// aufgelesen vol. (1)08 – „winter“

mit Büchern von David Buckley, Ed Burns & David Simon, Tony O´Neill, Friedrich Ani & Sabine Scholl. // Zum Thema Kraftwerk gibt es jede Menge Spannendes zu sagen. Nun macht sich David Buckley daran, die „unautorisierte Biografie“ der renommierten Elektro-Band via „Metrolit“ auf die Menschheit loszulassen und sorgt damit für allerhand A-Ha-Effekte beim Leser. In […]

mit Büchern von David Buckley, Ed Burns & David Simon, Tony O´Neill, Friedrich Ani & Sabine Scholl.

kraftwerk// Zum Thema Kraftwerk gibt es jede Menge Spannendes zu sagen. Nun macht sich David Buckley daran, die „unautorisierte Biografie“ der renommierten Elektro-Band via „Metrolit“ auf die Menschheit loszulassen und sorgt damit für allerhand A-Ha-Effekte beim Leser. In seinem Buch geht der Autor nicht nur auf Einfluss der Band in Bezug auf unsere heutige Musikszene ein, sondern widmet sich auch den Anfängen des Kollektivs. Ziel des ganzen Unterfangens ist es, die Menschen hinter den Robotern ins Rampenlicht zu schubsen. In diesem Zusammenhang hat Buckley nicht nur mit zahlreichen Weggefährten, sondern auch mit ehemaligen Mitgliedern gesprochen, die versuchen den letzten Geheimnissen in Sachen „Kraftwerk“ auf den Grund zu gehen.

Im Rahmen der acht Kapitel mit so illustren Titeln wie „Kommunikation“ und „Mechanik“ kommt man nicht nur in den Genuss zahlreicher, bisher nur wenig bekannter Details aus dem Band-Alltag, man möchte auch die alten Platten mal wieder aus der Kiste kramen, um sich die großen Hits von damals noch einmal aufs Neue zu Gemüte zu führen. Gerade in Sachen „Kraftwerk“ macht diese Biografie also durchaus Sinn, weil diese Band ja von Beginn an von sich behauptete: „Wir sind die Roboter“. Dass hinter der packenden Live-Show und den elektronischen Klängen der Band dennoch echte Künstler stecken, wird hier überdeutlich und lenkt den Blick immer wieder auf den menschlichen Aspekt des Kraftwerk-Universums. Soll heißen: „Kraftwerk – Die unautorisierte Biografie“ ist ein längst überfälliges Werk, das man sich nicht nur als Fan der Band unbedingt zu Gemüte führen sollte.

corner// Alle Fans der renommierten TV-Reihe „The Wire“, welche leider nach fünf Staffel eingestellt wurde, sollten wissen was kommt, wenn der Name „The Corner“ fällt. Der Schmöker von Ed Burns und David Simon hatte nämlich einen immensen Einfluss auf den Inhalt der Serie. Handlungstechnisch befinden wir uns in Baltimore. Und weil die wirtschaftlichen Aussichten für viele Menschen dort -gelinde gesagt- nicht sonderlich gut sind, wird an zahlreichen Straßenecken rund um die Uhr gedealt. Die beiden Autoren haben sich ein Jahr ins Getümmel geworfen, um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass Baltimore im Drogensumpf erstickt ist. Sie haben sich an die Fersen einer Familie geheftet und zeigen auf diese Weise, wie die Menschen hier vom Drogengeschäft abhängig werden. Es geht schlicht und ergreifend ums Überleben. Alternativen gibt es so gut wie keine und die äußeren Umstände zwingen sie zu drastischen Entscheidungen. Simon und Burns rücken die Menschen in den Vordergrund ihrer Geschichte. Sie zeigen auf, wie sie durch das Raster der Gesellschaft bis ganz nach unten rutschen. Sie machen deutlich, wie die Hoffnungen und Träume der Menschen auf der Straße irgendwann zerplatzen. Sie zeichnen ein Bild der Trostlosigkeit und geben dem Grauen ein menschliches Gesicht. Ihr Buch wurde dementsprechend auch vom renommierten TV-Sender „HBO“ in eine Mini-Serie überführt, die als offizieller Vorgänger von „The Wire“ gilt, hierzulande aber leider sehr schwer zu bekommen ist. Aber vielleicht klappt es ja im Zuge dieser Buchveröffentlichung. Mit „The Corner“ wollten die beiden Autoren einen „Bericht aus dem dunklen Herzen der amerikanischen Stadt“ kreieren. Es ist ihnen gelungen. Wobei wir alle Leser auch gleich noch auf den Roman „Homicide“ (ebenfalls von David Simon) aufmerksam machen möchten, der ebenfalls im „Heyne Hardcore“-Verlag erschienen ist. Der dreht sich nämlich um das Leben der Polizisten in der Stadt und trägt am Ende ein gehöriges Stück dazu bei, einen differenzierten Gesamteindruck der gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort zu erhalten.

