Für die Indie-Pop-Reitschule vom New Young Pony Club dürfte es in kommerzieller Hinsicht rund gehen, wenn das neue Album der Band mit etwas Verspätung auch in hiesigen Breitengraden erhältlich ist. Zehn Songs, von denen fünf zur Hitsingle taugen – der Rest zum charmanten Plausch an der Theke einlädt, finden sich auf dem Album „The Optimist“, das auf einen losrennt, als wollte es einen „Post-NuRave“-Hype ausrufen. Die Scheibe bewegt sich irgendwo im Grenzgebiet von Monochrome, La Roux und Does It Offend You, Yeah!. Immer, wenn der Band das Pop-Outfit mal zu eng wird oder die Scheibe droht, eine Spur zu gleichförmig zu geraten, wagen sich die Ponys im Cluboutfit auf die Pferdeweide und schluchzen den Vollmond mit zurück gelehnten Melodien an. Dabei bringen sie es sogar fertig, ihrer Musik ein paar verschwurbelte Atari-Sounds unterzujubeln, ohne dass es allzu dreckig (pardon: trashing) klingen würde. Alles in allem: ein äußerst tanzbares (und gleichsam experimentierfreudiges) Erlebnis, das in zehn Schritten aufzeigt, wie man die „NuRave“-Geschichte noch eine Weile am Leben erhält.
Wer derweil ein bisschen nostalgisch werden möchte oder sich einfach nur fragt, wie das Ende der 90er eigentlich so war, als deutscher HipHop gerade zum ersten Großangriff auf die Charts ansetzte, der sollte sich die gelungene Zusammenstellung „Papa Professionell“ aus dem Hause Deichkind zu Gemüte führen. Die Crew vom Deich versammelt darauf in Gedenken an das verstorbene Bandmitglied Sebastian Hackert zahlreiche (nicht nur) HipHop-Songs aus einer Zeit, als Rapmusik noch vorwiegend als Sport angesehen wurde und man sich mit jedem Wortspiel gegenseitig zu übertreffen versuchte. Dementsprechend sind hier dann neben Deichkind auch Ferris MC, Fünf Sterne Deluxe (mit dem besten Song ihrer Karriere: „Ja, ja… Deine Mudder!“) und Eins Zwo am Start. Neben den sprachgewaltigen Großmeistern kommen auch Pop-Acts, wie Mia. (im zauberhaftem „Zirkus“-Remix von Pain Pleasure) und Miss Platnum zu Wort. Ansonsten freut man sich, Madsen und der Mediengruppe Telekommander mal wieder über den Weg zu laufen, genauso wie International Pony und Square One. Ein durchweg gelungenes Werk, das mit viel Liebe zum Detail zusammengeschraubt wurde.
Wer sich zur romantisch morbiden Bettruhe immer noch die „Murder Ballads“ von Nick Cave zu Gemüte führt, der kann sich in diesen Tagen an einer charmanten Compilation aus dem Hause „Trikont“ erfreuen. Auf „Murder – Songs From The Dark Side Of The Soul“ wird gemeuchelt, bis die Messerspitze blutet. Das mit dem Soul ist dabei nicht unbedingt wörtlich zu nehmen. Man wildert auch im Blues, Calypso, R&B und Hillbilly-Genre (vorwiegend der 30er und 50er Jahre), was allerdings nur dazu führt, dass die Scheibe bisweilen etwas zerrissen klingt. Andererseits sorgt dieser Rundumschlag der Stile für eine gehörige Portion Abwechslung, wenn so unterschiedliche Künstler wie Jimmie Rogers, Lord Executor und Billie Holliday an den Start gehen. Aufgehübscht wird das Ganze zudem von einem liebevoll gestaltetem Booklet, das neben einer mörderischen Kurzgeschichte von Keith Chandler (in englisch und deutsch) auch zahlreiche Anekdoten zu den Songs beinhaltet.
