// zuckerbeat vol. (1)76 – rave on sad songs

Mit Jamiroquai bin ich nie so richtig warm geworden. Der klang für mich immer nach einer poppigen Variante von Prince. Nach zwei Durchlaufen hatten sich die meisten Songs für mich erledigt. Da konnte man zwar gut zu tanzen, aber zuhaue im Wohnzimmer, klangen viele Tracks einfach nicht langlebig genug. Nun erscheint sein neues Album „Rock […]

jamiMit Jamiroquai bin ich nie so richtig warm geworden. Der klang für mich immer nach einer poppigen Variante von Prince. Nach zwei Durchlaufen hatten sich die meisten Songs für mich erledigt. Da konnte man zwar gut zu tanzen, aber zuhaue im Wohnzimmer, klangen viele Tracks einfach nicht langlebig genug. Nun erscheint sein neues Album „Rock Dust Light Star“ und ich muss zugeben, ich bin verblüfft. Auf den ersten Blick fehlen nämlich nicht nur die ganz großen Hits (die Single „White Knuckle Ride“ jetzt mal ausgenommen), die Scheibe hat dafür aber allerhand Soundscapes der Marke „Smoke & Mirrors“ im Gepäck, die zwar äußerst glatt produziert sind, die aber dennoch mit jedem weiteren Durchlauf den Kollegen von Chromeo vor Augen führen, wie man den sexuellen Aspekt dieser Musik nicht ganz so plakativ nach außen kehrt. Vielleicht, lieber Jay Kay, werden wir ja doch noch warm miteinander. Ich muss mir demnächst mal ein paar olle Alben von dir zu Gemüte führen.

marc-degensMarc Degens von der „Frankfurter Allgemeinen“ und Programmleider des SuKuLTuR Verlags beschenkt uns in seinem popkulturellen Rundumschlag, genannt „Unsere Popmoderne“, mit zahlreichen Ausschnitten aus Büchern (und das ist der Clou!), die es eigentlich gar nicht gibt. Soll heißen: Alles in diesem Blatt ist erstunken und erlogen. Was jetzt aber nicht heißt, dass die Geschichten nicht hinreißend wären. Jedenfalls führt seine Kolumne dazu, dass auch andere Redaktionen die Bücher besprechen wollten, die es eigentlich gar nicht gibt. Das nennt man dann wohl „Verarsche auf höchstem Niveau“. Die Texte wiederum umkreisen Themen im Grenzgebiet von Demos, Stalin und den sieben Zwergen. Mal reserviert, mal distanzlos, balanciert Degens auf dem Drahtseil und fachsimpelt mir gebotenen Ernst über das breite Feld der literarischen Nichtigkeiten, pardon Möglichkeiten. Seine Textsammlung wirft die bange Frage auf: Wer braucht das? Und wenn wir das nicht brauchen, was brauchen wir? Worüber lohnt es sich in Sachen „Popkultur“ noch nachzudenken? Was ist Pop überhaupt? Degens bleibt die Antwort in „Unsere Popmoderne“ schuldig. Macht aber deutlich, dass es vor allem an uns liegt, den Dingen einen Sinn zukommen zu lassen. Ansonsten nämlich ist da… Nichts. (Und Janne Teller lässt grüßen).

bob-dylanBob Dylan veröffentlicht derweil kurz vor Weihnachten einen Rundumschlag seiner alten, in monotonem Klang eingespielten Gassenhauer der Marke „Blowin´ In The Wind“ und „Like A Rolling Stone“. Soll heißen, hier spricht lediglich eine Stimme zu dir und im Hintergrund zupft der Musiker an seinen Gitarrensaiten. Hin und wieder wird auch mal die Mundharmonika ausgepackt. Auf jedes weitere Tohuwabohu wird verzichtet und das braucht es auch gar nicht. „The Best Of The Original Mono Recordings“ führt zielsicher vor Augen, wie aus Dylan einer der Größten seiner Zunft wurde. Es sind nämlich die Geschichten, die einen berühren. Wer mal wieder so richtig nostalgisch werden möchte, findet in diesen 15 Songskizzen den passenden Soundtrack dazu.

