// aufgelesen vol. 62 – „we could be heroes“

mit Büchern von Stephen Chbosky, Janne Teller, Anthony McCarten, Christian Brandstätter / Rainer Metzger und César Aira. // Schon etwas länger auf dem Markt, aber im Zuge des wunderbaren Kinofilms „Vielleicht lieber morgen“ noch einmal neu aufgelegt, erscheint Stephen Chboskys Coming Of Age-Roman „Das also ist mein Leben“ noch einmal in einer längst fälligen Neuauflage. […]

mit Büchern von Stephen Chbosky, Janne Teller, Anthony McCarten, Christian Brandstätter / Rainer Metzger und César Aira.

chbosky// Schon etwas länger auf dem Markt, aber im Zuge des wunderbaren Kinofilms „Vielleicht lieber morgen“ noch einmal neu aufgelegt, erscheint Stephen Chboskys Coming Of Age-Roman „Das also ist mein Leben“ noch einmal in einer längst fälligen Neuauflage. All jene, die etwas für Filme wie Donnie Darko oder Serien der Marke „Freaks & Geeks“ übrig haben, sollten sich das Buch unbedingt unter den Nagel reißen. Die Geschichte dreht sich um einen 15-Jährigen namens Charlie, der sich im ersten Jahr auf der Highschool befindet.

Nachdem er anfangs keine Freunde findet, trifft er im Rahmen einer Sportveranstaltung auf Patrick und seine Schwester Sam, die sein komplettes Leben auf den Kopf stellen. Zusammen stolpert das Trio Schritt für Schritt ins Erwachsenenleben und ist so tiefgründig gezeichnet, dass nicht einen Moment lang das Gefühl aufkommt, hier einen klischeebeladenen Allerwelts-Roman vorgesetzt zu bekommen. Kein Wunder, dass sich der Autor selbst dazu entschieden hat, die einzelnen Kapitel auch als Film in Szene zu setzen. Die Magie des Buches lässt sich nämlich vortrefflich auf die Leinwand transformieren, wenn das Trio zum Beispiel in einem Tunnel erstmals den Song „Heroes“ von David Bowie zu hören bekommt und dabei von einem Gefühl namens „unendlich“ übermannt wird. Mehr gibt’s nicht zu sagen. Was folgt ist Gänsehaut.

teller//„Ein brutales und mutiges Buch“ nennt „Die Zeit“ das Buch „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ aus der Feder von Janne Teller. Die gebürtige Kopenhagenerin hat für ihren Jugendroman, der nicht nur für junge Menschen interessant ist, den dänischen Kinderbuchpreis bekommen und es ist schon bemerkenswert, mit welcher Hartnäckigkeit sie die Frage verfolgt, was denn auf dieser Welt überhaupt noch von Bedeutung ist. Die Geschichte um einen nihilistischen Schüler namens Pierre, der seine Klassenkameraden mit dem Satz konfrontiert, dass für ihn nichts von Bedeutung sei, worauf Selbige ihm das Gegenteil beweisen möchten, indem sie in einem alten Sägewerk Dinge zusammentragen, die für sie persönlich einen Wert haben, liest sich in einem Zug durch. Die Situation eskaliert, nachdem sich ein Schüler den Finger abschneidet, weil er einen Wert im Zusammenhang mit dem Gitarrenspielen darstellt und steuert auf ein bedrückendes Finale zu. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch nicht zu viel über den Ausgang des Buches verraten. Wichtig aber ist: die Geschichte berührt und stellt die immer wieder aktuelle Frage im Leben eines jeden Menschen. „Wozu das Ganze?“ Wer nach Antworten sucht, wird in diesem Buch keine Finden. Er findet „nichts“, aber dieses „nichts“ dürfte ihn zum Nachdenken anregen.

