// strichcode vol. 36 – „es ist an der zeit…“

mit Powers, Berlin – Geteilte Stadt, Frenchman, Die Kunst zu fliegen, Lulu – Die nackte Frau und Crossed. // Auf den ersten Band der Reihe „Powers“ haben wir euch schon vor geraumer Zeit hingewiesen. Nun erscheint endlich die Fortsetzung des fulminanten „Eisner Award“-Gewinners als „Beste neue Serie“ und setzt sich im Rahmen der Kapitel 8 […]

mit Powers, Berlin – Geteilte Stadt, Frenchman, Die Kunst zu fliegen, Lulu – Die nackte Frau und Crossed.

powers-2// Auf den ersten Band der Reihe „Powers“ haben wir euch schon vor geraumer Zeit hingewiesen. Nun erscheint endlich die Fortsetzung des fulminanten „Eisner Award“-Gewinners als „Beste neue Serie“ und setzt sich im Rahmen der Kapitel 8 bis 11 mit den beiden ermittlern Christian Walker und seiner Gehilfin Deena Pilgrim auseinander. Die Serie vermischt in diesem Zusammenhang eine klassische Superhelden-Geschichte mit Film Noir-Anleihen, was zu einem unterhaltsamen Lesevergnügen führt. Der einzigartige Look des Comics wird noch getoppt von der tiefsinnigen Geschichte, die sich diesmal um eine Gruppe Studenten dreht, deren Mitglieder nach und nach das Zeitliche segnen.

Im Rahmen der Nachforschungen werden die beiden Ermittler nicht nur darauf aufmerksam, dass die Ermordeten allesamt an einem Rollenspiel teilnahmen, das auf den Klassiker „Dungeons & Dragons“ basiert, es scheinen auch einige Superhelden in den Mordfall verwickelt zu sein. Im Rahmen der Handlung wird dabei nicht nur den einzelnen Charakteren viel Platz zur Entfaltung eingeräumt, der Spannungslevel wurde auch um eine gehörige Portion nach oben geschraubt. Da ist es fast schon schade, dass das ganze Unterfangen schon so schnell wieder vorbei ist. Als kleine Entschädigung bekommt man am Ende aber noch eine Cover-Galerie und ein Interview mit Zeichner Michael Avon-Oeming oben drauf, der die Reihe zusammen mit Comic-Autor Brian Michael Bendis stilgerichtet in Szene setzt.

berlin// Wenn man als Besucher durch Berlin streift, finden sich allerorts Hinweise auf die einst geteilte Stadt. Die beiden Autoren Susanne Buddenberg und Thomas Henseler haben sich für ihre neue Graphic Novel daran gemacht, fünf Menschen über ihre Zeit vor der Wende zu befragen. In „Berlin – Geteilte Stadt“ setzen sie sich differenziert mit dem Leben in der ehemaligen DDR auseinander ohne dabei unter Ostalgie-Verdacht zu geraten. Stattdessen entstehen „Zeigeschichten“, die einen Blick in das Innenleben der Menschen werfen und gleichzeitig die äußeren Umstände nicht außen vor lassen. Die einzelnen Episoden spielen unter anderem am Bahnhof Friedrichstraße, in der Bernauer Straße und am Brandenburger Tor. Sie drehen sich Fotografen, die heimlich die Grenzanlagen auskundschaften und dabei in die Hände der Stasi geraten oder Menschen, die versuchen mit einem gefälschten Ausweis über die Grenze zu kommen. In schwarz-weißen Motiven werden die Ängste und Hoffnungen der Menschen skizziert. Die angespannte Stimmung überträgt sich dabei immer wieder auf den Leser, man erhält außerdem zahlreiche Hintergrundinformationen in Form diverser Info-Texte, die zwischen den einzelnen Kapiteln platziert sind. „Berlin – Geteilte Stadt“ ist dadurch ein nicht nur spannendes, sondern auch informatives Werk, das für jeden interessant ist, der sich etwas eingehender mit der deutschen Geschichte auseinander setzen möchte.

frenchman// Die Geschichte von Patrick Prugnes Graphic Novel „Frenchman“ spult uns in der Zwischenzeit über zweihundert Jahre in der Zeit zurück. Frankreich hat gerade den Staat Louisiana an die Vereinigten Staaten von Amerika übergeben und die Armee ist auf den Vormarsch in Sachen Mitgliederwerbung. Ziel ist es möglichst viele Mitstreiter für die Truppe des Ersten Konsuls Bonaparte zusammenzutrommeln, was wiederum den jungen Bauer Alban Labiche auf den Plan ruft. Der möchte seiner Pflicht nachkommen und dazu beitragen, die damals noch wilden Ureinwohner zu einer in seinem Sinne regulären Lebensführung zu zwingen. Im Rahmen seiner Reise aber muss er mit ansehen, wie ein Amerikaner einen Sklaven misshandelt. Da er sich an diesem Unrecht nicht beteiligen möchte, tötet er den Mann und wird gefangengenommen. Kurz darauf steht das Todesurteil fest, dann aber befreit ihn kurz vor der Vollstreckung der französische Trapper Toussaint Charbonneau aus seiner Gefangenschaft. Fortan fliehen die beiden entlang des Mississippi und versuchen dabei ihren zahlreichen Verfolger hinter sich zu lassen. So lernen sie (und der Leser) ganz nebenbei einen Teil der Welt kennen, welcher ihnen den wahren Wert des Lebens vor Augen führt. Ob sie am Ende heil aus der ganzen Geschichte herauskommen? Am besten du findest es selbst heraus. Einen gelungenen Bonus-Part mit zahlreichen Skizzen von Patrick Prugne gibt’s auch noch oben drauf.

