// zuckerbeart vol. 53

Verdammt, so verquer hat mich schon lang kein Album mehr abgeholt. Jedenfalls klingt das, was die Crystal Stilts auf „Alight Of Night“ so abliefern ziemlich versurft nach einer verlorenen Beach Boys Aufnahme. Die Musik erzeugt dabei eine verträumte Atmosphäre, die wirkt, als hätte die Band ihre Instrumente am Ende eines langen Ganges aufgestellt und auf […]

Verdammt, so verquer hat mich schon lang kein Album mehr abgeholt. Jedenfalls klingt das, was die Crystal Stilts auf „Alight Of Night“ so abliefern ziemlich versurft nach einer verlorenen Beach Boys Aufnahme. Die Musik erzeugt dabei eine verträumte Atmosphäre, die wirkt, als hätte die Band ihre Instrumente am Ende eines langen Ganges aufgestellt und auf das Echo gewartet. Als hätte man es nicht anders erwartet, kommt die Gruppe dann auch noch aus Brooklyn, was sie natürlich an vorderster Front der Hipster Cliquen positioniert. Wenn das Ergebnis allerdings so schwelgerisch einlullt, wie in diesem Fall. Dann lässt man sich davon nur zu gerne berauschen. The Velvet Underground grüßen da durch Nebelschwaden. Geisterhaft spuken Sixties Kapellen aus den dunkelsten Ecken des Geisterhauses. Und gegen Ende vergräbt man sich wie benebelt mit der Freundin unter der Bettdecke und knutscht sich zu den Melodien von „The SinKing“ die Lippen wund.

Noch mehr wärmende Klänge gibt es hinterher von Cocoon. Die machen auf ihrem Debüt „My Friends All Died In A Plane Crash“ einen auf Belle & Sebastian und musizieren an Piano und Ukulele, als wollten sie den Flug eines Schmetterlings nachzeichnen. Hinterher stülpen sie dann noch ein paar Weichzeichner drüber und fertig ist die Hitschleuder. In Frankreich jedenfalls sind sie damit schon durch die Decke gegangen. Und ich muss zugeben. Die Songs dieses Blumenstraußes voller Gänseblümchenromantik entfalten einen ähnlichen Charme, wie die Trauerklöße von Kings Of Convenience. Der zudem eingestreute Zynismus sprengt dabei auch gern mal Risse in die makellose Fassade und stellt einen gelungenen Kontrast zur lieblichen Verpackung des Albums dar.

Anschließend freuen wir uns mal wieder über neues Futter für den Sampler-Markt. Kommerzielle Zusammenstellungen sind seit der Erfindung von mp3 ja eigentlich das Überflüssigste wo gibt. Was da allerdings aus dem Hause „Rough Trade Shops“ jährlich auf die Menschheit losgelassen wird, das ist schon zauberhaft. Auf „Counter Culture“ versammeln sich auch diesmal wieder lieb gewonnene Klänge von den Fleet Foxes (die Konsenshymne: „White Winter Hymnal“), Bon Iver (das bezaubernde „Flume“) und Flying Lotus („GNG BNG“). Dazu gibt’s tolle Newcomer der Marke Shit And Shine, The Low Anthem und zahllose weitere Neuzugänge der Indie- und Elektrozunft. Das Schönste aber ist: die Zeit des teuren Imports ist vorbei. „Counter Culture 08“ erscheint in diesem Jahr erstmals offiziell in Europa und dürfte dadurch schon bald einen Triumphzug auf die Plattenteller der hiesigen Indieszene hinlegen. Die Notizen im Booklet verschaffen zudem einen sympathischen Einblick in die Gedankenwelt derer, die das bunte Treiben angeleiert haben. Alles in allem die wahrscheinlich perfekteste Kuriositätensammlung, die einem in diesem Jahr unterkommen wird – mit massenhaft Hits, die demnächst in den Clubs rauf und runter laufen.

Now, Now Every Children aus Minnesota entpuppen sich hinterher als Freunde der verkratzten Indie-Klänge. Jedenfalls schlurfen sie auf ihrem Debütalbum „Cars“ so herzallerliebst durch lo-fi-poppige Phantasien, dass sie mich zeitweise an die alten Tage von Sonic Youth erinnern. Einige Touren mit Mates Of State und The Rosebuds haben die Highschool-Absolventen Cacie Dalager und Brad Hale ja bereits hinter sich und übertragen die Schlafzimmer-Slacker-Atmosphäre ihres ersten Videos „Friends With My Sister“ gekonnt aufs Albumformat. Jedenfalls wird einem aufgrund diverser Disharmonien nicht so schnell langweilig in diesem neu gegründeten Club der Holzfällerhemden. Warum sie allerdings von den Fans der Emo-Darlings von Paramore zur „Band des Monats“ gekürt wurden, das will sich mir auch nach mehrmaligem Abspielen des Teils nicht erschließen. Mit gleichförmigen Teenie-Emo hat die Scheibe nämlich rein gar nichts am Hut. Stattdessen gibt’s das volle Indie-Brett – im ursprünglichen Sinne dieses inzwischen so verwässerten Begriffs.

