mit Büchern von Helene Hegemann, Navid Kerami, Elisabeth Rank, Friedrich von Borries und Jarvis Cocker.
// Nachdem sie für ihr Erstlingswerk „Axolotl Roadkill“ zuerst als Stimme ihrer Generation gefeiert und anschließend in Grund und Boden geschrieben wurde, macht sich Helene Hegemann nun daran, ihr zweites Buch zu veröffentlichen. „Jage zwei Tiger“ glänzt erst mal durch den Verzicht jeglicher Erklärungsversuche auf dem Rückumschlag. Stattdessen prangt da in leuchtender Neonfarbe: „Man stirbt nicht so leicht, wenn man jung ist“. Ein Satz, der Lust auf macht auf mehr, wobei der Erwartungsdruck natürlich gewaltig ist. Die Geschichte selbst beginnt dann erst einmal mit einem Schrecken für einen 11jährigen Jungen namens Kai. Der flüchtet sich im Schockzustand in Richtung Wald, während seine Mutter aus dem Leben scheidet. Ihr Auto wurde gerade noch von einem Stein getroffen, welcher die Windschutzscheibe durchschlagen hat. Selbigen hat eine Gruppe von Jugendlichen geworfen – von einer Autobahnbrücke. Und nun landet Kai genau bei diesen Menschen, die das Leben seiner Mutter auf dem Gewissen haben.
Trotz des spektakulären Auftakts dauert es ein bisschen, bis einen die Geschichte von Helene Hegemann wirklich zu fesseln beginnt. Dann aber lässt sei einen nicht mehr los und führt vor Augen, das die Autorin durchaus in der Lage ist, eine spannende Erzählung aus dem Ärmel zu schütteln, die man am Liebsten an einem Stück durchscmökern möchte. Soll heißen: es ist zwar noch Luft nach oben, mit „Jage zwei Tiger“ macht uns die Autorin aber berechtigte Hoffnungen, dass man auch in Zukunft mit ihr rechnen kann.
// Wenn die berüchtigten Dreimonatskoliken zuschlagen, dann muss man als Elternteil schon mal kreativ sein. So auch der habilitierte Orientalist Navid Kermani, der sich in seinem Buch daran versucht, den Schmerz seiner Tochter ein wenig zu lindern. Als Mittel zum Zweck fungiert überraschender Weise die Musik von Altmeister Neil Young, dessen Songs ihn und seine Tochter durch den bewegenden Lebensabschnitt führen. So ist Keramis Werk nicht nur mit zahlreichen Zitaten des begnadeten Lyrikers versehen, sondern auch mit persönlichen Anekdoten, die einem noch Tage später im Kopf herum schwirren. „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ ist in diesem Zusammenhang sicher eines der intensivsten Werke, die in diesem Jahr zum Thema Musik erschienen sind. Und hinterher kann man es auch als Nicht-Kenner des Neil Young´schen Schaffens nicht verkneifen, sich über den breiten Back-Katalog des Musikers herzumachen. Navid Kermanis Aufzeichnungen sind ansteckend und liebenswert zugleich und die Musik ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Also lass dich verzaubern von diesem kleinen, aber feinen Werk, das in jeder gut sortierten Musikbuch-Bibliothek stehen sollte.