Wer jetzt schon vom nächsten Immergut-Festival träumen möchte oder einfach mal wieder klassischem Indie-Pop mit Gänsehautgarantie lauschen möchte, der sollte auf der Hasenschaukel Platz nehmen. Auf der Zusammenstellung „Who Dropped The Needle? Live At Hasenschaukel“ gibt es zahlreiche mitsingträchtige Hymnen im Live-Gewand zu hören. Songs von Gisbert zu Knyphausen, Bjorn Kleinhenz, The Wave Pictures und Southerly, die man am liebsten immer wieder hören möchte. Im gleichnamigen Hamburger Club eingespielt, entfaltet der Live-Sampler einen unmittelbaren Charme, der viele Songs mit einer Intensität ausstattet, die man beim Genuss der Original-Tonträger gar nicht vermutet hätte. Irgendwie schön, dass es solche Zusammenstellungen heute noch gibt. Führen sie einem doch in digitalen Zeiten immer wieder vor Augen, worum es bei Musik ursprünglich mal ging. Also Licht ausmachen, Anlage aufdrehen und erleben, wie einem das Maul offen steht vor Begeisterung. Alles in allem: das perfekte Frühlingsgefühlskino.
Eingeläutet von einem charmanten Anthony Hamilton Kracher suhlen wir uns hinterher in den politischen Soul-Gesängen des letzten Jahrzehnts. Die Zusammenstellung „Message Soul – Politics & Soul in Black America 1998 – 2008“ versammelt Songs von Erykah Badu bis Bilal / von Akon bis Jill Scott und wirft ein Blick auf politische Missstände, die es zu beheben gilt. Wie gewöhnlich liefert das Label „Trikont“ dazu ein schick aufgemachtes Büchlein im Innenteil, das die Künstler und deren politische Attitüde umreißt. Gerade jetzt, wo wieder öfter die Sonne raus kommt, die Vögel zwitschern und die Blümchen sprießen, lädt diese Scheibe geradezu dazu ein, von einer besseren Welt zu träumen. Man möchte sich mitsamt Stereoanlage auf die Wiese vor dem Haus pflanzen und den ganzen Block mit dieser Musik beschallen. Ein ambitionierter Sampler, dessen emotional-explosive Songs bei so vielen Menschen wie möglich Gehör finden sollten.
Simon Green alias Bonobo präsentiert und derweil auf seinem fünften Album wohl klingende Sample-Elektronika, die sich perfekt ins illustre Gesamtprogramm des Ninja Tune Labels eingliedern. „Black Sands“ besticht durch Klänge, die einen in fremde Welten hinfort tragen, die aber niemals so weit ausufern, dass sie den eigentlichen Song aus den Augen verlieren. Stattdessen entfaltet die Scheibe diesen leicht angejazzten Flair, der unter dem Banner „Nu Jazz“ zusammenzufassen ist. Wären nicht ab und an ein paar Widerhaken in die Stücke eingebaut, würde die Scheibe glatt als entspannte Lounge-Platte durchgehen. So klingts nach TripHop für Fortgeschrittene. Für Fans, denen Massive Attack heute zu sehr in Richtung Stadion schielen.
Talking To Turtles erobern derweil die Herzen aller Lo-Fi-Indie-Pop-Anhänger. In ihrem Wohnzimmer in einer Berliner WG eingespielt, verströmen die Songs von Claudia Göhler und Florian Sievers einen poppigen Charme, dass man meint, sie hätten irgendwo eine Kamera platziert, die ihr geselliges Treiben direkt ins nächste Stadion transferiert. Klingt jetzt vielleicht widersprüchlich, aber dieser zärtliche Entwurf möchte hoch hinaus. Die Stücke auf „Monologue“ sind ausgestattet mit Melodien, die jedem Jack Johnson-Fan die Freudentränen ins Gesicht treiben. Dabei vergisst das Duo aber auch nicht, den zurück gelehnten Sound mit allerhand Experimenten auszustatten, die den Hörer bis zum Ende bei der Stange halten.
Auf den famosen Titel „Wenn dir das meine Liebe nicht beweist“ hört zum Abschluss das neue Album aus dem Hause Garish. Die Österreicher Indie-Institution inszeniert sich darauf äußerst gesellig und steuert treffsicher auf die Herzklappen des Hörers zu. Die Musik des Albums klingt wie eine Rückwendung hin zu den Anfangstagen und die Band punktet mit dynamischen Songstrukturen, die dafür sorgen, dass man sich schon nach wenigen Minuten wieder völlig in der Musik verliert. Dabei vergessen Garish aber diesmal nicht, hinter all den Fanfaren und Chören, einen Popsong zu vergraben, der einem das Herz öffnet. Es muss ja nicht immer gleich die große Hymne sein. Das neue Album fordert einem stattdessen wieder mehr Aufmerksamkeit ab, liefert dafür aber einen nachhaltigeren Hörgenuss, als es auf dem Vorgänger „Parade“ der Fall war. Also ostert mal schön zu dieser Musik. Wir lesen uns beim nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?