// aufgelesen vol. 90 – „adam nickte“

mit Büchern von Francesca Segal, Nicole Zepter, Oscar Niemeyer, Bernd Schneid und Stefanie de Velasco. // Im klassischen Look kommt das aktuelle Werk der Londoner Schriftstellerin Francesca Segal daher, die bereits zuvor als Redakteurin beim „Guardian“ oder „Daily Telepgraph“ von sich reden machte. Mit „Die Arglosen“ legt sie nun ihr literarisches Debüt vor und widmet […]

mit Büchern von Francesca Segal, Nicole Zepter, Oscar Niemeyer, Bernd Schneid und Stefanie de Velasco.

segal// Im klassischen Look kommt das aktuelle Werk der Londoner Schriftstellerin Francesca Segal daher, die bereits zuvor als Redakteurin beim „Guardian“ oder „Daily Telepgraph“ von sich reden machte. Mit „Die Arglosen“ legt sie nun ihr literarisches Debüt vor und widmet sich darin einem Pärchen, das bereits zwölf Jahre zusammen ist. Just in dem Moment allerdings, als die beiden ihre Verlobung bekannt geben, scheint sich das Schicksal zu wenden. Auf einmal taucht nämlich die Cousine der Braut auf und Adam fühlt sich heftig zu ihr hingezogen. Für wen er sich am Ende entscheidet? Darum geht es in diesem Werk.

Vor allem aber thematisiert die Autorin im übertragenen Sinne die Frage, inwieweit das Leben von uns allen planbar ist. Hier jedenfalls gibt es kein richtig und falsch, kein gut oder böse. Es stehen einfach nur Gefühle im Raum mit denen sich die Protagonisten konfrontiert sehen und die sie irgendwie in ihr bestehendes Leben eingliedern müssen. Ob am Ende dann alles in Schutt und Asche liegt? Wer weiß das schon. Francesca Segal gelingt mit „Die Arglosen“ ein beeindruckendes Debüt voller vielschichtiger Charaktere, das mit den üblichen Schnulzenromanen in den örtlichen Buchhandlungen rein gar nichts am Hut haben. Wenn du also auf Erzählungen der Marke „Vielleicht lieber Morgen“ stehst, lies mal rein. Es könnte sich als lohnenswert erweisen.

kunst-hassen// All jene, die zuletzt ein Museum besucht haben und sich insgeheim gefragt haben, was der ganze Müll an den Wänden da eigentlich bedeuten soll, die kommen im aktuellen Werk von Nicole Zepter auf ihre Kosten. Die widmet sich in „Kunst hassen“ nämlich ihrer enttäuschten Liebe zur Hochkultur und stellt dabei zahlreiche künstlerische Arbeiten in Frage. Mit ihrer sympathischen, polemischen Herangehensweise referiert sie darüber, dass heutzutage viel zu schnell viel zu viel Durchschnittliches gut geheißen wird, weil keiner sich mehr traut, sich mit einer Aussage die Finger zu verbrennen. Ihr Buch ist ein einziges Plädoyer dafür, mal wieder so richtig weit das Maul aufzureißen und offen zu sagen, wenn man etwas so richtig scheiße findet. Das wiederum finden wir super und legen euch diesen kleinen, aber feinen Band ganz innig ans Herz. Darin findet ihr nämlich nicht nur diverse Gründe das eine oder andere Kunstwerk zu hassen – ihr kriecht auch raus aus eurem Wellness-Häuschen mit „Gefällt mir“-Funktion, das dazu führt, dass man sich jede kritische Anmerkung verkneift. Muss ja schließlich längst möglich geritten werden, der Gaul, der sich Hype nennt. Wer das so scheiße findet, wie wir, liest dieses Buch. Es lohnt sich.