good_charlotte_cardiology_1Good Charlotte wiederum hatte ich eigentlich schon abgeheftet unter Pop Punk-Pin Up, dessen Chancen auf Wiederauferstehung als nur relativ gering einzuschätzen sind. Nun aber haben sich die Jungs noch mal zusammengerauft und mit „Cardiology“ ein überraschend freches und vor allem hittiges Album eingespielt. Hat man erstmal das einfältige „Intro“ und das plakative „Let The Music Play“ hinter sich gelassen, hagelt es Hits im Drei-Minuten-Takt. „Counting The Days“ könnte sich mit seinen Sing-A-Longs zum verspäteten Sommerhit des Jahres mausern und die aktuelle Single „Like It´s Her Birthday“ bietet Pop Punk par excellence. Schon nach wenigen Sekunden reißt man sich die Wollmütze vom Kopf und startet eine virtuelle Schneeballschlacht mit Herbstlaub in den Händen. Good Charlotte liefern mit diesem Album die „Gute Laune-Scheibe“ des Herbstes. Melancholiker, ihr könnt mich mal.

zeusDie Kollegen von Zeus schicken sich derweil an, ein illustres Pop-Gewitter auf das Haupt des Hörers hinab prasseln zu lassen. „Say Us“ klingt, als hätten sich die Beach Boys die Seelenverwandten von den Zombies geschnappt und wären mit ihnen auf eine Ranch von Bob Dylan gefahren. Keine Ahnung, wann man das letzte Mal einen solchen Reigen von klassischen Pop-Melodien mit 60s-Einschlag vor den Latz geknallt bekam. Keine Ahnung, wann einen das letzte Mal ein solcher Zuckerwatteberg mit Nostalgiegeschmack im Mund zerlaufen ist. Songs, wie „How Does It Feel“ oder „Fever Of The Time“ sind eine einzige Einladung zum Dauerkuscheln. Das perfekte Album, um den ollen Teddybären auf der Bettkante mal wieder so richtig innig abzuschmusen.

kt-tunstall-tiger-suit-official-album-cover1KT Tunstall war mir derweil schon immer suspekt, irgendwie hatte ich die werte Dame in eine Ecke mit Avril Lavigne gestellt und deshalb auch davon abgesehen, überhaupt mal der Musik zu lauschen. Nun aber flattert ihr aktuelles Album „Tiger Suit“ bei mir in den Postkasten und siehe da… es macht ganz schön Spaß, der Tigerlady beim Rocken zuzuhören. Der Experimentier-Grad dieses klassischen Pop-Rock-Werks hält sich zwar in Grenzen, aber der Opener „Uummannaq Song“ und das treibende „Come On, Get In“ laufen ziemlich gut rein. Über die volle Länge fehlt „Tiger Suit“ vielleicht der Mut, auch mal in abseitige Gefilde abzudriften. Gut durchhören lässt sich die Scheibe aber auf jeden Fall – auch wenn am Ende kein zweites „Suddenly I See“ dabei raus springt.

falco-falco-3-477335Zum 25jährigen Jubiläum hat sich Falcos Plattenfirma dazu entschlossen, sein bestes Werk noch mal neu zu veröffentlichen. Hat der Künstler Zeit seines Lebens immer wieder diskussionswürdigen Stoff veröffentlicht, ist dieses Werk über jeden Zweifel erhaben. Auf „Falco 3“ ist alles drauf, was das Herz seiner Fans schneller pochen lässt. „Jeanny“, „America“, „Rock Me Amadeus“. Es regnet Hits im Drei-Minuten Takt. Interessant ist die Scheibe vor allem deshalb, weil sich neben ein paar „Extended Versions“ auch eine wirklich gelungene „Kollaboration“ von Falco und Hurts darauf befindet – die Nostaligiker-Fraktion macht sich daran, den ollen Klassiker noch mal mit einer gehörigen Portion 80s-Pop aufzublasen. Die Gänsehaut kommt dann von ganz alleine. Wer die Scheibe noch nicht sein eigen nennt, sollte die Chance nutzen und sich diese Neuauflage hier ins Regal stellen.

jasoncollett-ratatatJason Collett von den Indie-Exoten Broken Social Scene hat sich auf seinem neuen Album derweil daran gemacht, den Hörer so richtig herzlich mit ein paar verträumten Pop-Melodien abzuholen. Hinterher folgt man ihm dann nur zu gerne, wenn er Indie-Hits mit lärmigen Eskapaden aufhübscht. Alles in allem kommt er mit „Rat A Tat Tat“ zwar nicht ganz an den famosen Letztling seiner Hauptband heran, aber Fans von ambitioniert gestrickten Pop-Songs, die hin und wieder an Bob Dylan erinnert werden möchten, sollten sich dieses Album auf keinen Fall entgehen lassen. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären für heute. Also lasst es euch gut gehen. Wir lesen uns. Bis zum nächsten Zuckerbeat.