Schon sehnsüchtig gewartet haben wir auf das neueste Werk von unserer Lieblings-Bernerin Sophie Hunger, die mit „1983“ schon mal George Orwell in Sachen Time-Dropping überholt. Die Kompromisslosigkeit der Musikerin ist dabei durchaus bestechend. War „Monday´s Ghost“ alles in allem ein in sich gekehrter Verrecker von Album, der mit Popanleihen nur so um sich warf, wendet sich Hunger nun wieder dem Variantenreichtum ihres Debütalbums zu und sorgt mit ihren bisweilen spröden Songs für neue Dringlichkeit. Man hat das Gefühl, dass sich da regelrecht etwas angestaut hat in der Künstlerin. Nun prasselt all das gnadenlos auf den Zuhörer ein und dennoch schafft es Hunger ihre Emotionen immer wieder in charmante Pop-Gefilde zu überführen. „1983“ ist ein Album, von dem man lange zehren wird. Fans des Vorgängers dürften beim ersten Durchlauf aber dennoch überrascht sind, was denn so alles in dieser Künstlerin steckt. Mir bleibt nur zu sagen: Schön, dass du wieder da bist, Sophie.
Kristof Schreuf bemüht sich derweil darum die Gitarre zu pudern. „Bourgeois With Guitar“ ist ein Coveralbum der etwas anderen Art. „My Generation“ im kirchlichen Chorgesang-Modus? Highway To Hell mit Pop-Perrücke? „Let There Be Rock“ auf Prog-Hop? „Search & Destroy“ im Kuschel-Indie-Look? Nichts scheint unmöglich für den ehemaligen Member von Brüllen. Manchmal nerven einen seine Versionen zwar bis aufs Blut, dann wieder schlängelt sich aber eine Nuance eines Stückes in den Vordergrund, die einen sofort dazu veranlasst, das Original noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Alles in allem ein etwas anderes Nachspiel-Werk. Durchaus gelungen auf seine Weise.
Ultravox versuchen derweil unter Beweis zu stellen, dass man als Band auch in Würde altern kann, ohne als schlechtes Abziehbild seiner selbst zu enden. Auf ihrem neuen Live-Epos „Return To Eden“, das im letzten Jahr im Londoner „Roundhouse“ aufgezeichnet wurde, präsentiert sich die Band in bester Reformations-Laune und bietet dem Publikum einen imposanten Einblick in das weitläufiges Schaffen der 80er Jahre. Höhepunkt des Sets ist natürlich das himmelhoch jauchzende „Dancing With Tears In My Eyes, bei dem zwar Midge Ures Stimme in die Knie geht, was das Publikum allerdings nicht davon abhält, vollends durchzudrehen. Ist eben live. Und umso schöner zu sehen, dass Ultravox nicht dazu neigen, die Aufnahme mit zusätzlichen Hilfsmitteln glatt zu bügeln. Es sind eben doch die Momente, in denen der schillernde Pop-Entwurf zu scheitern droht, die am Ende am Nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben.
Boozoo Bajou lullen uns hinterher mit einer gehörigen Portion Chill-Out-Atmosphäre ein, so dass man sich kurzerhand einen Schleier überwerfen möchte, um die Konturen der Welt vor sich verschwimmen zu sehen. Auf ihrem Beitrag zur Compilation-Reihe „Coming Home“ befinden sich erwartungsgemäß viele Sofasitzkissen-Erwärmer der Marke Linkwood Family, aber mit zunehmender Lauflänge wird auch Mitwipp-technisch versiertes der Marke Henrik Schwarz, Icasol und dem Motor City Drum Ensemble zusammen geknetet. Alle Sounds wurden von Florian Seyberth und Peter Heider formvollendet in einen schlüssigen Mix gegossen und sorgen so dafür, dass der Hörer bis zum Ende hin bei der Stange bleibt. Alles in allem ein schöner Zeitvertreib für alle Fans des Nürnberger Duos, die schon sehnsüchtig auf neuen Stoff der Wohlfühlexperten lechzen.
Jen Olive verdreht uns derweil den Kopf mit verwegenen Liedermacher-Klängen, die sich den gängigen Klischees verweigern. Aus ihren Songs grinst einen der charmante Experimentier-Schnabel einer Joanna Newson genauso entgegen, wie die eine oder andere beschwingte Melodie, die man stundenlang vor sich hin pfeifen möchte. Vielfalt ist also angesagt. „Warm Robot“ trotzt dem elektronisch angehauchten Überbau der Musik eine gehörige Portion Gefühl ab, man hat trotzt des Detailreichtums aber nicht das Gefühl es hier mit einem überambitionierten musikalischem Entwurf zu tun zu haben. Jen Olive schlägt vielmehr in die Bruchstellen der elektronischen Beats und sorgt damit für ganz großes Gefühlskino.
Woodpigeons neues Album „Die Stadt Muzikanten“ klingt derweil, als wäre die Band direkt der Popstar-Schmiede von Saddle Creek entsprungen. Man sollte sich vom Albumtitel aber nicht täuschen lassen. Was hier aus den Boxen dringt, wirkt als hätten Belle & Sebastian mit einer Hippie-Kommune Marke Beach Boys fusioniert. Zauberhafte Songs treffen hier auf sympathische Songtitel („Duck Duck Goose“) und lassen schönen Erinnerungen an Badly Drawn Boy aufkommen. „Die Stadt Muzikanten“ ist eines dieser Alben, das man am Ende des Jahres zufällig in einer Besten-Liste eines Lieblingsmusikers entdeckt und von dem man sich fragt, warum dieser Musik nicht bereits die halbe Welt verfallen ist.
Hegemund, der angejazzte Springbrunnen mit Elektosprengseln von Gottfried Tollmann und Ralf Hildenbeutel entstand in einem Zeitraum von zehn Jahren in den Metropolen Frankfurt und Paris. „Nuit Blanche“ lullt einen zu Beginn mit seinen jazz-affinen Schaumschlägern ein, um den Hörer dann immer wieder mit humorvollen Elektronikas und genussvollen Easy Listening-Parts bei der Stange zu halten. Die perfekte Scheibe, um an einem verregneten Frühlingstag auf dem Fenstersims zu sitzen und die Realität um sich herum auszuknipsen.
Das neue Album von Scumbucket kommt einem derweil gerade recht, wenn man endlich mal wieder in Vollendung die Nackenmuskeln trainieren möchte. Der treibende Auftaktkracher „Staring At Open Skies“ gibt die Richtung vor – Scumbucket wollen nach oben und zwar hurtig. „Sarsaparilla“ ist eine zu spät gezündete Sylvesterrakete, von deren Antlitz man einfach nicht genug bekommt. Zwischen Ken und Blackmail schmettern sie dem Hörer ihre energischen Rocksongs vor die Füße, so dass man kurzerhand das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten möchte, um zu sehen, ob man die waghalsige Kurve da vorne trotzdem noch kriegt. Am Ende steht das Maul weit offen: Was für ein Comeback! Damit lassen wir es uns jetzt erstmal gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?