// zuckerbeat vol. (1)34 – kiss that grrrl

Klemmt euch schon mal einen Kaugummi zwischen die Zähne. Kate Nash ist zurück. Ihr neues Video zu „Do-Wah-Doo“, diese absurde Britney Spears-Hommage, läuft ja schon seit einigen Wochen auf allen Musiksendern rauf und runter. Der zugehörige Song allerdings gehört sicher zu den herzallerliebsten Pop-Stücken des Jahres. Ihr neues Album beginnt dann auch recht famos. Der […]

kate-nashKlemmt euch schon mal einen Kaugummi zwischen die Zähne. Kate Nash ist zurück. Ihr neues Video zu „Do-Wah-Doo“, diese absurde Britney Spears-Hommage, läuft ja schon seit einigen Wochen auf allen Musiksendern rauf und runter. Der zugehörige Song allerdings gehört sicher zu den herzallerliebsten Pop-Stücken des Jahres. Ihr neues Album beginnt dann auch recht famos. Der Opener „Paris“ punktet mit einer schicken Melodie, die sich stark an Lily Allen anlehnt. Darauf allerdings begeht Nash nicht den Fehler, sich wie beim Erstling einfältig durch die restlichen Songs zu wühlen, nein, sie suhlt sich in „I Just Love You More“ auch mal im Dreck (soll heißen: Post Punk) und sorgt mit frechen Texten für ein sanftes Schmunzeln auf den Lippen des Hörers. Alles in allem sorgt sie am Ende vor allem in den Momenten für Aufsehen, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hätte. Zum Beispiel im Punk-Smasher „I´ve Got A Secret“ oder dem folk-affinen „You Were So Far Away“. Weil auch sonst die Qualität stimmt, ist „My Best Friend Is You“ die perfekte Frühlingsplatte – mit Songs, wie geschaffen, um sie im strahlenden Antlitz der Sonnenstrahlen nachzusäuseln.

airenToll ist auch, dass passend zum Biergartenwetter das neue Buch von Airen auf dem Tresen liegt. Der Vorgänger führte einem gekonnt vor Augen, wie man den Technoclub in Lyrik übersetzt und war schlicht berauschend zu konsumieren, weil man im Gegensatz zu Hegemanns Kopie noch eine Geschichte erzählt bekam. „I Am Airen Man“ setzt nun genau dort an und überführt unseren sympathischen Lebenskünstler statt nach Berlin nach Mexiko-City, wo er ein Mädchen trifft, dass ihm den Atem raubt. Wer einen Eindruck davon gewinnen möchte, wie er seine Leser zu fesseln vermag, sei auf folgendes Zitat zu Beginn des Buches verwiesen. „Mit jedem Schritt fährt die Musik tiefer in meinem Körper. Bringt jedes Atom zum Sprudeln. Du gehst weiter und fliegst, strahlst aus jeder Zelle, wirst verzaubert, bewegst dich, alles passt, und du kannst nur lächeln, nur zuschauen und dir wünschen, für immer dieses Gefühl zu behalten: ein Fisch im Wasser zu sein. Das reinste Lachen, seit du Kind warst.“ Hier gibt jemand den Takt vor, der sicher kein lyrisches Genie ist, es aber schafft, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, mittendrin am Ort des Geschehens zu sein. So liest sich das schick gestaltete Werk ziemlich munter runter, punktet mit ziemlich vielen absurden Situationen, sorgt dabei für reichlich Amüsement und zeigt, dass Airen auch abseits des Blitzlichtgewitters imstande ist, eine gute Geschichte zu erzählen.

timid-tigerTimid Tiger sorgen derweil für Nachschub in Sachen Indie-Pop-Glückseligkeit. Alle, die heute noch zu ihrem Song „Miss Murray“ im Kreis hüpfen, dürfen sich jetzt einen Mini-Rock überstreifen und mit den Hüften kreisen. „Timid Tiger And The Electric Island“ ist eine Partyplatte geworden. Schon der Opener „Electric Island“ gibt die Richtung vor. Alles schreit nach Ringelreih-Tanzen. Timid Tiger inszenieren sich unter einem großen Banner auf dem in grellen Farben das Wort POP prangert. Dabei springen vor allem in der ersten Hälfte ein paar echte Gassenhauer raus, die keinerlei Anzeichen dafür liefern, dass hier jemanden die Puste ausgehen könnte. Wenn die Band dann zur Mitte hin etwas das Tempo rausnimmt, und mit „The Gardener“ einen echten Schmachtfetzen abliefert, kuschelt man sich wohlig in die Arme des Gegenübers und genießt die zärtliche Wärme der Musik. Alles in allem das perfekte Pop-Album für alle, die von OK Go gar nicht genug bekommen.

daniel-johnstonDaniel Johnston ist einer dieser Musiker, für welche das Tapedeck erfunden wurde. Seine Songs klingen, bei aller Affinität zum pompösen Pop, so schön dreckig und verrauscht, dass man sofort in Nostalgie verfällt. „Beam Me Up!“ – sein neues Album strotzt nur so vor Inspiration und zeigt Conor Oberst, wie man Glitzerstaub auf dreckige Wanderwege streut, ohne von dem Zeug geblendet zu werden. Daniel Johnston fabriziert ganz großes Gefühlskino, versteckt es aber hinter einer fetten Staubschicht, die man erstmal weg pusten muss, bevor man sich an den zuckersüßen Melodien ergötzen darf. Nach einigen Durchläufen kommt man nicht mehr los von der Platte. Schließt die Augen. Genießt die Musik. Ein eindrucksvolles Werk eines bemerkenswerten Songschreibers.