kunst-zu-fliegen// Der spanische Comic-Zeichner Antonio Altarriba hat in der Vergangenheit nicht nur den „Großen Baskischen Literaturpreis“ für den Roman „La Memoria de La Nieve“ erhalten, er hat zusammen mit dem Zeichner Kim nun auch eine Graphic Novel geschaffen, die in den vergangenen Jahren zahlreiche begeisterte Leser gefunden hat. Vier Auszeichnungen hat „Die Kunst zu fliegen“ bereits abgestaubt und es könnten noch einige mehr werden – das Schönste aber ist: Der Comic erscheint nun auch hierzulande. „Die Kunst zu fliegen“ dreht sich handlungstechnisch um den Selbstmord eines gewissen Antonio Altarriba Lopes, welcher sich aus dem vierten Stock eines Seniorenheimes stürzt. Er fühlt sich als Gescheiterter, weil er es nicht geschafft hat, die Welt zu verbessern. Mit seinem Sprung will er zum letzten Mal ein Zeichen setzen. Er möchte frei sein, wie ein Vogel im Wind und endlich Abschied nehmen von diesem Leben, das ihm so zusetzt. Nach den beiden Weltkriegen sollte eigentlich alles besser werden. Eine gerechtere Welt entstehen. Doch viele Spanier fanden sich plötzlich auf der Straße wieder. Es gab keine Arbeit und kaum was zu Essen. Doch die Geschichte schreitet unaufhaltsam voran. Die Autoren erzählen von der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs und dem Franco-Regime und präsentieren auf diese Weise einen intensiven, sehr persönlichen Einblick in die spanische Geschichte.

lulu// „Lulu – Die nackte Frau“ wiederum erzählt die Geschichte einer Träumerin, die sich eines Tages dazu entschließt, eine Auszeit vom stressigen Alltag zu nehmen. Völlig unvermittelt verlässt sie ihren Mann und ihre Kinder und entschließt sich für ein paar Tage allein zu leben. Sie macht sich auf in Richtung Meer und genießt ein Gefühl von Freiheit, das sie viele Jahre lang nicht mehr verspürt hatte. Je weiter sie sich von ihrem ursprünglichen Leben entfernt, umso mehr beginnt sie sich als Rebellin zu fühlen. Ein Neubeginn scheint unausweichlich und die ursprünglich nur kurze Unterbrechung ihres Alltags scheint sich zu einer echten Alternative zu entwickeln. Dabei gelingt es Étienne Davodeau sehr gekonnt, die Gefühle der Protagonistin auf Papier zu überführen. „Lulu“ entfaltet einen unverwechselbaren Charme und profitiert vor allem von den gelungenen Gesprächen, welche die Protagonistin im Rahmen der Reise führt. Ob sie sich am Ende dennoch dazu entschließt, wieder zurück nach Hause zu kommen oder sich lieber für einen Neuanfang entscheidet. Lulu macht sich die Entscheidung alles andere als leicht, sie denkt an ihren cholerischen Mann und die erdrückende Stille ihres Alltags. Diese Eintönigkeit, welche sich auch in der reduzierten Kolorierung wiederspiegelt, wird Schritt für Schritt ersetzt durch einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Trotzdem steckt die Protagonistin in einem Dilemma. Und es ist sehr spannend, sie dabei zu beobachten, wie sie im Rahmen ihrer Reise eine Antwort darauf zu finden versucht.

crossed// Ein packendes Endzeitszenario Für Fans von „The Walking Dead“ und Konsorten erscheint in diesen Tagen im „Panini“-Verlag. „Crossed“ von Garth Ennis und Jacen Burrows setzt sich auf 260 Seiten mit dem Ausbruch einer mysteriösen Seuche auseinander. Von einem Tag auf den Anderen fangen die Menschen plötzlich an völlig verrückt zu spielen. Diejenigen, die nicht betroffen sind, versuchen wiederum sich mit den Folgen der Situation auseinandersetzen. Umgeben von Mördern und Vergewaltigern versuchen sie irgendwie den Tag durchzustehen und geraten dabei immer wieder in bestürzende Situationen. Jeder wird im Rahmen seines Überlebenskampfes mit dem einen oder anderen persönlichen Dilemma konfrontiert, was der Reihe bei aller Blutrünstigkeit auch einen gewissen Tiefgang verleiht. Dabei erreicht die Mini-Serie „Crossed“ (bestand ursprünglich aus 9 Teilen, die hier netterweise zu einem zusammengefasst wurden) zwar nicht die Intensität, welche „The Walking Dead“ im Rahmen der bisher 16 Bände zu erzeugen wusste, ist aber dennoch sehr spannend zu lesen und somit ein absolutes Muss für jeden Fan von zeitgenössischen Zombie-Geschichten. Womit wird dann auch schon wieder am Ende wären für heute. Also lasst es euch gutgehen. Bis zum nächsten Strichcode.