// zuckebeat vol. 79

Alle, die sie bereits im Vorprogramm von Clueso erleben durften, waren entzückt von Mariha. Die in der Hansestadt lebende Sängerin bezaubert einen mit sanften Popmelodien, als hätte sie den Glauben an guten Radiopop noch nicht aufgegeben. Die Songs ihres Debüts „Another Lover“ sind immer eine Spur zu spröde, um im Einheitsbrei des Formatradios zu versinken. […]

mariahAlle, die sie bereits im Vorprogramm von Clueso erleben durften, waren entzückt von Mariha. Die in der Hansestadt lebende Sängerin bezaubert einen mit sanften Popmelodien, als hätte sie den Glauben an guten Radiopop noch nicht aufgegeben. Die Songs ihres Debüts „Another Lover“ sind immer eine Spur zu spröde, um im Einheitsbrei des Formatradios zu versinken. Die Sängerin sieht sich in der Tradition von Tracy Chapman und Fiona Apple. Sie schafft es, dass man ihr gerne zuhört, wenn sie von der Liebe erzählt. Die Musik verkommt nie zum Hintergrundgedudel. Sie dockt dort an, wo Sting sich mal seine eigene Nische schuf, bevor er seinen Sound so schrecklich mit Pathos zukleisterte. Die Balladendichte hält sich zudem stark in Grenzen, was den einen oder anderen beschwingten Hüpfer, wie den gleichnamigen Titelsong abwirft. Zugegeben: manchen wird das vielleicht alles eine Spur zu glatt klingen. Bei mir trifft Mariah mit ihrem neckischen Gesang einen Nerv, der sie aus der Masse der Veröffentlichungen heraus hebt. Spätestens, wenn „In My Dreams“ den Raum durchdringt und mit seiner hoffnungslos romantischen Stimmung einen musikalischen Herzluftballon an die Zimmerdecke malt, bin ich der Musikerin endgültig verfallen. Bleibt am Ende also nur zu hoffen, dass das Hochgefühl noch länger anhält. Popmusik kann einem da ja im ersten Moment der Euphorie schon mal einen gehörigen Streich spielen.

tom-liwaTom Liwa hat sich derweil mal wieder aufs Wesentliche besonnen und ein neues Album voll zärtlicher Songs aus dem Ärmel geschüttelt. Die neue Platte „Eine Liebe ausschließlich“ startet überraschenderweise mit einer Coverversion von Snow Patrol, in der Liwa dem eigentlich ziemlich öden „Chasing Cars“ das nötige Gefühl abtrotzt, das das Original vermissen lässt. Ansonsten gibt’s auch noch ein weiteres Cover des Songs „Idiot Wind“ von Bob Dylan, was ja an sich kein leichtes Unterfangen ist. In diesem Fall hebt sich der gebürtige Duisburger allerdings keinen Bruch, sondern stellt vielmehr heraus, wo seine Einflüsse liegen. Gerade wenn man einen Song, wie „Gründe“ hört, wird die Inspiration, die Bob Dylan auf Liwa auszuüben scheint, nahezu offensichtlich. Hier geht’s weniger um den Klang der Musik, sondern um die Worte, die transportiert werden. Ansonsten ist „Eine Liebe ausschließlich“ wieder ein echtes Liwa-Album geworden. Wer ihn liebt, wird ihn nach diesen Songs noch tiefer ins Herz schließen. Der Rest wird müde abwinken und sich lieber anderen Dingen zuwenden. Ich bleib noch eine Runde hier, weil ich mich von einer verkratzten Stimme schon lange nicht mehr so wohl behütet in den Arm genommen gefühlt habe. „Manche fangen an zu reisen, um zu vergessen, andere um sich selbst zu finden…“ ich sag ja –ne echt Liwa…

