. Wenn das der Fall ist, dann kommt es rein. Wenn nicht und es ist gut, dann findet es bestimmt irgendwo anders seinen Platz. Ich hab keine Liste mit Wortspielen, die ich dann zuordne, oder so etwas.

Martin: Freust du dich dann über jedes Gelingen eines neuen Wortspieles? Oder ist das schon langsam Routine geworden?
Dendemann: Nein, nein. Die werden ja auch nicht mehr. Es ist ja nicht so, dass sie einem täglich zugeflogen kommen. Wenn es ein gutes gibt, dann freue ich mich schon! Aber das ist auch immer wichtig so etwas an jemandem dann zu testen.

Martin: Was dürfen wir denn noch von Dendemann in der Zukunft erwarten und erhoffen.
Dendemann: Also ich kann dir nur sagen, dass da noch einiges kommen wird. Ich werde auch meinem Ziel treu bleiben, etwas zu machen, was ich noch nicht gemacht habe.

Martin: Das heißt? Neue musikalische Wege?
Dendemann: Das wird überwiegend musikalischer Art sein, da ich textlich, denke ich, kaum große Veränderungen vornehmen sollte.

Martin: Also mehr von so etwas, wie die Zusammenarbeit mit den Beatsteaks. Wie ist es denn dazu gekommen?
Dendemann: Ja die haben mich gefragt. Erstens ob ich Vorgruppe machen möchte und dann sind sie noch an diesem Abend auf die zweite Idee gekommen ein Stück zu machen.

Martin: Hat dir das Spaß gemacht in diese Rockrichtung hineinzuschnuppern?
Dendemann: Das war musikalisch das Highlight dieses Jahr. Das hat mir sehr großen Spaß gemacht.

Martin: Zum Abschluss die Frage: Was macht für dich einen gelungen Tag aus?
Dendemann: Nach diesem Jahr würde ich sagen, nachts um zwölf Uhr trifft man sich am Busbahnhof Hamburg Sternschanze, steigt in einen, wie man sagt, Nightliner, also einem Bus mit Übernachtunsmöglichkeit und beginnt eine Tour und wacht nach ein paar Bierchen am nächsten Tag, mittags, irgendwo im deutschsprachigen Raum auf und sucht die Toilette, trinkt einen Kaffee, macht Soundcheck, tritt auf und hat Spaß!


// von martin bartelmus