Während die Dächer unter dem weißen Kleid des Sternenstaubs versinken und die Temperaturen immer weiter nach unten rutschen, schwingt sich eine Band aus den Vereinigten Staaten zu höchsten Höhen auf. Sternenklare Melodien bahnen sich da – von Massachusetts – aus ihren Weg in hiesige Gefilde. Apse sind der funkelnde Stern unter den Postrockern. Sie spielen Post Pop, wenn man es denn so nennen möchte und sie verzaubern einen mit ihrem neuen Album „Climb Up“ mit jedem Durchlauf ein bisschen mehr. Der Horizont scheint zum Greifen nah, wenn hier schwelgende Gitarren auf allerlei Melodien treffen, die klingen, als hätten sich Girls, Animal Collective und Arcade Fire zusammen im Studio verabredet. Der Blick schweift unweigerlich in die Ferne, wenn die Musik den Raum flutet. Apse hieven den Postrock mit diesem Album auf noch unerforschte Ebenen, so dass man sich zwangsläufig fragt, ob diese Stilisierung in diesem Fall überhaupt noch angebracht erscheint. Am Ende läuft da nämlich einfach nur Musik. So himmelhoch jauchzend, so selbst verliebt, so uferlos und catchy, dass man den Widerspruch gar nicht mehr bemerkt. Alles löst sich in Luft auf. Die Konturen verschwimmen.
Nicht wirklich zum Runterkommen empfiehlt sich hinterher das aktuelle Album von Karin Dreijer Andersson. Die werte Sirene aus dem Hause The Knife, deren Stimme sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie klingt, als würde sich die Sängerin mit ihrer Musik für den Soundtrack zum nächsten „Wolfman“-Streifen bewerben. Ihre Musik strahlt eine verstörende Attitüde aus. Das Alter Ego der Sängerin called Fever Ray nimmt einen bei der Hand, begleitet einen runter zum Ufer, um einen dann hinterrücks im Flussbecken zu ersaufen. Creepy. Ein anderes Wort fällt mir für dieses gleichnamige Debütalbum nicht ein, das nun in hochwertiger Fassung noch mal aufs Neue das Licht des Vollmonds erblickt. Erweitert um zwei sehr gelungene Bonus-Tracks namens „Stranger Than Kindness“ und einer Coverversion von Vashti Bunyans „Here Before“ und mit beiliegender Bonus DVD versehen, auf der sich die wirklich sehenswerten, angst einflößenden Clips zu den Singles „If I Had A Heart“, „When I Grow Up“, „Triangle Walks“, „Seven“, Stranger Than Kindness“ und ein aktueller Tour-Trailer befinden. Wer das Original noch nicht sein eigen nennt, der sollte jetzt unbedingt zugreifen. Da fängt der Weihnachtsbaum Feuer.
Etwas weniger creepy, aber immer noch im Grenzgebiet zum Hexensabbat wildern hinterher Spurv Laerke. Die Musik klingt mal tanzbar, mal verstörend, als wollte sich hier jemand im Grenzgebiet der Cardigans und Bat For Lashes einnisten. Hinter den vernebelten Songs verstecken sich allerdings zärtliche Popsongs, die mit jedem Durchlauf tanzbarer geraten. Vor allem das polternde „Unique“ treibt einen den Schweiß aus den Poren, wenn man mit der Musik erstmal warm geworden ist. Dazu noch eine Coverversion des wunderbaren „Bizarre Love Triangle“-Klassikers, der hier so herrlich ungestüm rüberkommt, dass man kurzerhand zum Luftmikrofon greift, um selbst lauthals mitzusingen. Alles in allem ein kultur-übergreifender Beitrag zum Thema: wie halten wir Indierock auch im zweiten Jahrzehnt des 21ten Jahrhunderts noch am Köcheln. Dieses Album liefert darauf keine Antwort, es zerrt einen einfach zurück an den Ort des Geschehens. So unmittelbar und ungefiltert, dass man gar nicht anders kann, als die Platte ins Herz zu schließen.
Von den Stranglers konnten derweil nicht nur die Kinderzimmer Productions einfach nicht genug kriegen, was ihnen kurzerhand rechtliche Probleme einhandelte, nein… die Stranglers sind auch anno 2009 noch unverzichtbar, wenn es um synthetische Klangforschung der frühen 80er Jahre geht. Da nämlich stand die Band auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und lieferte einen Hit nach dem anderen ab. „Strange Litte Girl“, „Peaches“, „Something Better Change“, „No More Heroes“, „Five Minutes“, „Nice & Sleazy“ und „Walk On By“ – alle sind sie auf „The UA Singles 1977-1982“ am Start und bringen jeden noch so müden Tanzflur in Rotation. Auf drei Cds, die nicht nur mit den gängigen Hits, sondern auch mit allerhand B-Seiten und raren Live-Aufnahmen bestückt sind, wird alles durchdekliniert, was die Band so unverwechselbar machte. Vom Punk über New Wave bis hin zum Pop-Aspekt ihrer Musik. Wer bisher noch nichts von den Jungs im Regal stehen hat. Dieses Album bietet mit seinen 49 Songs den perfekten Ausgangspunkt zur Erkundung des strangulierten Schaffens.