madsen_labyrinthVor dem neuen Madsen-Album hatte ich ja ehrlich gesagt ein bisschen Angst. Der Vorgänger schielte ein bisschen in Stadionrock-Gefilde der Marke Tote Hosen, da bin ich einfach ausgestiegen. Das neue Album verzögert die Erkenntnis, wie es weitergeht, erst einmal ein paar Minuten mit dem Piano-Pop-Monster „Labyrinth“, bei dem Madsen die bandeigenen Stärken noch mal durchdeklinieren. Nach zweieinhalb Minuten denkt man, hier soll mitgewippt werden. Plötzlich klingt die Musik, wie auf dem unterschätzten Zweitling „Goodbye Logik“, nur um dann in einen Stadionchor zu münden, der in diesem Zusammenhang aber durchaus funktioniert. Anschließend wird dann noch die Punk-Grätsche ausgepackt und man kommt nicht umhin, Madsen zu unterstellen, dass sie hier zehn Songideen in einem Song verwursten. Gelungener Auftakt also. Ich bin wieder unten mit euch. Und ja, diese Platte punktet wieder mit allerhand Hit-Potenzial. „Mein Herz bleibt hier“ ist ein schmissiges Pop-Manifest. „Das muss Liebe sein“ ruft Erinnerungen an die alten Sportfreunde Stiller-Tage wach. Stellt sich also nur die Frage, warum sie ausgerechnet das unsägliche „Lass die Liebe regieren“ als erste Single ausgekoppelt haben. Das nervt nämlich genauso, wie der Schmachtfetzen „Jeder für jeden“ und das andere balladeske Zeug, das sich aber auf „Labyrinth“ glücklicherweise auf wenige Songs beschränkt. Alles in allem: ein gelungener Befreiungsschlag, auch wenn Fans des Erstlings wieder entnervt abwinken werden. Madsen sind inzwischen eine Pop-Band. In dieser Form aber „auf der guten Seite“.

st-pauli-einhundertZum 100jährigen Jubiläum des des FC. St. Pauli wird in diesen Tagen ein Sampler veröffentlicht, der exakt 100 Songs (auf fünf Cds) versammelt, die sich im engeren Sinne um den Ballsport in Hamburg drehen. Passend zum Geburtsjahrgang des Clubs werden von der Scheibe exakt 1910 Stück veröffentlicht. Man sollte schnell in den Plattenladen stürmen, um sich eines der begehrten Exemplare zu sichern. Passend dazu wird ein schickes Buch geliefert, in dem noch mal alle Künstler, die hier vertreten sind, ihre Liebe zum Verein kundtun dürfen. In dieser Hinsicht wurde dann auch eine eindrucksvolle Riege an Musikern eingeladen, um dem Verein ein Ständchen zu spielen. Thees Uhlmann ist genauso auf „St. Pauli Einhundert“ dabei, wie Station 17. Rantanplan sorgen für Partystimmung und Turbonegro für die passende Mitgröhl-Atmosphäre. Dazu gibt’s zahlreiche Newcomer zu entdecken. Also nicht lange nachdenken, zugreifen. Diesem Club will gehuldigt werden.

4pp digiNice Nice scheinen derweil wie geschaffen mit ihren freakigen Punk-Melodien beim renommierten Elektro-Label „Warp“ anzudocken, weil sie mit ihrem brachialen Krach für die passende Abwechslung sorgen, während im Zelt gegenüber die Elektro-Keule geschwungen wird. Zu dieser Musik möchte man die Nackenmuskeln strapazieren, bis sich der Hals verrenkt. Die Riffs pressen sich do dermaßen treffsicher in die Gehörgänge, dass man schon nach wenigen Durchläufen die verqueren Experimenten auf dieser Scheibe vergisst und. den tanzbaren Strukturen frönt, die sich dahinter verstecken. Alles in allem ist „Extra Now“ die passende Brachialklatsche für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie es wohl klingt, wenn rhythmische Songstrukturen auf schonungslos Kompromisslosigkeit trifft.

digital_booklet.inddDirk Darmstaedter wagt derweil mit Unterstützung von Paul Hiraga (Downpilot) und dem Hamburger Cellisten Hagen Kuhr den Versuch, sich dem direkten Vergleich mit Bob Dylan zu stellen. Dabei zieht er natürlich den Kürzeren, denn an Dylan reicht niemand heran. Trotzdem lässt sich mit „Dirk Sings Dylan“ sehr schön die Zeit totschlagen und so manchem Song wird dann auch mit die eine oder andere Nuance abgetrotzt, die man nicht unbedingt auf dem Schirm hatte. Es war ja schon immer offensichtlich, dass Dylan einen großen Einfluss auf die Musik von Darmstaedter ausübt. Eben deshalb lassen wir ihm diese Herzensangelegenheit einfach mal durchgehen und freuen uns auf sein nächstes, richtiges Album. Womit wir auch schon wieder am Ende wären. Bleibt fröhlich. Bis zum nächsten Zuckerbeat.