apostle-of-hustleApostle Of Hustle werfen derweil zum Auftakt ihres neuen Albums mit Schimpfwörtern nur so um sich. Gläser zerbersten und dann schälen sich erste, von einer akustischen Gitarre begleitete, Töne aus den Boxen, die so beschwingt klingen, als wollten sie den Engelschören Konkurrenz machen. „Eats Darkness“ – der Titel der Platte – führt überhaupt ziemlich in die irre. Genauso das Album, das sich so anfühlt, als wolle es Brasilien und Kuba in die Indie Disco überführen. Besser gesagt: einen Hauch dessen, was man dort in den Clubs so alles Schönes vor den Latz geknallt bekommt. Soll heißen: Apostle Of Hustle werden nicht müde, dem Hörer einiges abzuverlangen – ihm neue Soundentwürfe vor die Füße zu werfen. Mancher Track hat beinahe Hörspielcharakter. Mancher jauchzt sich in schier unergründliche Basslandschaften vor. Kurz gesagt: es herrscht kreatives Chaos. Die heilende Kraft der Musik soll sich vorbehaltlos über den Hörer ergießen. Diese Platte ist wie ein Sprühregen an Inspiration. Ebenso unfassbar, wie Seifenblasen. Ein schimmerndes Indie-Pop-Werk, das uns in gewittrigen Laden eine Sonne vor den Kopf pappt. „Eats Darkness“ ist ein echter Hoffnungsschimmer im Niemandsland der austauschbar gewordenen Indie-Musik. Das frisst man doch gerne.

fukkk-offZiemlich auf die Glocke haut hinterher Bastian Heerhorst alias Fukkk Offf. Die Buchstabierung des Bandnamens sorgt erstmal dafür, dass man denkt, da wolle sich jemand größer machen, als er ist. So, als wolle er seine musikalischen Mängel durch einen umso größeren Lautsprecher beseitigen. „Love Me Hate Me Kiss Me Kill Me“ ist dann auch alles andere, als handzahm. Die Elektro-Ballerei macht keine großen Gefangenen. Der Euphoriezustand soll sich sofort einstellen. Live kann man derweil zu „More Than Friends“ und „Rave Is King“ auch derbe gut im Kreis springen und sich gegenseitig auf der Tanzfläche ein bisschen anstupsen. Aggro-Elektro ist ja dank Deichkind und Konsorten der neue Rock, aber zuhause im Player, da langweilt man sich dann doch ziemlich schnell, wenn einen immer wieder die gleiche euphorisch dahin geschmetterte Hookline um die Ohren fliegt. Alles in allem also der perfekte Soundtrack für den Massenpogo unterm Discolicht. Und in diesem Kontext auch wirklich gut gelungen. Nur zuhause, da hat man vielleicht schon die eine oder andere Scheibe zu viel im Regal stehen, die versucht die Energie einer Rockshow ins Elektronische zu übersetzen.

ian-simmondsEtwas subtiler geht es auf dem neusten Werk von Ian Simmonds zu. „The Burgenland Dubs“ bewegt sich im Grenzgebiet zwischen perkussiver Elektro–Nonchalance und orientalischen Anleihen. Die Scheibe läuft dabei kaum Gefahr zum reinen Wellness-Erlebnis für die Schönheitsfarm zu verkommen. Da liegt zwar eine gewisse Spiritualität in der Musik, die man schätzen kann, wenn man der Weltmusik nicht unbedingt abgeneigt gegenüber steht, aber ins Klischeehafte driftet die Musik dennoch nicht ab. „The Burgenland Dubs“ lebt vor allem von seinem stimmungsvollen Gesamtbild und landet letztlich irgendwo zwischen den Polen Massive Attack und dem ruhigerem Zeugs von Moby. Dementsprechende kann man sich zu der Scheibe auch einfach mal entspannt in den Sessel plumpsen lassen und in eine „fabelhafte“ Welt eintauchen.