Snoop Dogg erreicht derweil auch schon den zweistelligen Bereich hinsichtlich Album-Releases. War das nicht erst gestern, als wir sein Debüt abfeierten, als würde die Welt morgen in einer einzigen Rauchwolke ersaufen? Und was gibt es Schöneres, als sich zum zehnjährigen einen Albumtitel zurecht zu legen, der weit über das Kindheitsalter hinaus auch in die Erwachsenenwelt für Verzückung sorgt. „Malice N Wonderland“ soll es also richten und den „Doggfather“ zurück ins Auge der Öffentlichkeit hieven. Pornopop Deluxe und ab dafür. Klingt schlimm, ist aber dann doch ganz schön. Von Snoops charmanter Stimme wird man auch diesmal wieder ganz vorzüglich eingelullt. Zudem krankt das Album diesmal auch nur geringfügig an der nervigen Überlänge, die seine letzten Platten zwar zu epochalen Rapmonstern aufplusterte, wobei eine gewisse Konzentration aufs Wesentliche auch nicht schlecht gewesen wäre. Zu Beginn jedenfalls, da stimmt auf einmal wieder alles. Die ersten sechs Songs stellen die Weichen auf Klassiker. Sogar „That´s The Homie“ mit unsäglicher Auto Tune-Peitsche läuft dank der stilvollen Rappassagen überraschend gut rein. Bis zum zehnten Track schwebt man dann auf Rauschwolke sieben. Der Rest des Albums kann da zwar nicht mehr so ganz mithalten, trotzdem bewegt sich der Künstler hier auf hohem Niveau. Alles in allem merkt man Snoop an, das er es noch mal wissen wollte. Der zugehörige Porno wird nachgeliefert, schließlich braucht ja jede Hundehütte mal Auslauf. Ein Album, das Spaß macht. Das ist viel mehr, als man erwarten durfte.
Wer derweil mal wieder ein bisschen in der Gegend herumgrinsen möchte, der sollte sich den neuen Happy House-Entwurf aus dem Hause Riva Starr reinziehen. „If Life Gives You Lemons Make Lemonade“ ist zwar ein äußerst abgegriffener Titel, aber herumhopsen kann man zu den Tracks trotzdem ganz hervorragend. Grinse-Smiley aufs Gesicht gepappt und Hände in die Höh. Riva Starr schrauben mit ihrem Album die Schlagzahl des Pulsmessers nach oben. Die Bässe wummern. Die Hooklines sitzen und mit zunehmender Dauer vergisst man auch den leider etwas plakativen Auftakt der Scheibe. Bei Riva Starr dreht sich alles um die größtmögliche Ekstase im Blitzlichtgewitter. Dazu ein bisschen trendy Trompetensounds und World-Music-Klänge und fertig ist der Konfettiregen. Abwechslungsreich, stil-sicher und tanzbar. Ein Album für Menschen, die sich noch immer nicht damit abfinden möchten, dass der Sommer in diesem Jahr endgültig vorbei ist.
Abseitige Klänge mit viel Atmosphäre liefern hinterher Lindstrom & Christabelle. Wenn auf dem Tanzflur die Nebelschwaden am dichtesten sind und die tanzende Meute ihre Hüften schwingt, dann entfaltet dieser Bastard aus Disco-Sounds und Chanson einen ganz besonderen Charme. Mit zunehmender Dauer tritt dann auch die anfängliche Irritation über die Melange aus 80er Soul und Porno Pop in den Hintergrund, weil sich das Duo fortwährend entschließt, den gängigen Discoklischees mit viel Hingabe ein zeitgemäßes Outfit zu verpassen. Dabei geht’s auf „Real Life Is No Cool“ aber nie allzu plakativ zu. Ein wenig erinnert einen die Scheibe an die famosen letzten Alben von der Italo-Disco-Sirene Sally Shapiro, auch wenn hier bisweilen in anderen Gewässern gefischt wird. Irgendwie lässt man dem Duo die ganze Sache durchgehen, weil ihre Musik seltsam zeitlos anmutet. So als wäre dieses Album vor 30 Jahren in irgendeiner Truhe versteckt worden, die nun jemand wieder aus dem Keller gezerrt wurde, um ein bisschen in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen.
Und der geneigte Punkrocker muss sich dieses Jahr auch nicht lange Gedanken darüber machen, was er denn für schicke neue Platten unter den Weihnachtsbaum gelegt bekommen möchte. Am besten einfach zum Rundum Sorglos Paket aus dem Hause Fat Wreck greifen und sich für kleines Geld den Rundumschlag auf 3 Silberlingen ins Cd-Deck pfeffern. Die „Wrecktrospective“ vereint alles, was Fat Mike in den letzten Jahren so an Singles auf den Markt gehauen hat, von den Mad Caddies über Anti-Flag bis hin zu den Descendents. Dazu gibt’s noch eine Scheibe randvoll mit Demos von den üblichen Verdächtigen Lagwagon, NoFX und Against Me. Als besonderes Schmankerl sei zudem noch auf Disc 3 dieses 88 Track fetten Irokesen-Reigens verwiesen. Da findet sich nämlich alles, was bisher im Rahmen der limitierten Fat Club-7 Inches auf den Markt geworfen wurde. Partyraketen von MXPX, Punkrockkeulen von Strike Anywhere und Sympathiebekundungen von den Vandals. Ansonsten am Start: alles was Rang und Namen hat. Wizo, Propagandhi, No Use For A Name, Rise Against, Good Riddance, Snuff, Face To Face, Strung Out, Avail, Epoxies, Randy, Nerf Herder und noch zahllose weitere. Was soll man da noch sagen? Let´s Fackel Down The Weihnachtsbaum To This Sound!
UND WAS NUN?