// Der neue Roman der Berliner Autorin Elisabeth Rank beginnt mit einem Zitat der Indie-Pop-Gruppe „The xx“. In diesen vier poetischen Zeilen ist ihr Werk noch einmal zusammengefasst, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. „Bist du noch wach?“ dreht sich um eine 30jährige namens Rea, die eines Morgens feststellen muss, dass die Zeit des Unbekümmert-Seins plötzlich vorbei ist. Sie wohnt seit geraumer Zeit mit ihrem Mitbewohner Konrad zusammen und teilt ihr ganzes Leben mit ihm. Dann aber sieht sie sich plötzlich damit konfrontiert, dass Konrad seit Langem mal wieder eine Freundin hat und so beginnt das Band zwischen ihnen mehr und mehr Risse zu bekommen. Plötzlich scheint da kein Platz mehr für Rea zu sein und sie muss sich damit auseinander setzen, was sie denn eigentlich vom Leben erwartet. Um die schützende Hülle der Jugend noch ein wenig aufrecht zu erhalten, flüchtet sie sich erst einmal in einen Urlaub, stellt aber fest, dass das nicht der Ausweg aus der Sackgasse ist, in der sie zu stecken scheint. Elisabeth Ranks Roman erzählt in diesem Zusammenhang vor allem die Geschichte zweier Menschen, deren Freundschaft in die Jahre gekommen ist. Er transferiert den Moment der gegenseitigen Entwöhnung auf Papier und strotzt in diesem Zusammenhang nur so vor schmerzhaften Momenten. Wobei ich zu guter Letzt noch einmal auf das vorab schon erwähnte Zitat zu sprechen kommen möchte, welches das Geschehen besser zusammenfasst, als diese Worte es hier jemals könnten. Es lautet: „When I See You Again / And I´m Greeted As A Friend / It Is Understood / That We Did All We Could“.
// Der Berliner Architekt Friedrich von Borries hat bereits mit seinem 2011er Werk „1WTC“ einen wirklich beunruhigenden Roman zum Thema Architektur vorgelegt. Nun erscheint sein neues Buch namens „RLF“ und ist nicht minder packend zu lesen. Nachdem es in London zu Unruhen in den Straßenschluchten der Stadt kommt, liegt auch in der Welt des Werbemenschen Jan kein Stein mehr auf dem anderen. Zusammen mit der Aktivistin Slavia und dem Künstler Mikael Mikael macht er sich daran, die gesellschaftlichen Verhältnisse umzustürzen. Das Ziel: eine bessere Welt. Die Methode: ein Lifestyle-Unternehmen. Die Idee: so verrückt, dass sie schon wieder funktionieren könnte. Also machen sich die drei daran Produkte zu generieren, die zu Protest und Widerstand anregen. Sie wollen das System von innen heraus zerstören, merken aber erst relativ spät, dass sie sich da mit einem wirklich unbarmherzigen Monster angelegt haben. Ob das Trio am Ende wieder heil aus der ganzen Geschichte herauskommt? Am besten du machst dir selbst ein Bild. Zahlreiche Gast-Auftritte von Stéphane Hessel bis Judith Butler gibt’s inklusive und einen wirklich spannenden Roman über „Das richtige Leben im Falschen“.
// Wenn sich Musiker dazu entscheiden, ihre Lyrics im Rahmen eines Buches zu veröffentlichen, geht das schon mal gehörig in die Hose. Wenn es sich dabei allerdings um die Texte einer so verehrten Band wie Pulp handelt, dann funktioniert das Ganze auch in literarischer Form. Jarvis Cocker ist nämlich neben seiner Rolle als Sänger vor allem ein großer Poet, der uns mit seinen Worten spielend um den kleinen Finger wickelt. Noch dazu bekommen wir in „Mother, Brother, Lover“ ein aufschlussreiches Vorwort und was noch viel wichtiger ist: eine deutschsprachige Version der Lyrics präsentiert. So kommt man in den Genuss von poetischen Übersetzungen so bekannter Stücke wie „Common People“ oder „Disco 2000“. Wobei auch die ewigen Geheimtipps wie „Space“ oder „My Legendary Girlfriend“ mit zahlreichen hintersinnigen Texten gesegnet sind. Wenn du also auf Pulp stehst, hast du jetzt mal wieder einen Grund die alten Platten aus der Kiste zu kramen. Und bekommst zu guter Letzt auch noch ein gelungenes Nachwort des Übersetzers Michael Kerkmann präsentiert. Und wir sagen erst einmal tschüss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?