autokratzUnd yep, während ihre erste Hitsammlung noch vorwiegend aus bereits veröffentlichtem Material bestand, haben sich autoKratz nun daran gemacht, ihren ersten echten Longplayer auf die tanwütige NuRave-Gemeinde abzufeuern. „Animal“ klingt wie ein schweißtreibender Versuch, die 80er noch mal auferstehen zu lassen. Damit liegt die Gruppe genau im Trend und hat mit „Always More“ auch eine imposante Single am Start, die das letzte Zeug von Daft Punk ziemlich alt aussehen lässt. Man hat zwar in letzter Zeit sehr viel innovativere Musik gehört, als die elf Songs von autoKratz, aber hier sitzt jeder Ton. „The Idiots Are Winning“ zum Beispiel ist wie geschaffen für ein roboterhaftes Zucken unterhalb der Discokugel. Und auch „Can´t Get Enough“ entwickelt einen Hitappeal, der auf die Tanzfläche geleitet. Alles in allem muss man am Ende natürlich zugeben: Daft Punk, Underworld und prominente Originale aus den 80er standen Pate für das Londoner Duo. Aber als Hörer lässt man sich trotzdem von ihrer Musik einwickeln. Letztlich geht’s bei dieser Art von Musik ja genau darum. Um eine möglichst gute Zeit im Tanzbodenbereich. Dementsprechend lassen autoKratz mit „Animal“ auch keine Wünsche offen.

maplewood1Maplewood lassen die Sache derweil ganz traditionell vor sich hinlaufen. Auf ihrem Album „Yeti Boombox“ frönen sie den klassischen Klängen von Crosby Stills Nash Young und dem versurften Zeug der Beach Boys. Manche werden da schon beim Titelsong zu gähnen beginnen, aber wenn man eine gewisse Affinität zu verrauschten Melodien und Lagerfeuerromantik hat, dann kann dieses Album durchaus ein geschätzter Wegbegleiter werden. Die Songs sind zwar hoffnungslos in der Vergangenheit verankert und die größten Tage des Folkrock sind auch seit langem passe, aber auch heute gibt es noch Menschen, die handgemachte Musik zu schätzen wissen. Zudem ist hier auch die so manche verschwurbelte Passage drauf, an der sich vielleicht der eine oder andere Fan von Velvet Underground gar nicht satt zu hören vermag. Alles in allem ein nostalgischer Trip der romantischen Sorte, dessen Frontcover einfach nur zum Knutschen ist.

torben-moller-meissnerTorben Möller-Meissner macht derweil erstmal den Dylan im Opener seines neuen Albums „Volle Leere Ferne Nähe“. Mit seiner Mundharmonika erinnert er zeitweise an Senore Matze Rossi aus Schweinfurt und erzählt romantische Geschichte mit einer Schnauze, die klingt, wie – sagen wir mal – Olli Schulz meets Wizo. Er ist ja selbst jahrelang bei Rantanplan als Sänger aktiv am Start und hat dementsprechend eine breite Fanbase. Die wird ihm diesen Sound irgendwo zwischen Abwärts und …But Alive auch nur zu gerne abkaufen. Alles in allem sind es aber vor allem die Songs, in denen der Sänger die Sache musikalisch auf Nötigste beschränkt, die einem am Ende am Nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben. Gerade, wenn er seine Stimme mal nicht mit dem nötigen Klang ausstaffiert, wirkt seine Musik am Natürlichsten. „Volle Leere Ferne Nähe“ bleibt deshalb am Ende ein zerrissenes Werk eines Künstlers, dem man die Hingabe zu seiner Musik in jedem Moment vollends abkauft.

