mit dem für den Buchpreis nominierten Werk „Seinetwegen“ von Zora del Buono.
// Zora del Buonos Roman „Seinetwegen“, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 steht, ist ein eindringliches, poetisch präzises Werk, das tief in die Abgründe von Verlust, Schuld und der Suche nach dem Unaussprechlichen eintaucht. Der Roman, der wie eine literarische Spurensuche gestaltet ist, erzählt die Geschichte einer Frau, die sich Jahrzehnte nach dem Unfalltod ihres Vaters aufmacht, um den Mann zu finden, der das Unglück verursacht hat. Im Zentrum der Erzählung steht die Leerstelle, die der frühe Tod des Vaters in der Familie hinterlassen hat. Zora del Buono gelingt es meisterhaft, diese Abwesenheit als allgegenwärtige Präsenz zu schildern, die das Leben der Protagonistin formt, ohne dass jemals wirklich darüber gesprochen wird. Die Mutter, deren Schmerz unausgesprochen bleibt, und die Tochter, die es nicht erträgt, diesen Schmerz zu berühren, bilden den emotionalen Kern des Romans.
Diese stumme Trauer durchzieht das Buch und macht die Suche nach E. T., dem Unfallverursacher, zu einem verzweifelten Versuch, das eigene Leben zu verstehen. Del Buonos Stil ist dabei so präzise wie poetisch. Mit feiner Beobachtungsgabe und einer tiefen Sensibilität für die inneren Welten ihrer Figuren erschafft sie eine Atmosphäre, die den Leser von der ersten Seite an fesselt. Die Suche der Erzählerin nach E. T. entwickelt sich dabei zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, in die Erinnerungen, die nie wirklich da waren, und in die Frage nach Vergebung und Heilung. Was „Seinetwegen“ besonders beeindruckend macht, ist die Art und Weise, wie Del Buono die großen Fragen nach Schuld und Sühne, nach Erinnerung und Vergessen behandelt, ohne jemals in plakative Antworten zu verfallen. Der Roman bleibt ambivalent, offen, und fordert den Leser dazu auf, sich den eigenen Gefühlen zu stellen. Wie kann jemand, der fehlt, ein Leben dennoch prägen? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und findet in den Begegnungen mit E. T. eine bewegende, aber nicht endgültige Antwort. Die Komplexität und Tiefe dieses Romans machen ihn zu einem herausragenden Werk, das sich mit den Büchern von Monika Helfer, Annie Ernaux und Tove Ditlevsen messen kann. Seinetwegen ist ein Buch, das lange nachhallt und den Leser zwingt, über die unausweichlichen Leerstelle in jedem Leben nachzudenken. Ein verdienter Anwärter auf den Deutschen Buchpreis und ein Muss für alle, die Literatur lieben, die sich den großen Themen des Lebens mit Raffinesse und Feingefühl nähert.
UND WAS NUN?