mit dem Werk „Bravo Bar“ von Kersty Grether.
// Als ich Bravo Bar aufschlug, wusste ich sofort, dass ich hier etwas Außergewöhnliches in den Händen halte. Kersty Grether wirft uns mitten hinein in die Berliner Kulturszene, wo Straßenrap und Aktivismus auf existenzielle Krisen treffen – und alles pulsiert im Beat eines endlosen Sommers. Grether nimmt uns mit auf eine wilde, poetische und zutiefst menschliche Reise, die sich in all ihrer Widersprüchlichkeit und ihrem Facettenreichtum wie ein musikalisches Meisterwerk entfaltet. Im Zentrum stehen drei Figuren, die so unterschiedlich und doch miteinander verbunden sind, dass sie sich gegenseitig nicht loslassen können. Da ist Rachelle, die erfolgreiche Straßenrapperin, die gerade ihren Kampf gegen Brustkrebs durchlebt. Grether beschreibt ihre Chemotherapie als einen Drogentrip, der sie emotional und physisch aus den Fugen hebt. Die Intensität dieser Schilderung hat mich tief bewegt, weil sie die Fragilität des Lebens inmitten der urbanen Härte von Berlin so greifbar macht. Man spürt förmlich die Erschöpfung, die Verwirrung, aber auch die brutale Ehrlichkeit dieser Reise. Und dann ist da Timo, der sich förmlich vor Rachelle verneigt, weil sie für ihn eine Art Muse darstellt.
Die Chemie zwischen diesen beiden Figuren – ihre ungesagten Worte, ihre unausgesprochene Leidenschaft – hat mich in ihren Bann gezogen. Aber was Bravo Bar wirklich ausmacht, ist die Figur von Greta. Die Aktivistin und beste Freundin von Timo bringt eine explosive Dynamik in diese ohnehin schon aufgeladene Szenerie. Mit ihrer „magisch guten Laune“ ist sie der Lichtblick inmitten der emotionalen Dunkelheit der anderen beiden. Doch auch sie kämpft mit ihren eigenen inneren Dämonen und den Höhen und Tiefen des Begehrens. Grether hat mit Greta eine Figur geschaffen, die einerseits so präsent und lebensfroh ist, andererseits aber auch in ihrer Zerbrechlichkeit unglaublich berührend wirkt. Sie ist die Verbindung zwischen Timo und Rachelle, und ohne sie würde das Trio auseinanderbrechen. Und über allem schwebt die Bravo Bar, ein realer und zugleich symbolischer Ort, an dem sich die Figuren immer wieder treffen und verlieren. Die Bar steht nicht nur für Berlins legendäre Nächte, sondern auch für die Sehnsucht nach Beständigkeit in einem Leben, das alles andere als stabil ist. Grether jongliert meisterhaft mit verschiedenen Stilen und Perspektiven, wobei jede Figur ihre eigene Erzählstimme und ihren eigenen Rhythmus bekommt. Besonders eindrucksvoll ist, wie sie den Soundtrack aus Deutschrap nahtlos in die Geschichte einfließen lässt. Die Beats und Texte begleiten nicht nur die Figuren, sondern setzen auch den Ton im gesamten Roman. Man hat das Gefühl, man würde neben Rachelle, Timo und Greta durch die Parks von Berlin laufen, durch die verschwitzten Nächte tanzen, und dabei immer von dieser Musik begleitet werden. Ein weiterer Aspekt, der mich fasziniert hat, ist das Geheimnis zwischen Rachelle und Greta – eine dunkle, gewaltvolle Nacht in Hamburg, die wie ein Schatten über ihrer Freundschaft liegt. Dieses Trauma gibt der Geschichte eine zusätzliche Tiefe und drängt die Frage in den Vordergrund, wie man mit der Vergangenheit umgeht, die man nicht abschütteln kann. Grether packt hier harte Themen an, und das auf eine Art, die mich als Leserin nicht nur berührt, sondern auch zum Nachdenken angeregt hat. Bravo Bar ist ein Buch, das vibriert, laut ist und leise zugleich. Es ist ein literarischer Rundumschlag, der mitreißt und manchmal auch verstört. Grether schafft es, eine Geschichte über Identität, Schmerz, Liebe und Freundschaft zu erzählen, die unglaublich zeitgemäß ist, ohne sich dabei in Klischees zu verlieren. Es ist ein Roman, der lange nachklingt, ein bisschen wie ein Song, der sich immer wieder in deinen Kopf schleicht, selbst wenn du denkst, du hast ihn längst vergessen. Für alle, die Berlin lieben, die Musik feiern oder einfach auf der Suche nach einer tiefgründigen, aber dennoch leichtfüßigen Geschichte sind, ist Bravo Bar eine absolute Empfehlung.
UND WAS NUN?