nccarten// Werke über einschneidende Erlebnisse im familiären Kontext gibt es zuhauf. Auch der neuseeländische Schriftsteller Anthony McCarten hat ein Buch darüber geschrieben, wie es ist, einen Bruder / Sohn zu verlieren, zaubert dabei aber eine ebenso glaubwürdige, wie zeitgemäße Geschichte aus dem Ärmel. „Ganz normale Helden“ dreht sich um die Familie Delpe. Deren Jüngster ist gestorben und die restlichen Familienmitglieder versuchen alle auf ihre Art und Weise mit dem Verlust umzugehen. Während der Vater beschließt, mit der Familie aufs Land zu ziehen, chattet die Mutter mit einem Unbekannten und der verbleibende Sohn, der gerade volljährig geworden ist, baut sich im Internet eine zweite Existenz als Star eines Onlinespiels auf. Lange hat Jeff, so der Name des Sohnes, noch versucht die Familie zusammenzuhalten und seine Eltern bei der Verarbeitung des schrecklichen Schicksalsschlags zu unterstützen, dann aber taucht er mithilfe seines Online-Spiels erst einmal unter. Sein Vater wiederum, der sich nicht damit abfinden möchte, begibt sich ebenfalls in die endlosen Weiten des World Wide Web und versucht seinen Sohn dort wiederzufinden. Währenddessen geht nicht nur seine Karriere Stück für Stück in die Brüche, auch seine Frau wendet sich immer weiter von ihm ab. Doch Jim, so der Name des Vaters, lässt sich nicht beirren und so sucht am Ende jedes Familienmitglied für sich einen Ausweg aus diesem Schlamassel, in das sie da so plötzlich wie unerwartet geraten sind. Ob sie dabei auch wieder zueinander finden? Es lohnt sich das herauszufinden, weil „Ganz normale Helden“ ein sehr gelungenes Werk über uns Menschen in einer zunehmend digitalisierten Welt ist.

swinging// In den 60er Jahren ging es in Großbritannien hoch her. Die „Swinging Sixties“ wurden eingeläutet und ganz London stand Kopf. Während die Beatles und die Rolling Stones zu Weltstars avancierten, brach eine regelrechte Minirock-Invasion aus und die Straßen von London waren plötzlich gespickt mit zauberhaft gekleideten Jungspunden, die einer ganzen Epoche eine Strahlkraft verleihen sollte, welche bis heute nachwirkt. Im Rahmen des Werkes „Swinging Sixties – Kunst & Kultur in der Weltstadt der 60er Jahre“ werden nun über 600 Motive der damaligen Atmosphäre in der britischen Hauptstadt zusammengefasst und spulen einen schnurstracks 50 Jahre in der Zeit zurück. Angefeuert vom Sound von The Kinks oder The Who verliert man sich schon nach wenigen Seiten in diesem Sammelsurium der Stilvielfalt, das auch heute nichts von seinem Charme verloren hat. Neben den Fotos von Christian Brandstätter bekommt man außerdem zahlreiche Informationen von Autor Rainer Metzger vor den Latz geknallt, der die bezaubernden Motive mit zahlreichen Textpassagen unterfüttert. Es ist eigentlich fast unmöglich bei einem solchen Gesamtkunstwerk nicht sofort in nostalgische Stimmung zu verfallen. „Swinging Sixities“ ist eine imposante Würdigung an ein mehr als außerordentliches Zeitalter. Schade eigentlich, dass der ganze Spuck schon nach 350 Seiten wieder vorbei ist. Man hätte noch stundenlang weiterschmökern können.

aira// Ein wirklich bemerkenswertes Buch erscheint in diesen Tagen aus der Feder von César Aira. Der Schriftsteller aus Argentinien hat in den vergangenen Jahren bereits 30 Romane veröffentlicht und sich auf diese Weise eine große Fangemeinde zusammengekratzt. Mit seinem neuen Buch namens „Der Literaturkongress“ dürfte er abermals zahlreiche Leser von sich überzeugen. Das Werk dreht sich um einen Schriftsteller namens (ratet mal!) César (wer auch sonst?!) und thematisiert dessen Entschluss, irgendwann die Weltherrschaft zu erlangen. Dazu macht sich der Protagonist auf den Weg zu einem Literaturkongress, um sein perfides Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sein Ziel, einen mexikanischen Schriftsteller zu klonen, gestaltet sich allerdings etwas schwieriger als gedacht. Für den Leser wiederum ist es ein absolutes Vergnügen dem Hauptdarsteller (und Autoren) bei der verrückten Angelegenheit über die Schulter zu schauen. „Der Literaturkongress“ ist ein nahezu größenwahnsinniges Werk, irrsinnig witzig getextet und mit etwas mehr als 100 Seiten auch ideal am Stück konsumierbar. Wer bisher noch nichts von César Aira gehört hat, sollte die Chance nutzen und jetzt zuschlagen. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.