we-were-promised-jetpacksWer derweil immer noch nicht genug hat von einem atmosphärischen Mix aus Joy Division und zeitgemäßer Emo-Romantik, der sollte mal nachsehen, was sich hinter dem kargen Artwork von „These Four Walls“ für ein nachhaltiger Schlawiner versteckt. Die, sagen wir mal, Post-Punkrocker von We Were Promised Jetpacks schließen mit ihrem Album dort an, wo die Maccabees mit ihrem kürzlich veröffentlichten Zweitling aufgehört haben. Sie fabrizieren eine bisweilen ausufernde Melange aus hymnischen Passagen und überbordender Gitarrengewalt. Euphorisch stimmende Tanzbodenhits, wie „Roll Up Your Sleeves“ oder „Ships With Holes Will Sink“ werden gekontert mit stolpernder Rhythmik der Marke Maximo Park. Der immer etwas zu schiefe Gesang des Frontmanns erinnert dazu an die gute alte Emo-Schule, die diesen Namen damals noch verdiente. Sunny Day Real Estate und die frühen Jimmy Eat World winken mit dem Zaunpfahl und so entpuppt sich „These Four Walls“ am Ende als durchweg langlebiges Erlebnis, das nie zu berechenbar klingt, um im gegenwärtigen Einheitsbrei abzusaufen. Wer sich genügend Zeit für dieses Album nimmt, der wird es (zu) schätzen lernen. Mindestens.

against-meAlle, die derweil auf die schnelle Sause aus sind, seien stattdessen an die Jungs von Against Me! verwiesen. Deren neues Mini-Album ist eine äußerst kurzweilige Angelegenheit, auch wenn Kurzweil in diesem Zusammenhang nicht bedeutet, dass die acht Songs von „The Original Cowboy“ nicht durchweg gelungene Vertreter der arsch-abrockenden Sorte wären. Nein, Kurzweil bedeutet in diesem Zusammenhang: der Sommer kann kommen. „One, Two, Three, Four“ und ab dafür. Da wird nicht lange gefackelt. Sobald das Intro verklungen ist, wird auf die Instrumente eingedroschen, dass es eine wahre Freude ist. Man weiß sofort, was Sänger Tom Gabel damit gemeint hat, wenn er sagt, die Aufnahmen und das Mischen habe nur ein paar Stunden in Anspruch genommen. So unmittelbar und direkt klangen Against Me! schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Und irgendwie steht ihnen dieser rumpelige Sound meiner Meinung nach am Ende wesentlich besser, als die große Hymnenkeule ihres Majordebüts „New Wave“. Wer auf Punkrock ohne große Schnörkel steht. Bei Against Me! lohnt es sich nach all den Jahren mal wieder an die Studiotür zu klopfen. Da geht’s nämlich immer noch rund bei den Jungs.

pete-yornWomit wir uns mal wieder dem Ende nähern. Das läutet diesmal Pete Yorn mit seinem Album „Back & Forth“ ein. Die Musik auf der vierten Platte des Künstlers bewegt sich im Grenzgebiet von Bright Eyes, Counting Crows und Ryan Adams, ohne dabei Gefahr zu laufen im Einheitsbrei der Alternative-Sendestationen zu versinken. „Back & Forth“ ist ein anmutendes Werk, das schon mit dem Opener „Don´t Wanna Cry“ jegliche Zweifel beiseite wischt. Hier hat sich jemand vollends seinen Gefühlen ausgeliefert und entwirft daraus Klänge, die er einem in zehn schmissigen Kapiteln um die Ohrläppchen kurbelt. Mit „Back & Forth“ könnte dem lieben Pete dabei auch hierzulande der große Durchbruch bevorstehen. Auf diesen Sound werden sich nämlich alle einigen können. Die Radiohörer und Saddle Creeker, die Melancholiker und Liebenden, die Trunkenbolde und Träumer. Pete Yorn schenkt ihnen mit dieser Scheibe einen Ort zum Verweilen. Und deshalb lasse ich mich jetzt auch mal nieder – genieße die Musik. Lange nicht mehr so geschmachtet zu einer Platte – kann schon gar keine vollständigen Sätze mehr formulieren. Also dann. Wir lesen uns. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// alexander nickel- hopfengart