Anschließend lehnen wir uns dann eine Runde zurück und lauschen den Melodien von The Milk & Honey Band. Die heulen auf „Dog Eared Moonlight“ so hoffnungslos schräg den Mond an, dass man sich fühlt wie ein Wolf im Schafspelz. Eigentlich klingt das Ganze ja nach einer typischen Slide-Guitar-Scheibe, die nach wenigen Durchläufen erschöpft ins Regal stolpert. Doch in der Stimme von Robert White schwingt kontinuierlich ein Hauch von Dissonanz mit, was den traditionellen Klängen neues Leben einhaucht. Also schließt die Augen, schmeißt euch auf die Couch in der Ecke und lauscht diesen zehn Stücken, die Oasis und Elliott Smith in einen psychedelischen Schleier der Widersprüchlichkeiten verwickeln.

Hinterher tänzelt einem dann mal wieder ein neuer Trend aus den Blogs vor die Füße. Vetiver verorten sich irgendwo zwischen Eigenbrödlern der Marke Devendra Banhart und den Hitraketen von The Shins. Wirklich wegweisende Songs haben sie auf „Tight Knit“ aber nicht am Start – am ehesten beeindruckt noch die schmissige Single „Everyday“, die dem Zuhörer zumindest ein sanftes Fußwippen abringt. Ansonsten kapituliert die Scheibe mit ihren verfolkten Klängen und melancholischen Zwischentönen vor den hochgesteckten Erwartungen. Alles in allem ist „Tight Knit“ der perfekte Soundtrack für alle, denen die letzte Jack Johnson-Scheibe eine Spur zu gleichförmig geraten ist. Auf gewisse Weise gibt’s hier nämlich Sonnenuntergang, Sandstrand und Lagerfeuer auf einmal. Kurz gesagt: ein Hitalbum – von dem man sich wünschen würde, dass es auch mal dorthin geht, wo es wirklich weh tut.

The Prodigy haben sich derweil daran gemacht die Geister der Vergangenheit aus der Gruft zu befreien. Nachdem der Vorgänger schnell wieder im Plattenschrank verschwand, haben sie sich auf „Invaders Must Die“ ihrer Stärken besonnen und ein paar schicke Elektro-Pophits der Marke „Thunder“ und „Colours“ fabriziert. Mit der Langlebigkeit der Scheibe dürfte es allerdings nicht weit her sein. Die erste Single „Omen“ kommt einem mit ihren 90s Referenzen jetzt schon wieder zu den Ohren raus. Und auch der Rest ist Vergangenheitsbewältigung deluxe. Ein Song, wie „Take Me To The Hospital“ hätte in dieser Form schon aufs Debüt gepasst. „Black Smoke“ und „Fighter Beat“ geraten zur Hommage an alte „Jilted“-Zeiten. Und fast der komplette Rest klingt wie eine Schwanzverlängerung von „Fat Of The Land“. Das man am Ende trotzdem begeistert ist, liegt vor allem daran, dass sowieso niemand mehr damit gerechnet hat, dass die Jungs die Elektrowelt noch mal aus den Angeln heben. The Prodigy machen anno 2009 einfach das was sie am Besten können: Volle Kanne abgehen. Also Schiebdach auf und Regler nach oben. Hier kommt die Elektro-Klatsche des Jahres.

Zum Abschluss lassen wir uns dann nochmal von B-Real auf einen entspannten Trip einladen. Nachdem seine allseits beliebte Kiffer-Kapelle Cypress Hill in letzter Zeit nur noch bedingt zu begeistern wusste, will er es jetzt Solo reißen. Auf „Smoke N Mirrors“ hat er dazu allerhand große Namen wie Damian Marley, Sen Dog, Xzibit und den Gras-Keeper Himself: Snoop Dogg angekarrt und eine Bassspülung für die Boxen zusammengebastelt. Die vielen Features sind zwar zu bemängeln, weil man sich am Ende etwas mehr Mut zur Solo-„Breit“-Seite gewünscht hätte. Aber bei 15 Tracks gibt’s trotzdem ordentlich Futter aus des Meisters Klauen, das den geneigten „Hits From The Bong“-Fan glücklich machen dürfte. Die Scheibe läuft so dermaßen zurückgelehnt vor sich hin, dass sich der Autositz kurzerhand in eine Liege für den Sandstrand transformiert. Also gebt dem Ganzen mal ne Chance. Und lasst euch von der Frühlingssonne die Haarspitzen massieren. Bis zum nächsten Zuckerbeat.