black-neon// Nachdem uns schon „Sick City“ in große Verzückung versetzte, erscheint nun bei „Walde+Graf“ der neue Roman von Tony O´Neill, der nicht nur in literarischer Hinsicht äußerst abwechslungsreich geraten ist. Mal abgesehen davon, dass sich das Schriftbild ständig verändert, wurde das Werk auch noch mit einigen Illustrationen versehen, welche die Stimmung des geschriebenen Wortes sehr treffend transportieren. „Black Neon“ dreht sich um ein gleichnamiges Filmprojekt, das gleichzeitig das letzte des renommierten Regisseurs Jaques Selzer sein soll. Selbiger allerdings hat die vergangenen Jahre damit verbracht sich auf wilden Partys in Europa herumzutreiben und scheint keine großen Ambitionen an den Tag zu legen, seinem filmischen Schaffen noch etwas hinzuzufügen. Als er schließlich doch irgendwann zurück nach Hollywood kommt, um das Unterfangen namens „Black Neon“ in Angriff zu nehmen, engagiert er die beiden Verrückten Randall und Jeffrey, die O´Neills Leserschaft bereits aus dem Roman „Sick City“ bekannt sein sollten. Zusammen mit ihnen richtet er den Blick auf die Schattenseiten des Lebens und sieht sich schon nach kurzer Zeit mit jeder Menge Dealern, Drogenabhängigen und Prostituierten konfrontiert. Ob das am Ende wirklich zu einem gelungenen Resultat führt oder sich der Protagonist damit vollends ins Verderben stürzt? „Black Neon“ ist ein gefundenes Fressen für all jene, die sich schon immer mal gefragt haben, was wohl dabei heraus kommen würde, wenn die Produzenten von „Breaking Bad“ sich an einer Fortsetzung von „Get Shorty“ und „Be Cool“ versuchen würden.

ani-m// Nachdem eine Journalistin ihren Lebensgefährten für vermisst erklärt hat, ist Tabor Süden wieder im Einsatz. Ihr Freund hat sich in letzter Zeit seltsam verhalten. Doch auch die Journalistin selbst verhält sich eigenartig und scheint weniger Informationen an die Redaktion weiterzugeben, als sie selbst welche hat. Bei der Ermittlung nach dem Vermissten verirrt sich der Protagonist schnell im Milieu der Neonazis. Als dann auch noch das LKA München den Vermissten sucht und Tabor Süden samt Kollegen aus dem Fall raus halten möchte, schnürt sich die Schlinge um den Hals der Beteiligten immer weiter zu. Eines ist jedenfalls sicher: Trauen kann Tabor Süden kaum noch jemandem, denn die Szenerie in „M“ ist von Verrat und Gewalt geprägt. Trotzdem ist Aufgeben für die Hauptfigur keine Option. Und so gelingt Friedrich Ani auch diesmal wieder ein kleines Meisterwerk. Auf 368 Seiten dokumentiert er sorgsam das Vorgehen der einzelnen Figuren mit all ihren menschlichen Verfehlungen. Bedrückend nah ist die Thematik außerdem am aktuellen Zeitgeschehen, läuft doch in München immer noch der NSU-Prozess. Wenn man schließlich am Ende des Romans angelangt ist, bleibt dennoch vieles ungeklärt. Zurück bleibt ein verstörter, betroffener Leser, der von diesem großartigen Roman noch lange zehren wird. (verfasst von K. Reschke)

sabine-scholl// Zu guter Letzt möchten wir noch auf eine Art geheimes Tagebuch von Sabine Scholl hinweisen. Die Schriftstellerin aus Berlin wagt sich in „Mein Alphabet der Männer“ daran, zahllose sexuelle Begegnungen zwischen Mann und Frau zu dokumentieren. Im Gegensatz zu effekthascherischen Werken wie „Shades Of Grey“ widmet sie sich dem Thema Pornografie auf höchst poetische Weise. Ob es nun wild zu ging oder langweilig gewesen ist. Der Autorin gelingt es sehr gekonnt die geheimsten Wünsche von Männern (und Frauen) auszuleuchten und so eine imposante Zusammenfassung diverser Bettgeschichten aus dem Hut zu zaubern. Wer nach all den Geschichten über Timo und Sebastian noch nicht genug hat, der kann zu guter Letzt sogar selbst zum Stift greifen und seine eigenen Erfahrungen hinzufügen. Darüber hinaus ist das Werk netterweise in Online / Offline gegliedert, so dass auch Freunde von virtuellen Spielchen auf ihre Kosten kommen. Wenn du also auf anspruchsvolle Unterhaltung abseits der üblichen Porno-Klischees stehst, dann schnupper mal rein in dieses Werk – eingepackt in einen eleganten Lederimitat-Umschlag. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.