niemeyer// Kurz vor seinem Tod veröffentlichte der renommierte Architekt Oscar Niemeyer noch einmal ein gelungenes Fazit seines eigenen Daseins. Das Ergebnis hört auf den Namen „Wir müssen die Welt verändern“ und erscheint in diesen Tagen als handliches Büchlein im „Verlag Antje Kunstmann“. Der Blick des Autors ist in diesem Zusammenhang stark geprägt von seinem Heimatland Brasilien, dem er einst eine neue Hauptstadt konzipierte. In seinem Buch plädiert er dafür es in Zukunft besser zu machen. Er reflektiert unsere Gesellschaft in all ihren Facetten und steckt einen schon nach wenigen Seiten mit seinem Enthusiasmus an. Schade eigentlich, dass dieses Werk schon nach so wenigen Seiten wieder zu Ende ist. Man hätte gerne noch ein wenig länger den Worten des Autors gelauscht. Schön aber ist es trotzdem, dass der zu seinem Tod beinahe 105-jährige, noch einmal in literarischer Form zu uns spricht. Also nehmen wir uns jetzt erst mal ein Beispiel an seinen Worten und versuchen die Welt durch unsere Fantasie zu einem besseren Ort zu machen.

schneid// Während in diesen Tagen alle auf die letzten Episoden der grandiosen TV-Reihe „Breaking Bad“ hin fiebern, möchten wir die Gelegenheit nutzen und euch auf ein aufschlussreiches „Fach“-Buch aus der Feder von Bernd Schneid hinweisen. „Die Sopranos, Lost und die Rückkehr des Epos“ widmet sich dem Thema „Erzähltheoretische Konzepte zu Epizität und Psychobiographie“ und ist in diesem Zusammenhang nicht nur mit zahlreichen Zitaten aus oben genannten Serien gespickt, sondern auch mit interessanten Abhandlungen über die Zusammenhänge von Homer und Tony Soprano versehen. Der Autor deckt Querverbindungen auf, widmet sich der „Literaturgeschichte des Epos“ und geht zu guter Letzt auch noch sehr intensiv auf die beiden episch-angelegten TV-Reihen ein, die man sich als Serienfan auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Von dem Wissenschafts-Sprech auf dem Buchrücken braucht man sich in diesem Zusammenhang übrigens nicht abschrecken lassen, sich als Anhänger der Reihen eingehender mit diesem Werk auseinander zu setzen. Man muss zwar als Laie ab und zu das eine oder andere Wort nachschlagen, wird dafür aber dafür detailliert über die unterschiedlichen Bedeutungsebenen der einzelnen Episoden unterrichtet. Wenn du also auch gerne etwas gräbst, schau doch mal rein.

tigermilch// Die Oberhausener Schriftstellerin Stefanie de Velasco erzählt uns in ihrem neuen Roman die Geschichte zweier Jugendfreundinnen, die vollkommen unzertrennlich sind. Nini und Jameelah wohnen beide im selben Viertel und das Leben liegt noch vor ihnen. Während sie mit Ringelstrümpfen durch die Straßen schlendern und dabei über das Thema „Entjungferung“ sprechen, scheint alles perfekt. Doch ihre kleine Parallelwelt beginnt zu bröckeln, als in der Familie eines Freundes plötzlich etwas Unheilvolles passiert. Und so stecken Nini und Jameelah plötzlich mitten drin im echten Leben und müssen feststellen, dass es nicht immer nur aus sonnigen Momenten besteht. Stefanie de Velasco gelingt es mit „Tigermilch“ sehr authentisch die Gefühle eines jungen Menschen auf Papier zu überführen. Ihr Roman reißt einen schon nach kurzer Zeit in einen regelrechten Sog der Emotionen. Der Titel selbst bezieht sich in diesem Zusammenhang auf ein Mischgetränk aus Milch, Mariacron und Maracujasaft, das die beiden immer wieder auf der Schultoilette zusammenmischen. Ob sie am Ende des gemeinsamen Sommers noch dieselben sind oder sich ihre Wege am Ende trennen? Das verraten wir hier natürlich noch nicht… Alle, die auf glaubwürdige „Coming Of Age“-Geschichten stehen, können aber gerne mal einen Blick in das Buch werfen. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.